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Die Welt ordnet sich neu. Deutschland als Insel?

Können wir es uns leisten, den Blick auf nationale Themen zu verengen? Ein holistischer Ansatz könnte helfen, Ursachen globaler Krisen zu adressieren. Wir möchten daher die künftige Bundesregierung zur ambitionierten Umsetzung der globalen Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens ermutigen.

Von Anja Esch am
C:Markus Spiske - Unsplash

Das TV-Duell zwischen Bundeskanzler Olaf Scholz und seinem Herausforderer Friedrich Merz vor anderthalb Wochen hat mich etwas ratlos zurückgelassen. Dass sich die beiden Kontrahenten unterm Strich mit Respekt behandelt haben, stimmt mich zwar zuversichtlich. Was die Debattenkultur betrifft, sind wir noch nicht bei „amerikanischen Verhältnissen“ angekommen. Das ist insofern wichtig, als ihre Parteien nach der Wahl aller Wahrscheinlichkeit nach einen Koalitionsvertrag aushandeln müssen, möglicherweise mit einem Dritten im Bunde, den Grünen. Gegenseitiger Respekt sollte hierfür die Grundlage sein, selbstredend! Der Wille und die Fähigkeit, Kompromisse einzugehen, sollten ebenfalls nicht fehlen. Gerade jetzt sind die demokratischen Parteien gefordert, Schnittmengen zu definieren und Zugeständnisse zu machen. Dürfen wir hoffen, dass aus dem Ampel-Aus die entsprechenden Lehren gezogen wurden? Wir werden sehen.

Ratlos zurückgelassen hat mich allerdings etwas anderes. Es war die Themensetzung an diesem Abend. Für mich wirkte sie streckenweise etwas aus der Zeit gefallen. Können wir es uns leisten, den politischen Blick weitgehend auf nationale Themen zu verengen? Wir alle wissen, wir stehen vor epochalen Herausforderungen. Und diesen Herausforderungen können wir nicht begegnen, wenn wir nicht bereit sind, den Blick über den nationalen Tellerrand zu werfen.  

Rückschritte ins Nationale greifen zu kurz

Mir drängt sich der Eindruck auf, dass wir in der Debatte schon einmal weiter waren. Deutlich weiter. Vor einem Jahr kennzeichnete die Debatte um die berühmt-berüchtigten „Radwege in Peru“ den Auftakt einer zunehmenden Diskreditierung der Entwicklungszusammenarbeit. Nützt sie deutschen Interessen? Diese Frage steht seither bei diesen Debatten im Zentrum. Deutschland als Insel.

Dabei wehte vor einer Dekade ein anderer Wind. In diesem Jahr jähren sich zum zehnten Mal die Beschlüsse zur globalen Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung und ihrer Nachhaltigkeitsentwicklungsziele sowie zum Pariser Klimaabkommen. Wir erinnern uns. Die Agenda 2030 ist ein „Weltzukunftsvertrag“, den die Staats- und Regierungschef*innen der 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen verabschiedeten und der auf die „Transformation unserer Welt“ abzielt. Kernstück darin ist das hehre Versprechen, niemanden zurückzulassen, nirgendwo.

Der holistische Ansatz der Agenda 2030

Die Agenda 2030 zeichnet sich durch einen holistischen Ansatz aus, der den wechselseitigen Abhängigkeiten in einer hochvernetzten Welt Rechnung trägt – und auch die Grundlage schaffen will, den globalen Krisen mit gemeinsamen Anstrengungen zu begegnen. Dieser Ansatz scheint aus der Mode gekommen zu sein.

Nur noch fünf Jahre bis 2030. In der kommenden Legislaturperiode wird sich zeigen, inwieweit die Klima- und Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. In einer Welt, die sich neu ordnet. Ein holistischer Ansatz könnte hilfreich sein, die Ursachen globaler Krisen zu adressieren. Hierzu möchten wir die künftige Bundesregierung ermutigen.

Gemeinsame Antworten auf globale Fluchtbewegungen

Denn leider fehlt oft der Blick über den Tellerrand, besonders in der aktuellen Migrationsdebatte. Derzeit sind 120 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht. Und diese Menschen finden überwiegend, zu 75 Prozent, Zuflucht und Schutz in Ländern des Globalen Südens. In der öffentlichen Debatte entsteht oft ein anderer Eindruck, als ob nur Deutschland geflüchteten Menschen Schutz bietet. Wir von Brot für die Welt sind der Ansicht, dass globalen Fluchtbewegungen nur mit gemeinsamen Antworten begegnet werden kann. Daher halten wir die Unterstützung für zentrale Erstaufnahmeländer und Länder mit vielen Binnenvertriebenen im Rahmen der humanitären Hilfe für unerlässlich. Zugleich halten wir es für notwendig, dass Deutschland selbst ein sicherer Hafen für Schutzsuchende bleibt. Genfer Flüchtlingskonvention, Europäische Menschenrechtskonvention und Gemeinsames Europäisches Asylsystem (GEAS) bilden dafür die Grundlage.

Die meisten Menschen fliehen vor Kriegen und Gewalt. Doch zunehmend spielt auch die fortschreitende Klimakrise als Treiber von Fluchtbewegungen eine Rolle. Wenn die Meeresspiegel steigen, die Böden erodieren und die Wetterextreme zunehmen, trifft dies die Menschen im Globalen Süden besonders hart.   

Die Klimakrise erlaubt keine Aufschübe

Auch aus diesem Grund erlaubt ambitionierter Klimaschutz in Deutschland keinen Aufschub. Deutschland gehört zu den Ländern, die historisch betrachtet am meisten zur Klimakrise beigetragen haben. Dadurch steht Deutschland in der Verantwortung, selbst im Klimaschutz voranzugehen und andere Länder beim Klimaschutz, der Anpassung an die Klimakrise und beim Umgang mit Schäden und Verlusten zu unterstützen. Gerade im Globalen Süden ist der Zugang zu nachhaltiger Energie ein Schlüssel für die Überwindung von Armut.

Deshalb ist eine ausreichende, wirksame und menschenrechtsbasierte Klimafinanzierung essenziell. Deutschland sollte dabei eine Steigerung der bereitgestellten Mittel auf 10 Milliarden Euro jährlich bis 2030 anstreben. Dabei sollten insbesondere die Beiträge für Anpassung an den Klimawandel und den Umgang mit Schäden und Verlusten erhöht und ein ausgeglicheneres Verhältnis der bereitgestellten Mittel zum Klimaschutz angestrebt werden. Besonders von der Klimakrise betroffene Länder und vulnerable Bevölkerungsgruppen sollten vorrangig berücksichtigt werden. Besonders klimaverwundbare Staaten müssen entschuldet werden. 

Partnerschaften auf Augenhöhe sind in unserem Interesse

Zusätzlich braucht es eine umfassende und global gerechte Energie- und Rohstoffwende, um Ressourcen und Menschenrechte weltweit zu schützen und eine Zukunft für alle zu sichern. Dies ist allein aus ethischer Perspektive geboten, entspricht aber zusätzlich auch den strategischen Interessen Deutschlands, langfristige wirtschaftliche Beziehungen zu Partnerländern aufzubauen und die Stabilität von Lieferketten zu gewährleisten. Ein holistischer Ansatz dient am Ende allen.

Ich würde mir wünschen, dass dies bei einem künftigen Kanzlerkandidat*innen-Duell stärkere Beachtung findet. Denn die Welt ordnet sich neu – und darin ist Deutschland keine Insel. Mit einem Impulspapier, das die kirchlichen Entwicklungswerke Brot für die Welt und Misereor gemeinsam direkt nach der Wahl für die dann anstehenden Koalitionsverhandlungen vorlegen werden, werden wir die künftige Bundesregierung ermutigen, sich für eine ambitionierte Umsetzung der Agenda 2030 und des Pariser Klimaabkommens starkzumachen.

 

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