Unser Engagement für die Menschenrechte ist untrennbar mit unserem Auftrag verbunden, die strukturellen Ursachen von Armut, Hunger und Not weltweit zu beseitigen. Denn die unteilbaren Menschenrechte sind die Voraussetzung für gerechte Entwicklung, gesellschaftliche Teilhabe und den Schutz vor Ausbeutung, Diskriminierung und Marginalisierung.
Herausforderungen der Menschenrechtsarbeit
Bei der Verwirklichung der Menschenrechte weltweit sehen sich Brot für die Welt und seine Partner dabei mit einer Reihe von Herausforderungen konfrontiert, deren Bedeutung für unsere Arbeit in der Policy beschrieben wird.
Unser wichtigstes gemeinsames Anliegen, die Überwindung von Armut, ist dabei selbst ein dringendes Menschenrechtsanliegen. Menschen, die in Armut leben, werden in ihrer Menschenwürde verletzt. Weil die Ressourcen zur Befriedigung der Grundbedürfnisse aller Menschen vorhanden sind, kann die weltweite extreme Armut als größte Menschenrechtsverletzung der Menschheitsgeschichte bezeichnet werden. Armut ist dabei sowohl Ursache als auch Konsequenz von Menschenrechtsverletzungen: Da wo in Armut lebende Menschen keine Chance auf ein menschenwürdiges Leben haben, wo sie diskriminiert, marginalisiert, stigmatisiert und ausgebeutet werden, da ist Armut eine Ursache von Menschenrechtsverletzungen. Da wo Menschen in Armut leben, weil ihre Lebensgrundlage durch Gewalt, Raubbau oder Verschmutzung natürlicher Ressourcen zerstört oder durch staatliche Willkür genommen wurde, da ist Armut eine Konsequenz von Menschenrechtsverletzungen.
Viele unser Partner arbeiten in Ländern, die von autoritären Regimen beherrscht werden. Hier wird die kritische Zivilgesellschaft unterdrückt, die Pressefreiheit beschränkt und die politische Opposition, sofern vorhanden, drangsaliert. Nur noch drei Prozent aller Menschen weltweit leben in Gesellschaften, in denen ihre zivilgesellschaftlichen Freiheiten nicht beschnitten werden. Schon lange kann von einem weltweiten Trend schrumpfender zivilgesellschaftlicher Handlungsräume („shrinking space“) gesprochen werden. Dazu gehören repressive NGO-Gesetze, Regularien und andere administrative Bürden, die z.B. eine Registrierung von NGOs erschweren oder den Mittelempfang aus dem Ausland beschränken und die das Ziel haben, die Arbeit zivilgesellschaftlicher Akteure zu behindern. Menschenrechtsverteidiger:innen und Journalist:innen werden zudem Ziel willkürlicher Verhaftungen, Folter, Verschwindenlassen oder physischer bis hin zu tödlicher Gewalt.
Die weltweiten gesellschaftlichen Transformationen, die mit dem digitalen Wandel einhergehen, machen vor den Menschenrechten nicht Halt und bringt sowohl beträchtliche Chancen als auch neue Gefahren für deren weltweite Achtung mit sich. Heute sind weder Menschenrechtsaktivismus noch größere Protestbewegungen ohne die Möglichkeiten digitaler Vernetzung vorstellbar. Beobachten lässt sich aber auch ein neuer Werkzeugkasten von Methoden, Gesetzen und Technologien, die Staaten zur Einschüchterung und Repression von Zivilgesellschaft einsetzen und zu einem „Shrinking digital space“ führen. Dazu gehören insbesondere die systematische digitale Überwachung, die Kontrolle von Informationszugängen und Kommunikationswegen, die Verbreitung von Desinformationen und das Schüren von Hass und Verleumdung in digitalen Räumen.
Die Würde des Menschen ist Ausgangspunkt unserer Arbeit
Als weltweit tätiges Entwicklungswerk der evangelischen Kirchen ist der Einsatz für die Menschenrechte eine besondere Verpflichtung für Brot für die Welt. Denn sie basieren auf Werten, die in hohem Maße mit dem christlichen Menschen- und Weltbild übereinstimmen. Die theologischen Leitlinien von Brot für die Welt unterstreichen deshalb die Verpflichtung, zur Achtung und zum Schutz der Würde aller Menschen als Geschöpfe Gottes beizutragen: Unsere Arbeit hat zum Ziel, möglichst vielen Menschen ein Leben auf der Basis der ihnen eigenen Würde und der ihnen zustehenden universalen Menschenrechte zu ermöglichen, die nicht an die Reichweite staatsbürgerlicher Rechte gebunden sind.
Der wesentliche normative Referenzrahmen unserer praktischen Menschenrechtsarbeit sind die in internationalen Menschenrechtserklärungen und –verträgen kodifizierten Menschenrechte. Diesen Menschenrechtsverträgen liegt die Vision einer Welt „frei von Furcht und Not“ zugrunde, wie es die Präambel der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte treffend zusammenfasst, die auch unser Ziel gerechten globalen Entwicklung beschreibt.
Rechtebasierter Ansatz
In Anbetracht der andauernden Herausforderung extremer Armut und der damit verbundenen Menschenrechtsverletzungen verfolgt Brot für die Welt konsequent einen menschenrechtsbasierten Ansatz der Entwicklungszusammenarbeit. Ausgangspunkt eines solchen Ansatzes ist der in Armut lebende, von Diskriminierung und Ausgrenzung betroffene Mensch, der als Inhaber:in von Rechten und nicht als Empfänger:in unserer Wohltätigkeit betrachtet wird. Wir erkennen damit an, dass jede:r Einzelne einen Anspruch auf ein Leben in Würde hat, der durch seine Menschenrechte geschützt und verwirklicht wird. Die Eigenverantwortlichkeit, Handlungsfähigkeit und Mitbestimmung von Individuen als Rechteinhaber:innen zu stärken, steht deswegen im Zentrum unseres Verständnisses von Entwicklung.
Der rechtebasierte Ansatz fokussiert auf die strukturellen Ursachen und die multidimensionale Natur von Armut und Rechteverletzungen, denen komplexe gesellschaftliche, kulturelle, politische und wirtschaftliche Strukturen zugrunde liegen.
Eine Veränderung ungerechter Machtstrukturen ist nur dann möglich, wenn sich die Betroffenen aktiv engagieren und an ihrer Transformation teilhaben. Rechtebasierte Ansätze erfordern die aktive und informierte Beteiligung der benachteiligten Menschen an der Formulierung, Umsetzung und Überwachung von Entwicklungszielen. Ein entscheidender Hebel für die Arbeit von Brot für die Welt ist deshalb die Förderung von Empowerment-Prozessen, die den Betroffenen die Kompetenzen und Möglichkeiten geben, ihre Rechte selbst durchzusetzen.
Schwerpunkte unserer Menschenrechtsarbeit
Neben der Querschnittsaufgabe der Armutsbekämpfung durch den rechtebasierten Ansatz widmet sich Brot für die Welt in seiner Projektförderung und politischen Arbeit auch besonders der Umsetzung spezifischer Menschenrechte und die Bewältigung besonderer Menschenrechtsprobleme.
Eine wesentliche Strategie zur Bekämpfung von Hunger und Armut ist die konsequente Durchsetzung besonders der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte, wie den Rechten auf Nahrung, Gesundheit und sozialer Sicherung. Viele unserer Partnerorganisationen arbeiten mit dem rechtebasierten Ansatz, fordern gegenüber staatlichen Institutionen die Einhaltung von Menschenrechtsverpflichtungen ein und überwachen deren Durchsetzung.
Politische Teilhabe und die Möglichkeit für zivilgesellschaftliches Engagement sind auch wichtige Menschenrechte an sich. Der Einsatz für die Handlungsfähigkeit zivilgesellschaftlicher Akteure und der Schutz von Menschenrechtsverteidiger:innen sind deswegen wichtige Schwerpunkte unserer Menschenrechtsarbeit. Eine besondere Verantwortung besteht dabei gegenüber den Partnern, die aufgrund ihres Engagements bedroht werden.
Nicht aufgearbeitete Menschenrechtsverletzungen drohen sich zu wiederholen. Wenn Menschenrechtsverletzungen nicht geahndet werden, wirkt dies zudem als zusätzliche Entwürdigung der Opfer. Brot für die Welt und seine Partner setzen sich deshalb dafür ein, dass die Verantwortlichen von Menschenrechtsverletzungen zur Verantwortung gezogen werden. Das internationale Menschenrechtssystem ist ein entscheidender Ort, in dem Menschenrechtsverletzungen adressiert werden. Deshalb setzen wir uns für eine Stärkung der Menschenrechtsmechanismen ein und beteiligen uns an breiten internationalen Bündnissen, die die Entwicklung neuer menschenrechtlicher Standards vorantreiben.
Auch im digitalen Raum setzt sich Brot für die Welt für die Achtung der Menschenrechte ein. So treten wir für das Recht auf unbeschränkten und gerechten Zugang zum Internet weltweit ein. Staaten müssen die digitale Kluft im ungleichen Zugang zwischen solchen Bevölkerungsgruppen überwinden, die vom digitalen Wandel profitieren und solchen, die bislang davon ausgeschlossen wurden. Im Netz dürfen Nutzer:innen nicht in der Ausübung ihrer freien Meinungsäußerung gehindert werden. Dazu zählt auch der Schutz vor Angriffen, Hetze und Verleumdung für den wir gemeinsam mit unseren Partnern eintreten.
Zusammenarbeit auf Augenhöhe
Unsere Menschenrechtsarbeit findet immer in enger Zusammenarbeit und Abstimmung mit unseren Partnerorganisationen statt. Zusammen setzen wir Themen und Ziele fest und diskutieren Analysen und Interventionsstrategien. Dies ist in der Menschenrechtsarbeit besonders entscheidend, weil sich hier lokale Partner oft erheblichen und besonderen Risiken ausgesetzt sehen. Geleitet sind wir von der Überzeugung, dass die Durchsetzung von Menschenrechten nur als gemeinsames Projekt der weltweiten Zivilgesellschaft gelingen kann.