Frau Esch, was bedeutet das Wahlergebnis für die Bemühungen von Brot für die Welt, sich gegenüber der künftigen Bundesregierung für Globale Gerechtigkeit einzusetzen?
Ohne BSW und FDP zeichnet sich ein Zweierbündnis ab – und das könnte stabiler sein als eine Koalition aus drei Parteien. Derzeit sieht es so aus, als heißen die beiden künftigen Koalitionäre CDU/CSU und SPD. Mit beiden Fraktionen sind wir seit vielen Jahren im Gespräch.
Wie wichtig ist es, dass rasch eine neue Bundesregierung gebildet wird?
Angesichts der geopolitischen Herausforderungen wäre es gut, wenn sich die neue Regierung schnell findet. Allerdings dürfen die Parteien bei aller Dringlichkeit die Sorgfalt nicht vernachlässigen. Sie sollten nichts übers Knie brechen. Die Parteien müssen Kompromisse finden, die auf tragbarem Boden stehen. Auch was die Staatkasse betrifft, wird dies sehr herausfordernd, wie wir alle wissen. Denn es stehen Entscheidungen an. Bislang hat der Bundestag den Etat für 2025 nicht verabschiedet. Die vorläufige Haushaltsführung betrifft die Entwicklungsfinanzierung, darunter auch die Mittel für die Zivilgesellschaft. Das betrifft auch uns und unsere Partner weltweit, die wir in ihrer Projektarbeit unterstützen. Es wäre gut, wenn der Bundestag den Etat vor dem Sommer verabschiedet.
Was wäre der GAU?
Der GAU wäre, wenn sich die Parteien gar nicht auf eine Koalition einigen.
Leicht wird das Zueinanderfinden nicht…
Nein, denn CDU/CSU und SPD liegen nicht nur bei ihren programmatischen Prioritäten mitunter weit auseinander. Auch bei der Frage, wie sie diese gegenfinanzieren wollen, haben sie recht unterschiedliche Vorstellungen. Deswegen ist es so wichtig, Zugeständnisse zu machen. Wir alle – Politiker*innen wie auch Bürger*innen - müssen wieder aufeinander zugehen.
Sind Sie diesbezüglich eher optimistisch oder pessimistisch?
Ich bin da hoffnungsstur. Auch weil ich davon überzeugt bin, dass sich der Dialog lohnt – und ich hoffe, dass die Koalitionäre aus dem Ampel-Aus gelernt haben.
Auf welche Themen werden Sie in den kommenden Wochen bei Ihrer politischen Arbeit besonders achten und pochen?
Wir wollen die künftigen Regierungsparteien daran erinnern, dass Deutschland sich verpflichtet hat, die Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen. Deutschland muss jetzt, da die Auslandshilfen der USA wegbrechen, Verantwortung übernehmen. In fünf Jahren wird die Welt beurteilen, inwieweit wir es geschafft haben, niemanden zurückzulassen – so lautet das Versprechen der Agenda 2030. Damit wir dieses Ziel erreichen, haben Brot für die Welt und Misereor gemeinsam ein Positionspapier erarbeitet, das wir in diesen Tagen an die politischen Entscheidungsträger*innen schicken. In diesem Papier benennen wir auch klar weitere politische Forderungen. Etwa, dass die künftige Regierung fiskalische Spielräume nutzt: Dass sie vermögensbezogene Besteuerung von Superreichen einführt sowie klimaschädliche Subventionen abbaut. Und dass das Entwicklungsministerium, das seit 1961 eigenständig ist, auch eigenständig und finanziell gut ausgestattet bleibt!
Das Gespräch führte Martina Hahn.