Ernteverluste, zurückgehende Fischereierträge, die Verbreitung von Krankheitserregern, die Verschärfung von Armut und Gewaltkonflikten sowie die Zunahme klimainduzierter Migration: Der jetzt erschienene zweite Teil des 6. Fortschrittsberichts des Internationalen Klimarates IPCC zu Klimafolgen, Anpassung und Vulnerabilität listet detailliert auf, welche Folgen der Klimawandel bereits verursacht hat und wie ungerecht die Schäden auf der Welt verteilt sind. Bislang am stärksten betroffen sind arme und marginalisierte Bevölkerungsgruppen und Länder, deren Existenzgrundlagen von der Nutzung natürlicher Ressourcen abhängen und die keinen politischen Einfluss haben. Dass entgegen aller Bekenntnisse zum Schutz der Vulnerabelsten diese Gruppen bislang kaum von Anpassungsfinanzierung profitieren, ja dass insgesamt nur ein geringer Prozentsatz der internationale Klimafinanzierung in die Anpassung fließt, ist laut IPCC eine zentrale Ursache dafür, dass die Klimaanpassung bislang wenig dazu beigetragen hat, Klimaschäden einzudämmen.
Soziale Ungleichheit spitzt sich noch in diesem Jahrzehnt zu
Die IPCC-Prognosen für die Zukunft geben Anlass zu noch größerer Sorge. Dass gilt vor allem, wenn die nach wie vor viel zu hohen Emissionen den Klimawandel weiter anheizen, so wie es sich derzeit abzeichnet. Armut und soziale Ungleichheit werden demnach aufgrund sich verschärfender Klimafolgen bereits in diesem Jahrzehnt deutlich zunehmen. Damit wachsen auch Risiken von gewaltsamen Konflikten und in deren Folge (sowie bedingt durch mehr Wetterextreme) Flucht und Vertreibung. Gerade Geflüchtete, so der IPCC, bedürfen besonderen Schutz. Flüchtlingslager liegen häufig in Brennpunkten des Klimawandels, ohne dass die Menschen über Möglichkeiten verfügen, sich zu schützen. Es braucht unsere Unterstützung, damit Verletzlichkeit und das Risiko einer weiteren Destabilisierung ganzer Regionen nicht zunehmen.
Dass hierunter Frauen besonders leiden, auch darauf weist der IPCC hin. Zugleich macht er deutlich, wie verfehlt es wäre, Frauen auf die Opferrolle zu reduzieren: Rechte und Ressourcenzugang vorausgesetzt sind Frauen Leistungsträgerinnen der Klimaanpassung.
Lokal beschränkte Anpassungsmaßnahmen reichen nicht mehr aus
Neben sozialen und ökonomischen spielen geographische Faktoren die wichtigste Rolle bei Klimarisiken. Besonders gefährdet sind kleine Inseln, die zunehmend betroffen sind von Zyklonen, Sturmfluten, Meeresspiegelanstieg und Korallensterben, aber auch Dürren und sich verändernden Niederschlägen. Aus dieser Ballung von Risiken, so der IPCC, drohen in den nächsten Jahrzehnten folgenschwere Kettenreaktionen, die vor allem Küstenstädte und sehr ländliche Regionen kleiner Inseln über die harten Grenzen der Anpassungsfähigkeit zu schieben drohen, wenn nicht jetzt massiv in Klimarisikovorsorge investiert wird. Der IPCC warnt, dass viele vulnerable Inseln selbst dann in eine existenzbedrohende Situation geraten könnten (wie etwa den Zugang zu Trinkwasser verlieren), wenn die Erwärmung deutlich begrenzt würde.
Inseln sind nur die Spitze des Eisbergs. Aus über hundert wissenschaftlich belegten Schlüsselrisiken leitet der IPCC acht sogenannte ‚repräsentative Schlüsselrisiken‘ ab. Als besonders gefährdet gelten die folgenden Bereiche: niedrig liegende Küstengebiete, marine und terrestrische Ökosysteme, kritische Infrastruktur, Lebensstandard, menschliche Gesundheit, Ernährungssicherheit, Wasserversorgung sowie Frieden und Migration. Um diese Bereiche vor schwerwiegenden Klimaschäden zu schützen, so der IPCC, bedarf es der systemischen bzw. transformativen Anpassung. Das heißt, inkrementelle, kleinteilige, lokal beschränkte Anpassungsmaßnahmen, wie wir sie bislang verfolgen, reichen nicht mehr aus.
Entwicklungsziele müssen klimaresilient umgestaltet werden
Die Herausforderung, vor der wir stehen, um uns vor Klimafolgen zu schützen, ist gewaltig. Es gibt hierfür ebenso wenig wissenschaftliche Blaupausen wie historische Vorbilder. Unser bisheriges Entwicklungsmodell ist nicht Teil der Lösung, sondern Problemursache. Die Zeit rennt uns davon. Entwicklung muss dringend nicht nur nachhaltiger, sondern auch klimaresilienter werden. Der IPCC warnt, dass die Indikatoren für die Ziele nachhaltiger Entwicklung nicht klimasensitiv genug sind, um Fortschritte bei der Klimaresilienz zu messen. Das bedeutet, dass Fortschritte zum Beispiel bei Gesundheit und Ernährungssicherheit angesichts wachsender Klimarisiken möglicherweise auf Sand gebaut sind, ohne dass wir das früh genug merken.
Mehr Geld für Anpassungsmaßnahmen bereitstellen
Dass der IPCC mehr Gerechtigkeit und soziale Gleichheit zur Bedingung und nicht zum Ziel erfolgreicher systemischer Klimaanpassung erklärt, ist noch ein Ausrufezeichen in dem Bericht, der einen weiteren wissenschaftlichen Weckruf darstellt, bei der Bekämpfung der Klimakrise endlich vom ambitionierten Reden ins ambitionierte Handeln zu kommen, die Gesellschaften dabei mitzunehmen und die Investitionen in Klimaanpassung um ein Vielfaches zu erhöhen. Nur so entgehen wir einer Klimakatastrophe.
Die Befunde des Berichts betreffen auch uns. Wie können wir unsere Projekte und damit die Menschen, die wir unterstützen, vor Klimaschäden wirkungsvoll schützen? Welchen Beitrag können wir leisten, um Klimagerechtigkeit, Gendergerechtigkeit, zivilgesellschaftliche Teilhabe an politischen Entscheidungen, soziale Inklusion und Gleichheit als Voraussetzungen klimaresilienter Entwicklung voranzubringen? Gemeinsam mit unsere PartnerInnen werden wir darauf Antworten finden.
Dieser Beitrag wurde in Kooperation mit Thomas Hirsch (Climate Development Advice) verfasst.