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Sustainable Finance – ein Schritt vor, zwei zurück

Bis vor Kurzem galt „Sustainable Finance“ als Hoffnungsträger für die sozial-ökologische Transformation der Wirtschaft. Mit der „Omnibus-Initiative“ der EU-Kommission droht nun eine Kehrtwende.

Von Jutta Albrecht am
Banken-Skyline Frankfurt am Main

Banken-Skyline von Frankfurt am Main

Bereits unter der Großen Koalition 2018-2021 hatte sich Deutschland das ambitionierte Ziel gesetzt, zu einem der führenden Sustainable Finance-Standorte Europas zu werden. Man versprach sich Wettbewerbsvorteile und zusätzliche Finanzierungsquellen zur Verwirklichung der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs). Denn der Finanzbedarf für die sozial-ökologische Transformation war und bleibt enorm. Die Europäische Union hat errechnet, dass zur Einhaltung der Pariser Klimaziele in der EU bis 2030 pro Jahr 180 Milliarden Euro zusätzliche Investitionen benötigt werden. Um die Ziele der SDGs zu erreichen, ist der Bedarf an privatem Kapital noch viel höher: Es werden jährlich 2,2 Billionen US-Dollar private Investitionen benötigt, um die Finanzierungslücke von insgesamt vier Billionen US-Dollar pro Jahr zu schließen.

Sustainable Finance bedeutet, dass Finanzentscheidungen nicht nur auf wirtschaftlichen, sondern auch auf ökologischen (Umwelt), sozialen und Governance-Kriterien (ESG) beruhen. Es geht also darum, Kapital in Projekte und Unternehmen zu lenken, die langfristig nachhaltig sind – etwa im Kampf gegen den Klimawandel oder zur Verwirklichung der SDGs.

Sustainable Finance als Kernelement des European Green Deal

Auf europäischer Ebene galt Sustainable Finance als Kernelement des European Green Deal, mit dem die europäische Wirtschaft und Gesellschaft bis 2050 auf den Weg zu einer klimaneutralen Gesellschaft gebracht werden sollte. Denn die EU-Staaten können die Kosten der Transformation nicht allein stemmen. Eine Reihe von Verordnungen, wie etwa die ökologische EU-Taxonomie, die Verordnung zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, die EU-Offenlegungsverordnung und das Europäische Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz setzten u.a. den Rahmen, der dazu beitragen sollte, Kapitalflüsse in nachhaltige Anlagen und Wirtschaftstätigkeiten zu lenken, Menschenrechte zu stärken, Berichtspflichten zu vereinheitlichen und insgesamt den Finanzsektor transparenter und vergleichbarer aufzustellen.  

Diese gesetzlichen Maßnahmen waren bedeutende Fortschritte, um den Schutz von Menschen und Natur sowie ethisches Wirtschaften auf eine solide Grundlage zu stellen und haben dazu beigetragen, dass sich nachhaltige Geldanlagen aus der Nische entwickelten.

Geopolitik und Weltwirtschaft verändern die Vorzeichen

Die veränderte Weltlage und die damit verbundenen Rezessionsängste haben die Vorzeichen jedoch dramatisch verändert. Die Klimakrise und wachsende soziale Ungleichheiten spielten im deutschen Wahlkampf kaum eine Rolle. Die frisch verabschiedeten Gesetze des Green Deals und auch das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz wurden unter dem Stichwort „Überbürokratisierung“ diskreditiert. Stattdessen wurden die Interessen jener Teile der Wirtschaft, die dagegen protestierten, in den Mittelpunkt gestellt. Wirtschaftsverbände und Industrievertreter:innen haben erfolgreich Lobbyarbeit in Berlin und Brüssel betrieben und ein Bild von Unternehmen transportiert, die unter der Last überbordender Bürokratie zusammenbrechen.

Sicherlich gibt es auch berechtigte Klagen über Doppelstrukturen in Gesetzen, die abgebaut und dafür praktikablere Lösungen gefunden werden können und müssen. Mit der Omnibus-Initiative der EU-Kommission droht aber nun etwas anderes: Mit dem Scheinargument, Bürokratiehürden abbauen zu wollen, sollen wesentliche Fortschritte des Green Deals zurückgedreht und Regelungen zum Schutz von Menschenrechten und Umwelt ausgehebelt werden. Dabei wurden diese Regulierungen ursprünglich nur deshalb eingeführt, weil Unternehmen ihrer Verantwortung nicht freiwillig nachkamen.

Omnibus-Initiative dreht Berichts- und Sorgfaltspflichten zurück

In der Omnibus-Initiative fasst die EU-Kommission nun die Maßnahmen aus den Nachhaltigkeitsregulierungen des Green Deals zusammen. Im Zuge der Vereinfachung werden Berichts- und Sorgfaltspflichten zurückgedreht, abgeschwächt oder eingegrenzt. So werden die Schwellenwerte für Berichtspflichten von Unternehmen sowohl bei der EU-Taxonomie als auch bei der CSRD-Nachhaltigkeitsberichterstattung deutlich reduziert. Das heißt, dass nur noch 20 Prozent der ursprünglich CSRD-pflichtigen Unternehmen in Europa nach dem CSRD-Ansatz ihre Nachhaltigkeitsberichte erstellen müssen. Von etwa 50.000 Unternehmen, die in Europa ursprünglich CSRD-berichtspflichtig gewesen wären, müssten nach den Omnibus-Anpassungen schätzungsweise nur noch 10.000 entsprechende Berichte erstellen. Die neuen Schwellenwerte konterkarieren die Bemühungen, auf europäischer Ebene die nötigen ESG-Daten bereitzustellen, die nötig sind, um Kapital in nachhaltige Aktivitäten zu lenken, um Greenwashing in der Finanzwirtschaft zu bekämpfen und um Investor:innen besser zu informieren. Ohne solide Nachhaltigkeitsinformationen können Investor:innen die ihnen zugedachte Rolle zur Finanzierung der Transformation kaum wahrnehmen.  

Auf nationaler Ebene spiegelt sich der Bedeutungsverlust von Sustainable Finance auch in den Koalitionsverhandlungen der künftigen schwarz-roten Bundesregierung wider, wo das Thema keine Beachtung mehr findet. Es ist zu befürchten, dass das Ziel, zum nachhaltigsten Finanzstandort Europas zu werden, für die schwarz-rote Koalitionsregierung keine Rolle mehr spielt.

Politische Entscheidungsträger:innen senden fatales Signal

Die Gleichgültigkeit, mit der die politischen Entscheidungsträger:innen derzeit die Uhren in den Nachhaltigkeitsregulierungen wieder zurückdrehen, sendet ein fatales Signal sowohl an internationale Partner(-staaten) als auch an private Investor:innen. Die EU gibt leichtfertig ihre Wettbewerbsvorteile bei der Umstellung der Wirtschaft auf eine soziale und klimakompatible Wirtschaftsweise preis. Deutschland und Europa laufen Gefahr, ihre Glaubwürdigkeit zu verlieren. Wer will von Unternehmen und Finanzmarkakteuren Verantwortungsbewusstsein fordern, wenn die politischen Entscheidungsträger:innen selbst die Uhren zurückdrehen?  

Nachhaltige private Investitionen sind unabdingbar, um sich den Anforderungen der Klimakrise zu stellen, Menschen in den Lieferketten ihre Rechte zu gewähren und die nachhaltigen Entwicklungsziele zu verwirklichen. Ohne Gesetze, die eine einheitliche Rahmengesetzgebung für alle schafft und gemeinsame Ziele definiert, ist die Gefahr groß, dass Sustainable Finance, nachdem sie begonnen hatte, den Mainstream zu erobern, nun wieder in die Nische zurückkehrt. 

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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