Weltweit werden Menschenrechtsverteidiger:innen wegen ihres Engagements bedroht und müssen oft kurzfristig ihr Land verlassen. Der verlässliche und vorhersehbare Zugang zu Visa für Länder, in denen sie bei akuten Bedrohungen kurzfristig einen sicheren Aufenthalt finden können, gehört deswegen zu ihren wichtigsten Sicherheitsressourcen.
Idealerweise besitzen sie Langzeitvisa für mehrere Einreisen in die EU („multiple-entry Visa“), die sie für eine sofortige Ausreise nutzen können, ohne beim Eintreten einer akuten Bedrohung erst den aufwändigen Beantragungsprozess durchlaufen zu müssen. Partner:innen von Brot für die Welt berichten immer wieder, wie befreiend der Besitz eines solchen Langzeitvisums sein kann. Die Sicherheit, bei einer plötzlichen Bedrohung sofort ausreisen zu können, lässt sie die Risiken ihres Engagements für die Menschenrechte bewusster in Kauf nehmen. Trotz politischer Zusagen und einer klaren Verankerung in den EU-Richtlinien zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen gibt es aber keine einheitlichen Verfahren für den wirksamen und vorhersehbaren Zugang zu Visa für die EU.
Hürden bei Beantragung
Denn tatsächlich werden Menschenrechtsverteidiger:innen lebensrettende Visa zur Einreise in die EU immer wieder verweigert oder ihre Beantragung unnötig erschwert. Beispielsweise werden unzählige Verteidiger:innen weltweit in ihren Heimatländern kriminalisiert. Laufende Strafverfahren sind aber für viele EU-Staaten ein automatischer Ausschlussgrund für die Vergabe von Visa. Gerade für Grasswurzelaktivist:innen, die beispielsweise aus indigenen Gemeinschaften stammen und kein regelmäßiges Einkommen vorweisen können, ist es oftmals auch unmöglich, den Nachweis über ausreichende finanzielle Mittel zu liefern, die für die Erteilung eines Visums vorausgesetzt werden. Visumsanträge aus Ländern, deren Bewohner:innen in der EU als potenzielle Asylbewerber:innen gelten, werden vielfach automatisch abgelehnt.
Hinzu kommen bürokratische Hürden und lange Bearbeitungsprozesse, die eine zeitnahe Erstellung eines Visums in lebensbedrohlichen Notlagen unmöglich machen. Oft müssen Termine bei Botschaften Wochen oder Monate im Voraus gemacht werden. Viele EU-Botschaften und auch eine Vielzahl von deutschen Auslandsvertretungen haben ihre Visaantragsprozeduren zudem teilweise an private Agenturen ausgelagert. Deren Mitarbeiter:innen sind aber meist nicht geschult, auf die besonderen Bedürfnisse von Menschenrechtsverteidiger:innen einzugehen.
Erleichterter Zugang notwendig
Brot für die Welt hat sich deswegen einer gemeinsamen Kampagne von über 50 internationalen Organisationen angeschlossen, die die Einführung eines speziellen, beschleunigten Visumverfahrens für Menschenrechtsverteidiger:innen in der EU fordern.
Im Einzelnen werden die EU und ihre Mitgliedsstaaten aufgefordert:
• In den EU-Visakodex ein spezielles, erleichtertes Verfahren für Menschenrechtsverteidiger:innen aufzunehmen, das gemeinsame Kriterien für alle EU-Mitgliedsstaaten definiert,
• Anweisungen zur Gewährung von Erleichterungen für Menschenrechtsverteidiger:innen und ihre Familienangehörigen in das EU-Visahandbuch aufzunehmen,
• Die EU-Massenzustrom-Richtlinie (2001/55/EG) so anzupassen, dass gefährdeten Menschenrechtsverteidiger:innen ein vorübergehender Schutzstatus in der EU gewährt werden kann.
Darüber hinaus werden die EU-Mitgliedsstaaten aufgefordert, das Recht von Menschenrechtsverteidiger:innen auf den Zugang zu Visa anzuerkennen, sowie bereits jetzt alle rechtlichen Spielräume bei der Erteilung von Visa an bedrohte Verteidiger:innen zu nutzen.