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Afrophobia: Umstrittene Migration in Südafrika

Südafrika ist wichtigstes Zielland von Flüchtenden und Migrant*innen in der Region. Ähnlich wie in Europa ist die migrationsfreundliche dabei einer migrationsskeptischen Stimmung gewichen, die immer wieder in Gewalt umschlägt. Partnerorganisationen von Brot für die Welt halten dagegen.

Von Dr. Andreas Grünewald am
 Ein Mann hält eine südafrikanische Flagge hoch, während Mitglieder der "Operation Dudula" eine Straße entlangmarschieren.

Ein Mann hält eine südafrikanische Flagge hoch, während Mitglieder der ausländerfeindlichen Bürgerwehr „Operation Dudula“ eine Straße in Hillbrow, einem Stadtteil von Johannesburg, entlang marschieren.

Ich habe erst verstanden, dass ich schwarz bin, als ich nach Südafrika kam.

Diese Äußerung von Margret aus Kenia geht mir nicht mehr aus dem Kopf. Margret lerne ich in Johannesburg kennen, bei der Jahreskonferenz des Southern Africa Migration Network (SAMIN). SAMIN ist ein von Brot für die Welt geförderter Zusammenschluss von Organisationen aus dem südlichen Afrika, die sich für die Rechte von Migrant*innen einsetzen. Margrets Statement beschreibt eine Erfahrung, die viele schwarze Migrant*innen im heutigen Südafrika machen – und die auch bei der Konferenz zentrales Thema ist: 30 Jahre, nachdem die ersten freien Wahlen das Ende der Apartheid in Südafrika – und damit das Ende einer auf Rassentrennung fußenden Gesellschaft – besiegelten, sind xenophobe Einstellungen in Südafrika weit verbreitet. Menschen aus anderen afrikanischen Ländern schlägt eine feindselige Stimmung entgegen, die immer wieder in offene Diskriminierung und Gewalt kippt. Viele meiner Gesprächspartner nennen es: Afrophobia.

Wirtschaftliche Misere und Fremdenhass

Eine ihrer gewalttätigsten Ausprägungen findet Afrophobia bei Aktionen der sogenannten Operation Dudula – einer Art Bürgerwehr, die ihrer Fremdenfeindlichkeit immer wieder in Hetzjagden gegen Migrant*innen freien Lauf lässt. „Wir befinden uns in Südafrika in einer Mehrfachkrise“, beleuchtet Sharon Ekambaram von der NGO Lawyers for Human Rights im Gespräch die Hintergründe für das Erstarken der Xenophobie in Südafrika, dem Land mit der größten sozialen Ungleichheit weltweit:

Wirtschaftskrise, Wohnungskrise, Beschäftigungskrise, Sozialstaatskrise, Sicherheitskrise – für all das hat die Politik derzeit keine Antworten. Stattdessen werden Migrant*innen zu Sündenböcken abgestempelt.

Und das nicht nur von den Militanten der Operation Dudula. Im Wahlkampf zu den Parlamentswahlen 2024 versuchten alle größeren Parteien, mit ausländerfeindlichen Parolen auf Stimmenfang zu gehen. Der African National Congres (ANC) – die stärkte politische Partei in Südafrika, die auch den Kampf gegen die Apartheid anführte – forderte gar den temporären Ausstieg aus der Genfer Flüchtlingskonvention.

Fortschrittliche Verfassung – institutionalisierter Ausschluss

Das ist besonders pikant, da die Mitglieder des ANC während der Apartheid oft jahrzehntelang politisches Asyl von den südafrikanischen Nachbarstaaten erhalten hatten. Basierend auf den Erfahrungen der Apartheid verabschiedete Südafrika 1996 eine der fortschrittlichsten Verfassungen weltweit. Sie gesteht Zugewanderten weitgehende Rechte zu, wie das Recht auf Gleichbehandlung, das Recht auf faire Arbeitsbedingungen oder den Schutz vor willkürlicher Verhaftung. Seither hat sich Südafrika zu einem wichtigen Zielland für Migrant*innen und Schutzsuchende aus Simbabwe, Mosambik, Burundi, aber auch weiter entfernteren Ländern wie Somalia oder Äthiopien entwickelt.

„Die in der Verfassung verbrieften Rechte von Migrant*innen existieren jedoch oft nur mehr auf dem Papier“, erklärt Zoe Nkongolo von unserer Partnerorganisation Africa Unite, die die SAMIN-Konferenz organisiert hat:

Mittlerweile sind Verhaftungen von Migrant*innen und Schutzsuchenden an der Tagesordnung. Für sie ist es beinahe unmöglich, legale Papiere zu erhalten. Durch diese institutionalisierte Xenophobie werden Menschen in die Illegalität gedrängt. Sie sind der behördlichen Willkür schutzlos ausgeliefert.

Was die deutsche Migrationsdebatte mit Südafrika zu tun hat

Vieles von dem, was Zoe erzählt, weist Parallelen zu Entwicklungen in Deutschland und Europa auf. Was vielen hierzulande nicht bewusst sein dürfte: Die zunehmenden Einschränkungen des Asylrechts in Deutschland und Europa werden in Südafrika genau beobachtet – und als Rechtfertigung für eigene Einschränkungen herangezogen. Auch von daher sind die aktuellen Debatten in Deutschland über die Auslagerung von Asylverfahren und Schutz – oder gar den Austritt aus der Europäischen Menschenrechtskonvention – Gift für den globalen Flüchtlingsschutz. Wenn reiche Länder wie Deutschland ihrer Verantwortung beim Flüchtlingsschutz nicht mehr nachkommen –warum sollen Länder wie Südafrika dann daran festhalten?

Wie Brot für die Welt-Partner die Rechte von Migrant*innen hochhalten

Zoe Nkongolo von Africa Unite floh selbst 1994 aus der Demokratischen Republik Kongo nach Kapstadt und zählt zu den ersten offiziellen Geflüchteten in Südafrika. Seit Langem setzt er sich für Rechte und gesellschaftliche Teilhabe von Migrant*innen und Geflüchteten in Südafrika ein. Mit Africa Unite arbeitet er unter anderem in den Townships von Kapstadt daran, vermeintliche Gegensätze und bestehende Vorurteile zwischen einheimischen und migrantischen Bewohner*innen zu überbrücken – in Workshops, bei gemeinsamen Aktionen und in lokalen Radio- und Fernsehprogrammen. 2019 gründete er SAMIN, um mit Gleichgesinnten im ganzen südlichen Afrika für eine progressive Migrationspolitik zu kämpfen. „Wir dürfen die Migrationspolitik und den Migrationsdiskurs nicht den etablierten Medien und den Regierungen überlassen“, appelliert er beim Abschluss der Konferenz an die rund 60 Teilnehmenden aus rund zwölf Ländern. „Wir müssen deren Gestaltung selbst in die Hand nehmen.“

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