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Anwerbung auf Kosten der Herkunftsländer

Laut WHO-Kodex für die internationale Anwerbung von Gesundheitspersonal sollten Herkunfts- und Zielländer von der Migration von Gesundheitspersonal profitieren. Nach Ansicht von Brot für die Welt beachten aber weder staatliche noch private Anwerbeprogramme in Deutschland ausreichend die Belange der Herkunftsländer. Dabei sind diese ebenso auf medizinische Versorgung angewiesen wie Deutschland.

Von Julia Stoffner am
Auszubildene Krankenschwesterhelferin

Auszubildene Krankenschwesterhelferin

Deutschland hat als Mitgliedsstaat der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den WHO-Verhaltenskodex für die internationale Anwerbung von Gesundheitspersonal bei der Weltgesundheitsversammlung 2010 mitverabschiedet. Darin heißt es, dass alle Mitgliedsstaaten einen nachhaltigen Personalbestand im Gesundheitswesen schaffen sollten, bevor aus anderen Ländern Gesundheitsfachkräfte rekrutiert werden. Zudem sollen auch die Gesundheitssysteme der Herkunftsländer von der internationalen Migration von Gesundheitspersonal profitieren. Um die Umsetzung des WHO-Kodex zu prüfen, legen die Mitgliedstaaten und nichtstaatliche Akteure der WHO in regelmäßigen Abständen Berichte über die internationale Migration und Mobilität von Gesundheitspersonal vor.

Schlechtes Zeugnis für Deutschland

Im Rahmen der diesjährigen Abfrage durch die WHO stellt Brot für die Welt ein schlechtes Zeugnis für Deutschland aus. Der Fokus liegt zu sehr auf der Rekrutierung von ausländischem Gesundheitspersonal statt auf den Aufbau und Erhalt des eigenen Personalbestands. Das belegen fünf neue staatliche Anwerbeprogramme mit Jordanien, Indonesien, dem Bundesstaat Kerala in Indien, Mexiko und Philippinen, drei neue bilaterale Abkommen mit Mexiko, Indonesien und Indien seit 2022 sowie stark gestiegene Zahlen an ausländischem Gesundheitspersonal in deutschen Krankenhäusern und in der Altenpflege. Die massive Abwanderung von Gesundheitsfachkräften nach Deutschland führt zu einer Schwächung der Gesundheitssysteme in Herkunftsländern und gefährdet dort im schlimmsten Fall sogar Leben.

Zwar erreicht die Bundesregierung im Rahmen ihrer Anwerbeinitiativen einen Schutz für die angeworbenen Menschen. So müssen Fachkräfte über staatliche Programme nicht für Sprachkurse oder Visagebühren aufkommen und sie erhalten bereits zu Beginn der Vermittlung Informationen zur Erwerbsmigration nach Deutschland, um eine souveräne Entscheidung treffen zu können. Allerdings ist die entwicklungspolitische Komponente nicht ausreichend beachtet. Die überwiegende Mehrheit der deutschen Anwerbeprogramme – ob öffentlich oder privat – vernachlässigt die Herkunftsländer. Dies ist beispielsweise bei den bilateralen Anwerbeabkommen, die die Bundesagentur für Arbeit im Auftrag der Bundesregierung verhandelt, zu beobachten. Es ist keine Gesundheitssystemstärkung für die Herkunftsländer vorgesehen. So werden als Gegenleistung beispielsweise keine finanziellen Mittel bereitgestellt, um eine flächendeckende Gesundheitsversorgung in den Herkunftsländern aufbauen, kontinuierlich Gesundheitspersonal für den lokalen Bedarf schulen, eine moderne Infrastruktur einrichten oder eine zuverlässige Versorgung mit medizinischen Produkten und Technologien gewährleisten zu können. Das Gleiche gilt für private Personalvermittlungsagenturen, die die Belange der Herkunftsländer nicht im Blick haben.

Fokus auf Aufbau und Erhalt des Personalbestands in Deutschland

Um gar nicht dem Druck ausgesetzt zu sein, ausländische Gesundheitsfachkräfte zu rekrutieren, sollte die Bundesregierung nach Ansicht von Brot für die Welt vorwiegend die Strukturen und Arbeitsbedingungen im deutschen Gesundheitswesen verbessern. Ähnlich formuliert es der Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen und in der Pflege in seinem diesjährigen Gutachten Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource: „Die Behebung der [strukturellen] Schwächen [im deutschen Gesundheitssystem] sollte im Mittelpunkt der gesundheitspolitischen Bemühungen stehen, weil die bloße weitere Erhöhung der Anzahl der Beschäftigten teuer ist, aufgrund der demografischen Entwicklung nicht realistisch erscheint und den Erhalt ineffizienter Strukturen fördert.“   

Zudem drängt Brot für die Welt darauf, die Herkunftsländer, wie vom WHO-Kodex gefordert, stärker in den Fokus zu nehmen. So sollte die Bundesagentur für Arbeit bei der Entstehung von bilateralen Abwerbeabkommen mit anderen Ländern verpflichtend mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und unabhängigen zivilgesellschaftlichen Organisationen aus den Herkunftsländern kooperieren, damit die Interessen der Länder des Globalen Südens stärker berücksichtigt werden. Zudem hat das BMZ im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit die internationale Verantwortung, seine finanziellen Mittel für Gesundheitssystemstärkung und Personalförderung in den Partnerländern zu erhöhen. Auch deshalb ist keine Zeit für Kürzungen im Haushalt des BMZ.

 

Der Bericht von Brot für die Welt im Rahmen des diesjährigen „Independent Stakeholders Reporting Instrument“ der WHO ist hier zu lesen. Er fließt in die Berichterstattung der WHO für die 78. Weltgesundheitsversammlung im Mai 2025 ein und wird auf der Webseite der WHO veröffentlicht.

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