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Wie viele Massaker müssen noch geschehen?

Wie viele Massaker müssen noch geschehen, bis es Gerechtigkeit gibt und nicht Straflosigkeit vorherrscht? Das fragen sich Vertreter*innen der Zivilgesellschaft in Lateinamerika im Rahmen der regionalen Revision des Globalen Pakts für eine sichere, geordnete und reguläre Migration. Wie sind diese Ziele im Licht von Migrationspolitik Trumps zu bewerten?

Von Anna Brunner am
Beiträge der Zivilgesellschaft

Aktion Angehöriger verschwundener Migrant*innen

Vom 18. bis 20. März fand in Santiago de Chile die regionale Revision des Globalen Paktes für eine sichere, geordnete und reguläre Migration (GCM) statt. 2018 wurde das Abkommen verabschiedet, das einst von vielen Akteuren als historische Errungenschaft gesehen wurde, da es zum ersten Mal einen globalen, umfassenden und auf die Zusammenarbeit auf internationaler Ebene ausgerichteten Rahmen darstellt. Doch was ist knapp sieben Jahre nach seiner Verabschiedung von seinen Zielen erreicht oder muss es heißen übrig?

Schicksalsfragen

Im Flugzeug auf dem Weg von San Salvador über Panama nach Santiago de Chile denke ich an die Menschen, die vor einem Monat mit ungewissem Schicksal aus den USA nach Panama abgeschoben wurden (siehe beispielsweise diesen Bericht in der New York Times). Kaum einer hätte letztes Jahr damit gerechnet, so sagte Maria Teresa Urueño von der Red Jesuita con Migrantes und Sprecherin der Zivilgesellschaft gegenüber den in Chile anlässlich der regionalen Revision des GCM anwesenden Regierungen. Kaum einer hätte damit gerechnet, dass Asylsuchende gleich nach Trumps Amtsantritt medial inszeniert wie Schwerverbrecher gefesselt abgeschoben werden, sich Hotels in Haftanstalten wandeln und Menschen Asyl und Schutz verwehrt bleibt, auch wenn sie aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit, politischen Haltung oder sexuellen Orientierung in ihrer Heimat verfolgt werden.

Müde von der Reise, die mich nur einen Tag kostete, komme ich in Chile an und denke an die Menschen, die einen ganzen Kontinent durchquert haben, und hierbei nicht das Flugzeug nutzen konnten, da es für sie keinen Zugang zu einer geordneten Migration gibt. Menschen, die bereits einmal die Hochebenen der Anden bei bitterer Kälte, den Dschungel des Darién und die Wüste Mexikos bei austrocknender Hitze durchquert haben und nun nicht wissen, wie weiter. Menschen, die nun ausharren in Mexiko, da der Termin, um an der Grenze der USA einen Asylgesuch vorzubringen, von einem Tag auf den anderen gestrichen wurde. Die nun Alternativen in anderen Ländern der Region suchen. Immer mehr Menschen beantworten die Frage für sich mit dem Versuch, in ihre Heimatländer zurückzukehren und sich dabei denselben Gefahren aussetzen wie auf dem Hinweg. Die App CBP One, mit der bisher ein Termin für ein Asylgesuch gemacht werden musste, ist nun unter Trump zu einer App zur Registrierung einer freiwilligen Abschiebung geworden.

Parallele Narrative

Was ist angesichts dieser Entwicklungen aus den Zielen des globalen Migrationspaktes geworden? Wie werden diese Entwicklungen diskutiert? Am ersten Tag unserer dreitägigen Sitzung wird der Bericht der Zivilgesellschaft zur Umsetzung des Paktes vorgestellt und debattiert. Nur wenige Regierungsvertreter*innen sind dabei. Maria Teresa Urueño mahnt deshalb auch am zweiten Tag, an dem Vertret*innen von 28 Regierungen anwesend sind: „Auf welcher Seite der Geschichte wollen wir stehen?“ Dabei spricht sie nicht nur Akteure der Zivilgesellschaft an, sondern explizit auch die UN-Organisationen und die Staaten. Selten ist der Multilateralismus und die Einhaltung von rechtsstaatlichen Verfahren so in Frage gestellt worden, wie durch die Politik Trumps und durch sie angestossene Entwicklungen. Nach dem Bericht stellen Regierungsvertreter*innen Erfolgsbeispiele und Best practices vor, Reaktionen oder Fragen seitens der Zivilgesellschaft werden an dieser Stelle kaum zugelassen.

Nichts über Migrant*innen ohne Migrant*innen

An mancher Stelle kann leicht vergessen werden, dass bei all diesen Debatten über Menschen gesprochen wird. Keine Zahlen, keine Transitmigrant*innen, keine Klimaflüchtlinge, „flujo inverso“ (der nach der Amtsübernahme von Trump begonnene „Gegenstrom“ von Migrant*innen von Norden nach Süden), sondern über Menschen. Zu oft ist das Aufmachen von neuen Kategorien mit Polarisierung verbunden, wird der Komplexität der Lebensrealitäten nicht gerecht und ist zudem nur allzu oft mit unterschiedlichen Migrationsstatus und Zugang zu Rechten verbunden. Wird von Rückkehrenden gesprochen, macht das die Komplexität der Bedarfe unsichtbar, die diese mit sich bringen, oft haben sie keinen festen Anlaufpunkt mehr in ihrem Herkunftsland, haben dieses bereits als Kind verlassen, können aufgrund von Verfolgung nicht mehr in ihre Heimatgemeinde zurückkehren oder werden als Deportierte mit neuen Stigma konfrontiert.

Es ist darum umso wichtiger, dass auch bei Foren wie der regionalen Revision Migrant*innen und ihren Angehörigen selbst eine Stimme zu geben. So wie Doña Blanca aus El Salvador. Seit 15 beziehungsweise 12 Jahren sind sowohl ihr Bruder als auch ihr Sohn auf dem Weg in die USA spurlos verschwunden. Seitdem sucht Doña Blanca nach ihnen. Ihre Geschichte und die Fotos so vieler Verschwundener, die die Anwesenden im Saal hochhalten, bringt die Menschlichkeit in die Debatte zurück. Diese Geschichten zeigen die Auswirkungen einer Migrationspolitik, die keine sichere, geordnete und reguläre Migration ermöglicht – wie sie der Globale Pakt eigentlich verspricht. Gerade erst wurde im Norden Mexikos ein Krematorium entdeckt, dass das organisierte Verbrechen betrieb. Dort fand man Überreste von hunderten Verschwundenen, viele scheinbar auch gefoltert.  Wie viele Menschen dort verbrannt wurde, ist unklar. Und so fragt Doña Blanca in ihrer beeindruckenden Rede, wie viele Menschen noch sterben müssen, wie viele Massaker noch geschehen müssen, bis es endlich Gerechtigkeit gibt.

Welche Rolle spielt Brot für die Welt dabei?

Brot für die Welt unterstützt über ein regionales Programm im Rahmen des Zivilen Friedensdienstes sowie darüber hinaus insgesamt über 20 zivilgesellschaftliche Organisationen in Zentralamerika und Mexiko mit einem Arbeitsschwerpunkt zur Stärkung von Migrant*innen oder intern Vetriebenen. Diese sind zu einem Großteil in Netzwerken wie dem Bloque Latinoamericano oder der RROCM organisiert. Beide Netzwerke waren von besonderer Bedeutung, die Stimmen der Zivilgesellschaft in diesem Forum und dem Vorbereitungsprozess der regionalen Revision des Migrationspakts zu vereinen. Zum ersten Mal war bei der Revision des Migrationspakts auch eine Delegation der Act Alliance vertreten, deren Mitglied Brot für die Welt ist.

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