Gibt es ein Topthema beim Weltsozialforum in Mexiko?
Ich glaube, dass von mexikanischer Seite insbesondere zwei Themen stark eingebracht werden. Zum einen die Autonomierechte der Indigenen und die Verteidigung ihres Territoriums. Gerade im mexikanischen Süden leben viele indigene Gemeinschaften, die das Land kollektiv bewirtschaften und autonom verwalten. Aufgrund des globalen Ressourcenhungers und großer „Entwicklungsprojekte“ der mexikanischen Regierung nimmt der Druck auf ihr Territorium stark zu. Partnerorganisationen von uns unterstützen die Gemeinschaften. Das Weltsozialforum bietet ihnen die Möglichkeit, sich über Mexiko hinaus zu vernetzen.
Das andere Thema hat mit Gendergerechtigkeit zu tun. Mexiko ist extrem gewaltvoll für Frauen. Im Durchschnitt gibt es pro Tag sieben Frauenmorde. Zugleich ist die feministische Bewegung in Mexiko sehr stark und lateinamerikaweit gut vernetzt. Ich denke, dass das Weltsozialforum auch ein Ort der Zusammenkunft feministischer Bewegungen aus allen Weltteilen sein wird.
Wie wird sich der Krieg gegen die Ukraine auf das Treffen auswirken?
Der Krieg gegen die Ukraine fühlt sich in Mexiko weit weg an. Dennoch wird er sicherlich eine zentrale Rolle in den Diskussionen spielen. Ich hoffe, dass vom Weltsozialforum ein Impuls für eine neue globale Friedensbewegung ausgeht. Als Brot für die Welt haben wir zwei ukrainische Friedensaktivistinnen nach Mexiko eingeladen. Ich denke, es ist wichtig, dass Stimmen aus der ukrainischen und russischen Zivilgesellschaft Platz auf dem Forum haben.
Wie sieht die mexikanische Zivilgesellschaft auf das Weltsozialforum?
Es gibt durchaus Interesse in der mexikanischen Zivilgesellschaft an dem Weltsozialforum. Man muss aber auch sagen, dass das Weltsozialforum hier nie den großen Stellenwert hatte wie beispielsweise in Brasilien. Viele fragen sich, ob es noch zeitgemäß ist. Sicherlich wird es in Mexiko auch darum gehen müssen, ob sich das Weltsozialforum erneuern kann.
Mein Eindruck ist, dass es eher ein kleines, aber feines Weltsozialforum wird. Es wird mit 15.000 Teilnehmer:innen vor Ort gerechnet.Das klingt immer noch nach viel, aber im Vergleich zu vergangenen Weltsozialforen ist das schon ein deutlicher Rückgang. Natürlich spielt Corona dabei auch eine Rolle. Da das Weltsozialforum erstmals hybrid stattfindet, werden sicherlich viele Menschen rund um den Globus online dabei sein.