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KI: Digitaler Klimasünder Nr. 1

Die neue Bundesregierung will die Nutzung von KI vorantreiben. Den ökologischen Folgen schenkt sie im Koalitionsvertrag kaum Beachtung. Erstaunlich, denn mit seinem unstillbaren Hunger nach Rechenkapazität verursacht der KI-Hype einen weltweiten Boom an neuen Rechenzentren. Gegenwärtig verbrauchen diese bereits so viel Energie wie Frankreich. Die Zivilgesellschaft fordert ein sofortiges Umdenken.

Von Sven Hilbig am
Künstliche Intelligenz verbraucht Unmengen an Energie - und ist somit eine große Bedrohung für das Weltklima.

Künstliche Intelligenz verbraucht Unmengen an Energie – und ist somit eine große Bedrohung für das Weltklima.

„Wir arbeiten daran, unsere Kunden, Partner und Lieferanten auf der ganzen Welt dabei zu unterstützen, ihren CO2-Fußabdruck zu reduzieren [...] und ökologische Entscheidungen zu treffen – mit unseren Erfahrungen und der Kraft von Daten, KI und digitalen Technologien“, heißt es bei Microsoft. Auch andere führende Tech-Konzerne warten mit großspurigen Nachhaltigkeitsversprechen auf. Der Tenor ist immer dergleiche: KI, moderne Rechenzentren und andere digitale Technologien sollen unseren Konsum und unser Wirtschaften ökologisch nachhaltiger gestalten und damit zur Bewältigung des Klimawandels beitragen. Soweit die Theorie, oder besser gesagt: die geschickte Rhetorik. Die Realität sieht anders aus. Und die Zukunft? Düster!

Insbesondere der Hype um generative KI für Sprach- oder Bildmodelle hinterlässt einen alles andere als sauberen ökologischen Fußabdruck. Der Datenhunger von ChatGPT und anderen KI-Anwendungen treibt den Bedarf an immer mehr Rechenkapazität immer weiter in die Höhe. Mit jeder neuen KI-Generation werden auch die dafür benötigten neuronalen Netze immer größer, um mehr komplexe Inhalte abbilden zu können. Wurde ChatGPT 2 noch mit 40 Gigabyte Text und 1,5 Milliarden Parametern trainiert, basiert die aktuelle, vierte Version bereits auf 1.000 Gigybyte Text mit einer Billion Parametern.

Eine gemeinsame Studie der Carnegie Mellon University in den USA und des KI-Unternehmens Hugging Face kommt zu dem Schluss, dass die Generierung eines einzigen Bildes mit einem großen KI-Modell etwa so viel Energie verbraucht wie das Aufladen eines Smartphones. Die Studie untermauert zudem, dass derzeitige Modelle für das maschinelle Lernen deutlich mehr CO2 ausstoßen als solche, die noch vor zwei bis fünf Jahren aktuell waren. Dadurch, dass Google, Microsoft und Co. ihre KI-Systeme inzwischen auch zur Unterstützung von Suchmaschinen oder bei der automatischen Vervollständigung von E-Mails einsetzen, erhöht sich auch der Energieverbrauch dieser einfachen Tätigkeiten.

Der Energieverbrauch steigt und steigt

Das Wettrennen um die schnellste und klügste KI hat in den USA, in Europa und in Teilen Asiens einen beispiellosen Boom an neuen Rechenzentren ausgelöst. Mit ihren riesigen Ansammlungen von hochleistungsfähigen Computern bilden sie das Rückgrat unserer modernen Welt. Eine Studie des Industrieverbandes Bitkom zeigt: In nur sieben Jahren wurden über 25 Millionen (!) neuer Server gebaut. Belief sich der globale Serverbestand 2015 noch auf 58,8 Millionen Stück, waren es 2022 rund 85,6 Millionen. Für die kommenden vier Jahre prognostiziert der CEO des Chip-Riesen NVIDIA, Jensen Huang, Ausgaben von einer Billion US-Dollar, in den weiteren Ausbau der Rechenzentren.

Wenn es darum geht, zu erfahren, wie viel Energie solche Rechenzentren verbrauchen, werden die Tech-Konzerne auffällig schmallippig. Klar ist: Trotz technischer Fortschritte steigt mit der Rechenleistung auch der Energieverbrauch. Unter Berufung auf die Internationale Energieagentur (IEA) beziffert die Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) 2024 den weltweiten Stromverbrauch für Rechenzentren 2022 auf etwa 460 Terawattstunden. Das entspricht ziemlich genau dem jährlichen Gesamtstromverbrauch von Frankreich, der siebtgrößten Volkswirtschaft der Erde.

In Irland, den Niederlanden und Singapur wurde der Bau neuer Rechenzentren wegen befürchteter Stromengpässe sogar zwischenzeitlich gestoppt. Und im US-Bundesstaat Nebraska, wo Google die Entwicklung von Rechenzentren mit 3,4 Milliarden US-Dollar vorantreibt, verzeichnet der örtliche Stromversorger den größten Anstieg der Stromnachfrage in seiner fast 80-jährigen Geschichte. Um den Bedarf zu decken, erhielt das Unternehmen die Genehmigung, die geplante Schließung eines seiner Kohlekraftwerke um drei Jahre zu verschieben. Google verspricht zwar, langfristig „kohlenstofffrei“ zu sein, musste zuletzt jedoch zugeben, dass gegenwärtig noch gut ein Drittel des verbrauchten Stroms von fossilen Energieträgern stammt. Bei Meta betrug der kohlenstoffhaltige Anteil am Energiemix 2021 sogar noch die Hälfte.

Umweltkosten trägt der Globale Süden

Im Dorf Mekaguda im indischen Bundesstaat Telangana protestierten 2024 Anwohner*innen gegen den Bau eines riesigen Rechenzentrums durch Microsoft. Sie warfen dem Konzern vor, Industrieabfälle in einem nahegelegenen See abgeladen zu haben. „Diese großen Unternehmen denken, dass sie in kleine Dörfer wie unseres eindringen, unser Land nehmen und es zerstören können“, äußerte sich Dorfvorstand Chinthalapally Pandu Ranga Reddy gegenüber dem Magazin Rest of World.

Die globale Erwärmung erreicht unterdessen jedes Jahr neue traurige Rekorde. Der Klimawandel ist zwar ein globales Phänomen, die Gefahr, Opfer von Wetterextremen und schleichenden Veränderungen zu werden, ist im Globalen Süden jedoch ungleich größer als in den Industrieländern, wie der Weltklimarat alljährlich feststellt und Brot für die Welt seit Jahren eindrücklich dokumentiert.

Wir brauchen eine Kehrtwende. Jetzt!

Mit Blick auf die dramatischen Ausmaße und Dynamiken ist es erstaunlich, dass der Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD der verstärkten Nutzung von KI und dem weiteren Ausbau von Rechenzentren hohe Priorität einräumt ohne zugleich auf die ökologischen Folgekosten zu achten. An Ideen, wie die Transformation ökologisch nachhaltiger gestaltet werden kann, fehlt es nicht. Das zivilgesellschaftliche Netzwerk Bits und Bäume, dem neben Umweltverbänden, Brot für die Welt und Tech-Organisationen inzwischen auch das Weizenbaum-Institut und der DGB angehören, hatte denParteien während des Bundestagswahlkamps konkrete Vorschläge unterbreitet. Klar ist: Marktbasierte Mechanismen, von denen der Koalitionsvertrag einige wenige benennt, werden die ökologischen Probleme der von den Tech-Konzernen unermüdlich vorangetriebene Datafizierung nicht lösen (können). Dafür bedarf es ein umfassendes Gegenkonzept, das geleitet ist von der Idee eines dezentral organisierten Internets, welches lokal und demokratisch entwickelte Technologien hervorbringt, die dem Gemeinwohl und dem Fortbestand unseres Planeten dienen.

Der Text enthält Auszüge des Buches „Digitaler Kolonialismus. Wie Tech-Konzerne und Großmächte sich die Welt aufteilen“.

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