„Die neue Form des Kolonialismus ist der digitale“, sagt Afrika Kiiza, Handelsexperte und ugandischer Partner von Brot für die Welt. Was er damit meint? Schon beim traditionellen Kolonialismus ging es den Europäern um günstige Rohstoffe. Persönliche Daten und Informationen sind das Gold des 21. Jahrhunderts. Im modernen Kolonialismus spielen Konzerne aus den USA und China die Hauptrolle. Sie wollen günstig an die Daten der Afrikanerinnen und Afrikaner gelangen, ohne dass sie dem afrikanischen Markt zugutekommen oder von den Ländern unseres Nachbarkontinents kontrolliert werden.
Die mächtigen Dienste und Plattformen wiederum verkaufen ihre fertigen Produkte und Dienstleistungen freilich auch nach Afrika – mit einer Bevölkerung von derzeit etwa 1,4 Milliarden ein durchaus lukrativer Markt. Damit steht Afrika auch bei der Digitalisierung wieder mal am unteren Ende der Wertschöpfungskette. Das Geld verdienen andere: Mehr als 70 Prozent der Marktanteile digitaler Plattformen entfallen auf nur sieben Konzerne aus den USA und China.
Regulierung unerwünscht
Das internationale Handelsrecht ist seit vielen Jahrzehnten darauf ausgelegt, Regulierungen abzubauen oder – wie im Falle der Digitalwirtschaft – gar nicht erst zuzulassen. Freier Datenfluss ist das Stichwort. Doch hier ist der Haken: Denn die Daten – und damit die Profite – fließen nicht frei, sondern auf die Server, die in den Ländern der mächtigen Konzerne stehen, und damit in die Taschen jener Firmen. Sie sollen weiterhin nicht verpflichtet werden, ihre Daten im Ausland zu speichern.
Diese Anti-Regulierungsagenda der USA soll nun nach dem Willen einiger großer WTO-Staaten zum globalen Vorbild werden. So steht der sogenannte freie Datenfluss auch im Zentrum der Verhandlungen für einen umfassenden weltweiten E-Commerce-Vertrag. Die EU trägt diese Forderung bislang mit, obwohl sie vor allem den Konzernen in China und den USA in die Karten spielen würde und diese damit weiterhin die Daten der Europäerinnen und Europäer vergolden können.
Protest aus dem globalen Süden
Große Schwellenländer wie Nigeria und Indien sind dagegen, damit sie überhaupt die Möglichkeit haben, eine eigene Digitalwirtschaft aufzubauen. Nigeria etwa fordert, dass ausländische Dienstleister Kundendaten auch auf Servern im Land speichern müssen. Die EU sollte sich – schon aus eigenem Interesse – auf ihre Seite stellen.
Hinweis: Der Beitrag ist am 13. Juli 2022 als Kolumne Gastwirtschaft in der Frankfurter Rundschau erschienen.