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Entwicklungspolitik ist in deutschem Interesse

Alle reden über die geplante Grundgesetzänderung und die Aufnahme eines gigantischen Schuldenpakets. Verständlich – was Union und SPD da anschieben, hat eine historische Dimension. Was dabei aber unterzugehen droht, ist der brisante Inhalt ihres Sondierungspapiers.

Von Mareike Haase am
Symbolbild Koalitionsverhandlungen

256 Verhandler*innen formulieren, feilschen und feilen an einem neuen Koalitionsvertrag, in Windeseile wollen sie in diesen Tagen wichtige Einigungen erzielen. Über die Inhalte der Verhandlungen ist Stillschweigen vereinbart, aber das am 8. März vorgelegte Sondierungspapier gibt Anlass, noch einmal sehr deutlich zu sagen, welchen Stellenwert Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe für die zukünftige Bundesregierung haben sollten.

Tatsächlich gibt es im Sondierungspapier keinerlei Bezüge zu Zivilgesellschaft oder bürgerschaftlichem Engagement überhaupt – und das in einer Zeit, in der rechte Bewegungen in Deutschland massiv Zulauf erfahren und wir einen Abbau von Demokratien weltweit sehen. Auch das Politikfeld der Entwicklungspolitik und Bezüge zu multilateralen Anliegen wie den vereinbarten Nachhaltigkeitszielen der Agenda 2030 oder dem Klimaabkommen, glänzen durch Abwesenheit. Immerhin haben die Grünen erreichen können, dass Klimaschutz in das geplante Infrastrukturpaket aufgenommen wurde. Entwicklungszusammenarbeit wird im Sondierungspapier lediglich einmal erwähnt, allerdings als Faustpfand für eine bessere Kooperation mit Herkunftsländern im Kontext von Abschiebungen und rigiderer Migrationspolitik. Das ist der falsche Weg.

Deutschland wird international gebraucht!

Manche hochrangige Entwicklungspolitiker*innen deuten die Abwesenheit der internationalen Zusammenarbeit im Sinne von Entwicklungspolitik und Humanitärer Hilfe als positives Zeichen, da ja zumindest keine Reduzierung ihrer Mittel beschrieben sei. Mich macht das sehr nachdenklich im Kontext aktueller Entwicklungen wie den Kürzungen der US-Auslandshilfe durch Präsident Trump oder der öffentlichen Entwicklungsgelder durch Großbritannien und andere europäische Staaten. Diese Politik ist für Millionen von Menschen in den Krisengebieten dieser Welt lebensbedrohend. Wenn nun auch Deutschland seine Rolle in der internationalen Zusammenarbeit zurückfährt, wäre das fatal. Deutschland wird international gebraucht! Und nicht nur finanziell, sondern gestaltend als verlässlicher Partner für Länder des Globalen Südens mit einem klaren demokratischen Kompass – wer sonst sollte an Deutschlands Stelle rücken?

Entwicklungspolitik in der Bedeutungslosigkeit?

Die Abwesenheit von internationaler Zusammenarbeit im Sondierungspapier macht auch deshalb besorgt, weil wir in den vergangenen Monaten eine nie dagewesene Infragestellung der Entwicklungspolitik und Humanitären Hilfe erlebt haben. Angefangen mit faktisch falschen Berichten über Radwege in Peru nahm die Mär von der scheinbaren Ineffizienz und Wirklosigkeit jeglicher Entwicklungsprojekte ihren Lauf. Selbstverständlich ist es immer geboten, die Wirksamkeit des eigenen Handelns, insofern auch die der Entwicklungszusammenarbeit in all ihrer Diversität, zu überprüfen und stetig zu verbessern. Und tatsächlich geschieht das auch in umfassender Weise. Es gibt wohl kaum ein Politikfeld, das so stark und regelmäßig überprüft wird und im Wandel ist.

Trotzdem hat die Erzählung verfangen und so entwickelte sich – gepaart mit einer allgemeinen Unzufriedenheit im Kontext einer wirtschaftlichen Rezession, einem Gefühl sozialer Unsicherheit und rechtspopulistischen Behauptungen à la „Migration ist die Wurzel aller Probleme“ – ein Klima des „Germany first“, der Menschenfeindlichkeit und Abschottung. Wenn wir in diesen Tagen in das politische Berlin hineinhorchen, in vielen Gesprächen mit Politiker*innen der aktuellen und auch der wahrscheinlich zukünftigen Regierung, könnte sich dies bald durch massive finanzielle Kürzungen von Entwicklungsgeldern und einer Neuaufstellung der Entwicklungszusammenarbeit ausschließlich zu Diensten vermeintlicher nationaler Interessen widerspiegeln.  

Polarisierte Debatte um Moral versus deutsche Interessen

Doch was sind eigentlich DIE deutschen Interessen? Allzu oft führen wir eine polarisierte Debatte um Werte versus interessengeleitete Politik. Auf der einen Seite werden Moral und Menschenrechte verortet, auf der anderen Seite die nationalen Interessen. Wir bei Brot für die Welt beschäftigen uns intensiv mit der Frage, ob wir das, was wir tun, besser unter einem Narrativ der „deutschen Interessen“ vermitteln sollten, damit verständlicher wird, was internationale Zusammenarbeit leistet. Damit ist nicht gemeint, dass Entwicklungszusammenarbeit allein deutschen Interessen dienen soll – tatsächlich aber trägt sie wie selbstverständlich dazu bei. 

Um Frieden und Sicherheit langfristig zu gewährleisten, braucht es vertrauensvolle internationale Partnerschaften und eine globale Ordnung, die Konfliktausbrüchen vorbeugt und gemeinsame Problemlösungen in den Vordergrund stellt. Internationale Zusammenarbeit enthält zentrale Bausteine für die Bewältigung dieser Aufgaben. Natürlich ist es in deutschem Interesse, Geschlechtergerechtigkeit zu verwirklichen, und der Einsatz gegen Hunger und Armut, für die Wahrung der Menschenrechte, für Krisenprävention und den Schutz des Klimas ist auch Teil unserer deutschen Verantwortung. Auf diese Weise trägt Deutschland zur Verwirklichung gerechter globaler Verhältnisse bei, die auch den Menschen in Deutschland und Europa eine friedliche und sichere Zukunft ermöglichen. Wie Brot für die Welt und Misereor in ihrem Impulspapier zu den Koalitionsverhandlungen ausführen, wären Kürzungen hier gegen unsere langfristigen politischen und wirtschaftlichen Interessen, denn stabile Verhältnisse in unseren Partnerländern sind Grundbedingung für Wohlstand, Investitionen, Frieden und natürlich auch den Ausbau unserer Wirtschaftsbeziehungen. Faire Partnerschaften und multilaterale Kooperationen sind dafür Voraussetzung.

Was in den Koalitionsvertrag muss

In dieser epochalen Situation geht es um die großen Linien, für die wir uns als Brot für die Welt, gemeinsam mit vielen anderen Nichtregierungsorganisationen einsetzen. Wir bitten die kommende Bundesregierung, folgende drei Bekenntnisse im Koalitionsvertrag zu verankern:

 

  1. Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit als Leitwerte der deutschen Politik, mit besonderem Fokus auf den Schutz und die Stärkung der Zivilgesellschaft.
  2. Das Einhalten internationaler Verpflichtungen: mindestens 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungszusammenarbeit, darunter 0,2 Prozent des BNE für die ärmsten Länder, sowie ausreichende Mittel für humanitäre Hilfe.
  3. Ein klares Bekenntnis zu einer starken und unabhängigen Entwicklungszusammenarbeit mit eigenem Ministerium.

 

Wenn diese Grundlagen gesichert sind, kann über die konkrete Ausgestaltung der Politik diskutiert werden. Internationale Zusammenarbeit ist ein dynamisches Feld, das stetige Anpassung erfordert – ein Rückzug Deutschlands wäre ein fataler Fehler.

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