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Die Trump'schen Zölle als Drohkulisse

Sie hätten einige wirtschaftlich schwächere Länder mit voller Wucht getroffen, wertvolle Arbeitsplätze wären vernichtet worden, Armut hätte sich ausgebreitet. Dass die angekündigten US-Strafzölle vorerst doch nicht umgesetzt werden, sollte niemanden beruhigen. Und Europa sollte sich über die Trump'sche Politik nicht wundern: Es versucht Ähnliches seit Jahrzehnten.

Von Francisco Marí am
Trumps "Strafzölle" wirken sich vor allem auf Schuh- und Bekleidungsimporte aus Entwicklungsländer aus

Von Trumps "Strafzöllen" wären viele Länder betroffen, die Schuhe und Textilien in die USA exportieren.

Der Anfang April verkündete neue US-Mindestzoll von zehn Prozent gilt weiterhin für alle Staaten und für fast alle Produkte weltweit. Vorerst kassiert hat der US-Präsident lediglich zusätzliche „Strafzölle“ für Länder, mit denen die USA eine negative Handelsbilanz aufweisen – aus denen sie also mehr importieren, als sie dorthin exportieren. Betroffen wären davon über 60 Staaten gewesen, darunter viele Entwicklungsländer. Die mögen nun fürs Erste verschont werden, doch als Drohung bleiben die teils drastischen Aufschläge real. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Schauen wir sie uns einmal genauer an: Was würde passieren, wenn Donald Trump die Zölle bei nächster Gelegenheit doch verhängt?

Die Textilindustrie in Asien wäre am stärksten betroffen

Für Entwicklungsländer sind vor allem Textilimporte ausschlaggebend. Mit einem Wert von 100 Milliarden Dollar pro Jahr belegen Bekleidung, Stoffe und Schuhe den sechsten Platz in der US-Importstatistik. Eingeführt werden sie zu 95 Prozent von Handelsriesen wie Walmart, Amazon oder auch H&M, produziert zu 80 Prozent in Entwicklungsländern. Neben China und Indien stammen die Waren vor allem aus Bangladesch, Indonesien, Kambodscha und Vietnam. Textilien aus Bangladesch sollten von der US-Regierung mit einem 37-prozentigen „Strafzoll“, die aus Vietnam und Kambodscha mit Aufschlägen von 47 Prozent belegt werden.

Die Auswirkungen wären für asiatische Produzenten unterschiedlich: Bangladesch verkauft „nur“ 16 Prozent seiner Textilien in die USA, in Vietnam sind es 42 Prozent, das Land produziert zudem viele elektronische Geräte für US-Amerikaner*innen. Besonders schlimm träfe es Kambodscha, dessen Textilexporte zu 40 Prozent in die USA gehen: 400.000 Arbeitsplätze in der kambodschanischen Textilindustrie könnten zugrunde gehen, schätzen Expert*innen. 

Südamerika würde etwas verschont, Lesotho voll getroffen

Auch in anderen Teilen der Welt ist die Gefahr groß, dass der Trump‘sche Zollwahn, wenn er denn wahr wird, Arbeitsplätze vernichtet. Südamerika wäre vergleichsweise gut dran, da es weitgehend „nur“ den zehnprozentigen Mindestzoll tragen muss. Grund sind ausgeglichene Handelsbilanzen – Mittel- und Südamerikaner*innen kaufen massiv US-Waren.

Für Afrika indes würden die Zölle das endgültige Ende der von Ex-Präsident Bill Clinton gewährten Teilöffnung des US-Marktes für afrikanische Länder bedeuten, den „AGOA-Präferenzen“. Zwar haben diese in den vergangenen 20 Jahren kaum zur Industrialisierung und zu neuen Arbeitsplätzen in Afrika geführt. Lesotho allerdings, oft gerühmtes Gegenbeispiel, gelang es, eine Textilindustrie mit fast 40.000 Arbeitsplätzen aufzubauen. Dem Land wurde nun ein „Strafzoll“ von 50 Prozent angedroht. Wegen der starken Abhängigkeit vom US-Markt hätte die Lesotho-Industrie kaum eine Überlebenschance. Ähnlich würde es Madagaskars Textilproduktion (Strafzoll: 40 Prozent) ergehen.

Südafrika ist besser aufgestellt: Neben Textilien exportiert das Land vor allem Edelsteine, auch Fahrzeuge, insgesamt werden nur zehn Prozent davon in die USA verschifft. Auch Öl und Gas exportierende Länder wie Angola oder Algerien wären wegen der zuletzt verkündeten Ausnahmeregelung für Energieexporte, die nicht mit Zöllen belegt werden sollten, weniger stark betroffen.

Konkurrenten in der Not

Côte d’Ivoire, der weltweit größte Kakaoproduzent, sollte mit Zöllen in Höhe von 21 Prozent belastet werden. Ein Zehntel des Kakaos geht von dort in die USA, wo er vor allem zu Schokolade verarbeitet wird. Ob die Amerikaner*innen wegen zollbedingt steigender Preise lieber fertige Importschokolade verzehren würden, ist fraglich, da für den wichtigsten Lieferanten, Kanada, ebenfalls Strafzölle angekündigt wurden. Ein amerikanischer Verzicht auf Süßes würde daher kleinbäuerlichen Produzent*innen in Côte d’Ivoire eine bittere Zukunft bescheren. In Ghana sahen dagegen manche Wirtschaftsfachleutein den Zöllen eine Chance: Wegen geringerer Aufschläge für ghanaische Waren hofften sie, den Konkurrenten Côte d’Ivoire vom US-Markt verdrängen zu können.

Ähnlich spekulierten afrikanische Länder wie Kenia oder Äthiopien, die „nur“ mit zehnprozentigen Mindestzöllen „bestraft“ wurden. Sie hätten von hohen Zöllen für asiatische Produzenten profitieren und ihre eigene Textilexportquote in die USA steigern können.

Was Trump tut, kann die EU schon lange

Ein Ziel von Präsident Trumps Strafzoll-Drohung dürfte sein, einzelne Länder so gefügig zu machen, dass sie Zölle für US-Exporte senken und sogenannte Handelsbarrieren für US-Produkte aufheben – Mehrwertsteuern oder Umwelt- oder Hygieneauflagen.

Entwicklungsländer gefügig zu machen, ihre Märkte zu öffnen, ist aber keine Erfindung von Donald Trump. Eine solche ungleiche Handelspolitik versucht die EU seit Jahren gegen afrikanische Länder durchzusetzen. 2002 begannen in der EU das damalige Mitglied Großbritannien unter der Tony-Blair-Regierung, außerdem Frankreich und die rot-grüne Regierung in Deutschland, afrikanischen Ländern Verhandlungen über Abkommen aufzudrücken, die sie zwingen sollten, ihre Märkte für EU-Produkte zollfrei zu stellen. Nach Protesten wurden lediglich die Agrarmärkte davon ausgenommen. Beschönigend werden diese Abkommen „Wirtschaftspartnerschaftsabkommen“ (EPAs) genannt. Im neuen Bundestag sollen einige davon ratifiziert werden.

Was Trump derzeit weltweit versucht, und worüber sich Europa lautstark aufregt, praktiziert Europa in Afrika schon lange. Zum Glück hat es die EU jedoch nur in einigen Ländern – Ghana, Kenia, Kamerun, Côte d’Ivoire, Namibia, Madagaskar, Südafrika und Simbabwe– geschafft, ihre Methode der Marktöffnung mit der Brechstange umzusetzen.

Für ein neues faires und solidarisches Handelssystem

Europa erfährt nun am eigenen Leib, was ungerechte Zölle beziehungsweise deren bloße Androhung anrichten. Wäre es da nicht an der Zeit, das nach 25 Jahren gescheiterte Vorhaben der EPAs zumindest einzufrieren? Es wäre eine gelungene Antwort auf die Trump'schen Zollkapriolen. Zusätzlich sollte eine Sondererlaubnis bei der WTO beantragt werden, wie sie die USA mit AGOA bereits besitzen: Allen afrikanischen Staaten sollten die europäischen Märkte ohne Wenn und Aber zollfrei zur Verfügung gestellt werden. Dies würde Investitionen nach Afrika locken und dem Kontinent eine industrielle und digitale Zukunft eröffnen, in der Produkte und Ideen zuvorderst in Afrika, zusätzlich in der Europäischen Union vermarktet werden. Das würde auch die Afrikanische Freihandelszone unterstützen, die den kontinentalen Binnenhandel fördert.

 

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