Bereits im Wahlkampf um das Präsidentenamt 2016 hatte Duterte angekündigt, er werde die Fische in der Manila Bay mit den Leichen der Drogenhändler füttern. Und diesen Worten folgten Taten: Nach Schätzungen von Menschenrechtsorganisationen wurden in seiner sechsjährigen Amtszeit bis 2022 30.000 Menschen im Rahmen seiner Antidrogenkampagne von der Polizei und von Todesschwadronen ermordet. Bei den Opfern handelt es sich überwiegend um Bewohner:innen städtischer Armutsviertel, die Ärmsten der Armen.
Sollte Duterte vom IStGH verurteilt werden, wäre dies der größte Erfolg gegen die fast absolute Straflosigkeit von schweren Menschenrechtsverbrechen auf den Philippinen. Nur in vier Mordfällen im Rahmen des Kriegs gegen die Drogen wurden die verantwortlichen Polizisten zu Haftstrafen verurteilt. Mindestens 298 Fälle ermordeter Menschenrechtsverteidiger: innen in Dutertes Amtszeit blieben unaufgeklärt. Auch diese Verbrechen werden überwiegend dem Militär und der Polizei zur Last gelegt.
Testfall für den IStGH
Der Prozess gegen Duterte wird ein wichtiger Testfall für die Zuständigkeit des IStGH und in mehreren Hinsichten eine Premiere: Zwar hat das Strafgericht bereits einige Haftbefehle gegen aktuelle oder frühere Staatsoberhäupter erlassen, zum ersten Mal wird sich ein solches aber nun vor dem Gericht verantworten müssen. Und es wird der erste Fall, in dem ein Staatsangehöriger eines ehemaligen Mitglieds des IStGH vor Gericht stehen wird. Die Philippinen hatten schon unter Duterte ihre Mitgliedschaft beendet und unter seinem Nachfolger Marcos Jr. zunächst auch jegliche Zusammenarbeit mit dem Gericht verweigert. Dies änderte sich erst als sich Marcos mit Dutertes Tochter Sara, die zwischenzeitlich zur Vizepräsidentin gewählt worden war, überwarf. Wohl nur wegen dieser politischen Fehde wurde Duterte schon wenige Tage nach dem Ausstellen des Haftbefehls verhaftet und sofort nach Den Haag überstellt.
Für den IStGH ist allein die Verhaftung schon ein großer Erfolg, denn das Gericht steht unter immensem Druck. Bisher konnten seit Bestehen nur elf Personen durch das Gericht verurteilt werden. Alle bisher verhandelten Fälle betrafen afrikanische Beschuldigte, was zu Vorwürfen, das Gericht sei ein neokoloniales Instrument und zu einer Reihe von Austritten afrikanischer Staaten führte. Vor allem aber sind die von der US-Regierung verhängten Sanktionen gegen das Gericht und führende Mitarbeitende eine große Bedrohung für dessen Arbeitsfähigkeit. Mehr denn je braucht der IStGH deswegen jetzt die Unterstützung seiner Mitgliedsstaaten. Ein erfolgreicher Prozess gegen Duterte würde die besondere Bedeutung des Strafhofs für die Herstellung internationaler Gerechtigkeit unterstreichen und könnte diese Unterstützung mobilisieren.
Keine Gerechtigkeit ohne Menschenrechtsverteidiger:innen
Dass es überhaupt zur Anklage vor dem IStGH kommen konnte, ist der Verdienst philippinischer Menschenrechtsverteidiger:innen und -anwält:innen, darunter auch Brot für die Welt-Partner, die unermüdlich Beweise und Zeugenaussagen gesammelt und dem Gericht zur Verfügung gestellt haben. Dies taten und tun sie unter großer persönlicher Gefahr: Die Philippinen sind weltweit eines der gefährlichsten Länder für Menschenrechtsaktivist:innen. Sie werden systematisch als Staatsfeinde denunziert; ihnen wird unterstellt, die kommunistischen Rebellen zu unterstützen.
Denn auch unter Dutertes Nachfolger kommt es auf den Philippinen weiter zu schwersten Menschenrechtsverletzungen. Das Menschenrechtsprojekt DAHAS hat seit Marcos Amtsantritt 928 Todesfälle im anhaltenden Krieg gegen die Drogen dokumentiert. Praktisch täglich kommt es zu neuen Fällen von Kriminalisierung von Menschenrechtsaktivist:innen, immer wieder auch zu Morden und Verschwindenlassen.
12. Werner-Lottje Lecture
Die Menschenrechtssituation auf den Philippinen und die Frage, wie die internationale Gemeinschaft philippinische Menschenrechtsverteidiger:innen unterstützen kann, diskutieren wir am 10. April 2025 in Berlin.