Interview

„Die Mädchen können sich nicht frei entfalten“

Jede fünfte Frau weltweit wurde bereits vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet. Für die Betroffenen habe dies oft schwerwiegende Folgen, sagt Brot für die Welt-Expertin Isabelle Uhe.

Von Thorsten Lichtblau am
Isabelle Uhe, Beraterin für das Themenfeld Menschenhandel bei Brot für die Welt

Isabelle Uhe, Beraterin für das Themenfeld Menschenhandel bei Brot für die Welt

Frau Uhe, was sind die Ursachen für Frühehen?
Die Hauptursache ist Armut. Viele Familien verheiraten ihre Töchter früh, um sie in finanzieller Sicherheit zu sehen, aber auch, um eine Mitgift zu erhalten. Eine hohe Bedeutung haben zudem soziale und kulturelle Normen, die Frauen und Mädchen abwerten, indem sie deren Rolle auf den häuslichen Bereich beschränken.

Welchen Einfluss hat die Religion?
Oft wird gesagt, Religionen wie der Islam oder der Hinduismus seien schuld an Kinderehen. Aber das stimmt so nicht. In vielen Regionen gehen Frühehen auf gesellschaftliche Normen zurück, die schon existierten, bevor diese Religionen dort Einzug hielten. Daher kann man nicht sagen, dass Religion ein treibender Faktor ist.

Wo gibt es die meisten Frühehen?
Was die absoluten Zahlen betrifft: in Indien. Dort werden jedes Jahr 1,5 Millionen minderjährige Mädchen verheiratet. Prozentual ist der Anteil in Afrika am höchsten. Dort ist im Durchschnitt jedes dritte Mädchen betroffen. Glücklicherweise waren die Zahlen in den letzten Jahrzehnten rückläufig, vor allem in Asien. Aber Corona-Pandemie, Kriege und die Klimakrise könnten dafür sorgen, dass sie in den nächsten Jahren wieder ansteigen.

Was sind die Folgen für die Mädchen?
Die Mädchen werden in ihrer freien Entfaltung eingeschränkt. Sie werden von ihren Familien und Freundinnen isoliert und können ihre Kindheit nicht mehr ausleben. Zudem können sie meist nicht mehr zur Schule gehen und haben deswegen später kaum Aussichten, eine gut bezahlte Arbeit zu finden. Abgesehen davon sind die gesundheitlichen Risiken sehr hoch. Denn die Mädchen müssen gebären, obwohl ihr Körper noch nicht bereit dazu ist. Teenager-Mütter sterben häufiger an Komplikationen während der Schwangerschaft oder Geburt als erwachsene Frauen.

Gibt es keine Gesetze, die Frühehen verbieten?
Doch, es gibt in vielen Ländern Gesetze, die Mädchen vor einer Frühverheiratung schützen sollen. Doch gerade in ländlichen Regionen ist es oft schwierig, die Einhaltung der Gesetze auch zu gewährleisten.

Was tut Brot für die Welt dagegen?
Die Verringerung von Armut und Geschlechterungerechtigkeit – den Hauptursachen von Kinderehen – ist das Ziel der allermeisten Projekte von Brot für die Welt. Darüber hinaus fördern wir eine ganze Reihe von Projekten, die explizit über die negativen Folgen von Frühehen aufklären, in denen die Mitarbeitenden unserer Partnerorganisationen zum Beispiel in Schulen gehen und Mädchen und Jungen auffordern, diese Tradition infrage zu stellen.

Sie sind bei Brot für die Welt Beraterin für das Thema Menschenhandel. Warum beschäftigen Sie sich mit Kinderehen?
Kinderehen sind eine Form der Zwangsehe, da die Mädchen ja in der Regel ihren Partner nicht selbst auswählen dürfen. Und Zwangsehen sind – wie Zwangsprostitution und Zwangsarbeit – eine Variante des Menschenhandels, denn es findet in den meisten Fällen eine Ausbeutung statt. Viele unserer Projektpartner, die zum Thema Menschenhandel arbeiten, engagieren sich deshalb auch für Kinderrechte und Gewaltprävention und damit auch gegen die Frühverheiratung.

Worin sehen Sie Ihre wichtigste Aufgabe?
Meine wichtigste Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass das Thema Menschenhandel bei Brot für die Welt noch präsenter wird. Denn in jedem Land, in dem wir arbeiten ‒ und oft auch länderübergreifend ‒, ist Menschenhandel ein Thema, sei es zum Zweck der Arbeitsausbeutung, der sexuellen Ausbeutung, der Zwangsheirat oder des Organhandels. Das gilt wohlgemerkt auch für Deutschland. Ich möchte erreichen, dass noch mehr Wissen darüber zugänglich ist, sowohl in unserem Haus als auch bei unseren Partnerorganisationen. Eine wichtige Aufgabe ist es daher auch, unsere Partner miteinander zu vernetzen.

Jetzt spenden Unterstützen Sie uns

Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.

56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.

56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

Bitte eine gültige Eingabe machen

Als Fördermitglied spenden Sie regelmäßig (z. B. monatlich)