Unsere Ozeane sind krank. Die rasante Erwärmung und Versauerung durch die Klimakrise zeigt bereits verheerende Folgen: Die Hälfte der Korallenriffe, die so wichtig für die Biodiversität sind, ist verschwunden. Ebenso Mangroven und Seegraswiesen. Dazu verschmutzen wir seit Jahrzehnten die Meere mit Plastik, Munition, Öl und anderen gefährlichen Stoffen. Sie töten Lebewesen und zerstören die Artenvielfalt im Meer.
Unser Hunger nach Wildfisch lässt Fischtrawler die letzten Fanggründe aufspüren. Schon über 60 Prozent aller Fischbestände sind überfischt oder kurz davor. Die „blauen“ Industrien bohren nach Öl und Gas, Fischzuchtanlagen und Landwirtschaft leiten ihre Gifte ein, Tourismuskonzerne versiegeln einen Strand nach dem anderen, Windkraftanlagen lassen Vögel und Meeressäuger verenden. Nun soll auch der Meeresboden daran glauben und Rohstoffe liefern, damit ein kleiner Teil der Menschheit daraus Batterien bauen kann.
„Blaue Wirtschaft“ ist Illusion statt Vision
Dennoch träumen Konzerne und Politik und auch so manche Nichtregierungsorganisation von einer „blauen Wirtschaft“, die sie zwar als „nachhaltig“ bezeichnen, doch am Ende nur hilft, die Meere noch stärker zu plündern. Demgegenüber stehen Millionen Küsten- und Inselbewohner:innen, die zusehen müssen, wie der steigende Meeresspiegel ihnen Zuhause und Lebensgrundlagen wegnimmt und Energie- und Tourismusunternehmen ihre Küsten verschmutzen.
Die größte Gruppe von Menschen, die die Meere nutzten und gesunde Ozeane für ihren Lebensunterhalt brauchen, sind die halbe Milliarde von Frauen und Männern, die ganz oder teilweise im handwerklichen Fischereisektor tätig ist. Auf der letzten UN-Meereskonferenz waren sie quasi unsichtbar. Das wollen wir dieses Mal ändern.
Keine gemeinsame (Schein)Verantwortung
Denn die Vereinten Nationen scheinen wieder einmal darauf zu setzen, Staaten, Industrie, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zu einer gemeinsamen (Schein-)Verantwortung zu verpflichten (geschönt benannt als Multistakeholderism). In Wahrheit verwischt das jedoch, dass die Verursacher der industriellen Zerstörung der Meere gänzlich andere Interessen haben als diejenigen, die davon massiv getroffen sind. Solche Multiakteurspartnerschaften verleugnen grundsätzlich die Rechte der Küstenbewohner:innen und die Pflicht von Staaten, deren Rechte zu sichern.
Gemeinsam mit den Kleinfischereiverbänden wollen wir deswegen in Lissabon vor allem das Recht von Fischern auf den Zugang zu ihren Fischgründen anmahnen, die ihnen und den Fisch verarbeitenden Frauen einen Lebensunterhalt sichern und für Millionen Menschen eiweißreiche Nahrung bedeuten.
Keine Großprojekte ohne Zivilgesellschaft
Dazu gehört, dass sie nicht nur bei allen industriellen Aktivitäten oder Schutzmaßnahmen vor ihrer Küste gehört und beteiligt werden, sondern auch ausdrücklich ihre Zustimmung zu diesen geben müssen. Unsere Partner aus Westafrika berichten in Lissabon von dem Kampf der Frauen, Fischern und Bewohnerinnen der Küstendörfer gegen Fischmehlfabriken, die den Frauen ihre Arbeit nehmen, den Menschen ihren Fisch und die Dörfer in Gestank ertränken.
Unsere Partner aus dem Südpazifik berichten, wie der Tiefseebergbau und die Jagd nach wertvollen Metallen ein ökologisches Desaster verursachen, das den Menschen die Lebensgrundlage raubt – zusätzlich zu den schon massiv sichtbaren Folgen der Klimakrise. Unsere Partner wehren sich dagegen heftig, inzwischen ist die Gegenbewegung weltweit stark angewachsen.
Was Brot für die Welt tut
Brot für die Welt wird gemeinsam mit seinen Partnerorganisationen jede Gelegenheit in Lissabon nutzen, gegenüber den anwesenden Bundesministerien, der Europäischen Union, aber auch internationalen Organisationen zu betonen, dass Meeresaktivitäten nicht verhandelbar sind. Es müssen die Menschenrechte der Bevölkerung an den Meeresküsten geachtet werden. Dazu gehört zuallererst das Recht auf intakte Meeresökosysteme, die eine Voraussetzung für jede dauerhafte, nachhaltige Nutzung darstellen.