Vom 10. bis 14. Februar 2025 versammelten sich in Sagana, Kenia, über 60 Vertreter:innen aus 22 afrikanischen Ländern – darunter Kleinbäuer:innen, Mitarbeiter:innen von Netzwerken und NGOs, Wissenschaftler:innen und politische Entscheidungsträger:innen – um Agrarökologie und nachhaltige Ernährungssysteme voranzubringen. Organisiert von acht afrikanischen Netzwerken in Zusammenarbeit mit Brot für die Welt zielte das Treffen darauf ab, Zusammenarbeit und politische Einflussnahme zu stärken und neue Narrative zu schaffen.
Agrarökologie: Mehr als eine Anbaumethode
Agrarökologie ist nicht nur eine alternative Landwirtschaftsform – sie ist eine Bewegung für Ernährungssouveränität, soziale Gerechtigkeit und ökologische Nachhaltigkeit. Sie stellt das industrielle Agrarsystem in Frage, das Profite über Menschen stellt, Ökosysteme langfristig zerstört und wirtschaftliche Abhängigkeiten vertieft. Im Gegensatz zur konventionellen Landwirtschaft setzt Agrarökologie auf Biodiversität, gesunde Böden und faire Märkte. Zudem hat Agroökologie eine ausgeprägt soziale Dimension: Sie stärkt bäuerliche Gemeinschaften, fördert Solidarität und gibt insbesondere Kleinbäuer:innen, Frauen und indigenen Gruppen mehr Autonomie. Lokale und regionale Netzwerke und die Stärkung traditioneller Wissenssysteme tragen somit nicht nur zum Erhalt der Ökosysteme bei, sondern festigen auch das soziale Gefüge gerechter und demokratischer Ernährungssysteme.
Herausforderungen und Chancen für Afrikas Agrarökologie
Der Workshop beleuchtete, wie globale Machtverschiebungen, der Einfluss von Großkonzernen und wirtschaftliche Abhängigkeiten weiterhin die lokale Ernährungssouveränität bedrohen. Expert:innen wie Stephen Greenberg, Jane Battersby und Susan Chomba thematisierten die Zusammenhänge zwischen Agroökologie, Klimawandel, Schuldenabhängigkeit und dem sichtbaren Anstieg nicht übertragbarer Krankheiten. Die Abnahme der US-Hegemonie und das Aufkommen einer multipolaren Welt fordern afrikanische Nationen dazu auf, ihre Souveränität im Ernährungssektor zurückzuerobern und die Abhängigkeit ausländischer Hilfen sowie industrieller Landwirtschaft zu reduzieren. Urbane und peri-urbane Ernährungssysteme sind zentral für die globale Ernährungssicherheit, aber eine der größten Herausforderungen bleibt der Zugang agrarökologischer Produkte zu urbanen Märkten. Der Vormarsch von Supermärkten erschwert Kleinbäuer:innen den Zugang zu städtischen Konsument:innen, da unter anderem hohe Transportkosten und Marktgebühren die Wettbewerbsfähigkeit einschränken.
Eine zentrale Erkenntnis des Workshops war: Agrarökologie bedeutet nicht nur Landwirtschaft – sie bedeutet Macht zurückgewinnen. Viele Agrarpolitiken Afrikas werden eher von Konzernen beeinflusst als von lokalen Bedürfnissen bestimmt. Statt zu fragen, ob Agrarökologie die Welt ernähren kann, sollte hinterfragt werden, wer die Welt bereits ernährt – die Antwort lautet: Kleinbäuer:innen, die oft agrarökologische Methoden nutzen.
Erfolgsgeschichten und politische Fortschritte
Erfahrungsberichte aus verschiedenen Ländern illustrierten sowohl Erfolge als auch Herausforderungen: In Kenia etwa wird die Agroökologie-Politik im Landkreis Muranga als Hoffnungsschimmer gesehen. Senegal verpflichtet sich, 10 Prozent der Agrarfördermittel in agroökologische Projekte zu investieren, während in Uganda und Burkina Faso nationale Strategien vorangetrieben werden. Dennoch behindern in einigen Ländern wie Ägypten und Nigeria mangelnder politischer Wille, begrenzte Finanzmittel und der Einfluss der industriellen Landwirtschaft den Fortschritt.
Die Fallstudie aus Kenia zeigte, dass politische Veränderung möglich ist, wenn Strategien inklusiv, wissenschaftlich fundiert und strategisch ausgerichtet sind. Die Verankerung von Agroökologie mit Gesundheit – angesichts steigender Fälle von Krebs-Erkrankungen, Diabetes und Bluthochdruck, die mit industrieller Lebensmittelproduktion in Verbindung gebracht werden – kann politischen Rückhalt sichern.
Vier Prioritäten für die Zukunft der Agrarökologie
Um die agrarökologische Bewegung voranzubringen, wurden vier zentrale Aktionsfelder identifiziert:
- Bäuerlicher Wissenstransfer: Der Austausch unter Kleinbäuer:innen soll intensiviert werden, um agrarökologische Methoden gemeinsam weiterzuentwickeln.
- Saatgut- und Ernährungsfestivals: Der Schutz traditionellen Saatguts soll durch Saatguttauschbörsen und lokale Märkte gestärkt werden.
- Erfolgsgeschichten dokumentieren: Durch Fallstudien, Erfahrungsberichte und visuelles Storytelling soll Agrarökologie als tragfähige Alternative sichtbarer gemacht werden.
- Regionale Kampagnen koordinieren: Um gegen die Lobbyarbeit der Agrarkonzerne anzukommen, müssen agrarökologische Bewegungen in Afrika mit einer einheitlichen Stimme sprechen.
Die nächsten Schritte: Von der Strategie zur Bewegung
Abschließend betonten die Teilnehmenden, dass es nicht nur um eine Strategie, sondern um den Ausbau einer Bewegung geht. Regionale Zusammenarbeit, grenzüberschreitende Allianzen und proaktives politisches Engagement sind unerlässlich, um die negativen Auswirkungen der industriellen Landwirtschaft zu bekämpfen und gemeinsam eine Zukunft für Afrikas Ernährungssysteme zu gestalten.
Die Teilnehmer:innen verpflichteten sich zu engerer regionaler Zusammenarbeit, stärkerem politischen Engagement und der Positionierung von Agrarökologie als Antwort auf die Klima-, Gesundheits- und Wirtschaftskrisen Afrikas.
Afrikas Ernährungssouveränität zurückgewinnen
Agrarökologie ist kein Rückschritt – sie ist die Zukunft einer gerechten, nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft. Ernährungssouveränität beginnt bei den Menschen, die unser Essen anbauen – nicht bei Konzernen oder internationalen Gebern.
Der Workshop schloss im Rahmen einer Pressekonferenz mit einem klaren Handlungsaufruf:
- Priorisierung der Agroökologie: Entwicklung und Finanzierung politischer Maßnahmen zur Unterstützung von Kleinbauern und nachhaltiger Lebensmittelproduktion.
- Investition von 10 Prozent der Agrarfördermittel: Wie in Senegal als Vorbild.
- Schutz von bäuerlichen Saatgutsystemen: Ablehnung der Konzernkontrolle.
- Integration in Bildungsprogramme: Aufnahme der Agroökologie in Schulcurricula und Ausbildungsprogramme.
- Unterstützung partizipativer Forschung: Fokussiert auf die Bedürfnisse von Kleinbauern.
- Förderung klimafreundlicher agroökologischer Lösungen: Zur Steigerung von Resilienz und Anpassungsfähigkeit.
- Bewahrung indigenen Wissens: Erhalt traditioneller agroökologischer Praktiken.
Mit gestärkten Netzwerken, strategischer Interessenvertretung und einer geeinten Stimme ist die afrikanische Agrarökologie-Bewegung auf dem besten Weg, nachhaltige Ernährungssysteme zur Norm zu machen – nicht zur Ausnahme. Die Saat des Wandels wurde gesät – jetzt gilt es, sie wachsen zu lassen.