Kaffee ist das Lieblingsgetränk in Deutschland. Doch obwohl der Kaffeekonsum in Deutschland und weltweit steigt, erhalten die etwa 125 Millionen Menschen, die in den Anbauländern in der Produktion und Verarbeitung von Rohkaffee beschäftigt sind, häufig Löhne und Einkommen unterhalb eines existenzsichernden Niveaus. Eine neue Studie von Brot für die Welt und dem Forum Fairer Handel beleuchtet die größten aktuellen Herausforderungen für Kaffeeproduzent:innen - und zeigt auf, welche politischen Hebel genutzt werden müssen, um dem enormen Preisdruck und unfairen Handelspraktiken entgegenzuwirken.
Die meisten Kaffeeproduzent:innen sind Kleinbäuer:innen. Sie können ihren Lebensunterhalt kaum noch bestreiten. Denn Klimawandel, volatile Kaffeepreise, Marktkonzentration sowie stark gestiegene Produktionskosten setzen sie immer stärker unter wirtschaftlichen Druck. Beispiel Kolumbien: dort erhalten drei von vier Kaffeebäuer:innen mit weniger als fünf Hektar Anbaufläche kein Einkommen, von dem sie leben können.
Ungleiche Verteilung der Wertschöpfung in der Kaffeelieferkette
Gleichzeitig erzielen große Kaffeeunternehmen hohe Gewinne. Nur ungefähr zehn Prozent der im weltweiten Kaffeemarkt erwirtschafteten Einnahmen bleiben in den Ursprungsländern. Vor 30 Jahren lag dieser Anteil noch bei 30 Prozent.
Machtkonzentration im Kaffeehandel
Es ist zu erwarten, dass künftig Einnahmen und Gewinne zwischen Kaffeeanbau- und Importländern noch ungleicher verteilt sein werden. Denn multinationale Lebensmittelgiganten und weltweit tätige Investitionsfonds investierten mit Blick auf die steigende Nachfrage Milliarden an Dollar, um sich durch Übernahmen und Fusionen in neuen, lukrativen Märkten zu positionieren. Die Konzentration im Kaffeemarkt war in den letzten Jahrzehnten enorm: Nur fünf Handelshäuser (Neumann Kaffee Gruppe, ED & F Man (Volcafe), OLAM, ECOM und Louis Dreyfus) kontrollieren etwa 50 Prozent des weltweiten Rohkaffeehandels. Und lediglich zehn Röstereien, darunter sind beispielsweise Nestlé, JDE und Starbucks, produzieren circa 35 Prozent des weltweit gerösteten Kaffees.
Unfaire Handelspraktiken der Marktriesen
Diese Marktstrukturen gehen zu Lasten der Kaffeebäuer:innen. Lebensmittelkonzerne in Deutschland, die selbst im Wettbewerb mit Konkurrenten stehen, nutzen ihre Marktmacht häufig aus, um möglichst viele Kosten an ihre Lieferanten auszulagern. Sie zwingen diese, Kosten zu übernehmen, die sie eigentlich selbst tragen müssten. Der dadurch entstehende Kostendruck wird, wo möglich, in der Lieferkette nach unten abgegeben – zu Lasten der strukturell schwächsten Glieder in der Kette: den Kaffeebäuer:innen und Erntehelfer:innen.
Volatiler Weltmarktpreis
Durch die oligopolistische Struktur auf der Käuferseite werden kleinbäuerliche Familien in die Rolle des Preisnehmers gedrängt. Im Massenmarkt sind sie gezwungen, ihren Kaffee zu den Bedingungen ihrer Käufer zu verkaufen. Dabei ist der Weltmarktpreis des Kaffees hoch volatil. Im Gegensatz zu kapitalstarken Unternehmen können sich kleinbäuerliche Kaffeeproduzent:innen nicht mit Finanzmarktinstrumenten gegen Preisschwankungen absichern. Sie sind dieser Volatilität meist schutzlos ausgesetzt.
Kaffeepreise unterhalb der Produktionskosten
Händler nutzen niedrige Weltmarktpreise, um ihre Lagerbestände in den Konsumländern zu erhöhen. Steigen die Preise, bauen die Handelsgesellschaften diese wieder ab. Dies führt dazu, dass Kleinbäuer:innen nicht von gestiegenen Preisen profitieren, wenn die Hochpreisphasen – wie in den vergangenen 30 Jahren - nur von kurzer Dauer sind. Produktionskostenrechnungen zeigen, dass viele Kaffeebäuer:innen ihren Kaffee sogar unterhalb der Produktionskosten verkaufen. Ein Beispiel: Der Referenzpreis für ein existenzsicherndes Einkommen von Faitrade International (2021), liegt derzeit für konventionellen Kaffee in Kolumbien bei 1,80 bis 2,03 US-Dollar/Pfund. Die Weltmarktpreise für Kaffee lagen in den letzten Jahren die meiste Zeit weit unterhalb dieser Referenzpreise; sie sanken bis zu unter einen US-Dollar pro Pfund.
Negative Folgen niedriger Preise und Einkommen
Die Folge der niedrigen Preise: viele Kaffeebäuer:innen und Arbeiter:innen auf den Kaffeefarmen leben in Armut. Weil sie selbst wenig verdienen, können viele Kaffebäuer:innen ihren Erntehelfer:innen nicht einmal den Mindestlohn bezahlen - wobei dieser beispielsweise in Kolumbien unterhalb eines existenzsichernden Niveaus liegt. Dabei bezahlen Kaffeebäuer:innen ihren Erntehelfer:innen häufig sogar noch mehr, als sie selbst verdienen. Da gerade Kleinbäuer:innen in hohem Maße auf Familienarbeitskräfte angewiesen sind, kommt es auch vor, dass Kinder auf den Plantagen arbeiten, um das Familieneinkommen zu verbessern.
Folgen der Klimakrise
Die Klimakrise gehört zu den größten Herausforderungen für Kaffeeproduzent:innen. Durch höhere Temperaturen und weniger Regen wird bis zum Jahr 2050 mindestens die Hälfte der bisherigen Kaffeeanbaufläche verloren gehen (Bunn 2015). Besonders negativ wirkt sich der Klimawandel auf Anbauflächen in niedrigen Anbauhöhen aus, etwa dem Kongo-Becken, Westafrika und Südostasien. Aber auch für Brasilien und Vietnam, den beiden größten Kaffeeproduzenten werden Verluste von über 50 Prozent prognostiziert. Das heißt: Bäuer:innen müssen in höher gelegene Regionen ausweichen. Das wiederum führt unter anderem zu Konflikten um die Landnutzung.
Faire Handelspraktiken machen einen Unterschied
Um die Einkommenssituation der Kaffeeproduzent:innen nachhaltig zu verbessern und den Kaffeemarkt gerechter zu gestalten, muss der Anteil der Wertschöpfung am Kaffee in den Produktionsländern erhöht werden. Der Faire Handel zeigt, dass es geht: Direkte, transparente und langfristige Handelsbeziehungen mit Produzent:innen sowie Vorauszahlungen zur Vorfinanzierung der Ernte, die Zahlung von Prämien und Mindestpreisen sind wichtige Instrumente für eine bessere Zukunft und bessere Einkommen der Kaffeebäuer:innen.
Es braucht verbindliche Regeln für alle Unternehmen
Doch nur sechs Prozent des bei uns getrunkenen Kaffees wird fair gehandelt. Durch den hohen Kostendruck seitens der Supermärkte ist es auch für den Fairen Handel und andere gemeinwohlorientierte Unternehmen herausfordernd, gerechtere Preise zu bezahlen. Die Handelsbeziehungen müssen sich also grundsätzlich ändern, damit sie nicht auf Kosten von Menschen und Umwelt im Globalen Süden gehen. Nur durch verpflichtende Rahmenbindungen werden Unternehmen entgegen der preislichen Wettbewerbslogik ihre Einkaufspraktiken ändern und Menschenrechte inklusive existenzsichernde Einkommen und Löhne in ihren Lieferketten einhalten.
Empfehlungen an die Bundesregierung
Mit Blick darauf sollte die deutsche Bundesregierung unter anderem folgende Maßnahmen in Angriff nehmen:
• Ein ambitioniertes EU-Lieferkettengesetz vorantreiben
• Ein Verbot des Einkaufs unterhalb der Produktionskosten einführen
• Unlautere Handelspraktiken umfassend verbieten
• Eine unabhängige und nicht weisungsgebundene Ombuds- und Preisbeobachtungsstelle zügig einrichten