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COP29: Minimalkonsens mit maximalen Konsequenzen

Die UN-Weltklimakonferenz COP29 in Baku hätte ein Meilenstein für die globale Klimagerechtigkeit sein können. Stattdessen brachte sie vor allem Enttäuschung. Mit dem Beschluss eines neuen Globalziels zur Klimafinanzierung wurde ein Minimalkonsens erreicht, der den immensen Herausforderungen der Klimakrise nicht gerecht wird.

Von Sabine Minninger am
COP29 Proteste Klimafnanzierung

Proteste für mehr Verantwortung, auch bei den Finanzen - junge Klimaaktivist:innen bei der COP29 in Baku

Bei dem diesjährigen Klimagipfel COP29 in Baku standen die Verhandlungen um ein neues globales Klimafinanzierungsziel (New Collective Quantified Goal, kurz: NCQG) im Zentrum. Bisher lag dieses Ziel bei 100 Milliarden US-Dollar, die die Industrieländer jährlich für den Zeitraum 2020 bis 2025 zu mobilisieren zugesagt hatten. In den ersten beiden Jahren war ihnen das nicht gelungen. Erst 2022 haben sie die 100 Milliarden-Marke geknackt, mit kreativen Anrechnungsmethoden.

Das beschlossene NCQG erkennt die enormen Finanzbedarfe der Entwicklungsländer von mindestens 5 Billionen US-Dollar bis 2030 zwar an, setzt diesen jedoch eine vergleichsweise geringe Zusage entgegen. Bis 2035 soll die Klimafinanzierung auf mindestens 300 Milliarden US-Dollar jährlich steigen – ein Wert, der nach Verrechnung der Inflation nicht einmal einer Verdopplung des aktuellen Niveaus entspricht. Die fehlende Ambition zeigt sich besonders im Vergleich zu den Forderungen der Entwicklungsländer, die mindestens 1,3 Billionen US-Dollar jährlich verlangen, um Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel sowie die Bewältigung von Verlusten und Schäden zu finanzieren.

Verluste und Schäden bleiben ausgeklammert

Während die Industrieländer das Finanzierungsziel von 300 Milliarden US-Dollar als Fortschritt verkaufen, ist klar: Der Betrag reicht weder für den Ausbau Erneuerbarer Energien noch für dringend notwendige Anpassungsmaßnahmen. Auch fehlen quantifizierte Unterziele für spezifische Themen wie Anpassung sowie eine prozentuale Zuordnung für besonders gefährdete Ländergruppen wie die kleinen Inselstaaten oder die am wenigsten entwickelten Länder.

Auch die Bewältigung von Verlusten und Schäden bleibt weiterhin ausgeklammert – eine besonders bittere Nachricht für die ärmsten und verletzlichsten Länder, die bereits heute massiv unter den Folgen der Klimakrise leiden. Die Blockade der Industriestaaten konnte nicht durchbrochen werden, sie bestanden darauf, für die immer teurer werdenden Klimaschäden nicht finanziell verantwortlich zu sein. Diese Gerechtigkeitslücke muss dringend geschlossen werden, um humanitäre Katastrophen und eventuelle kriegerische Auseinandersetzungen um knapper werdende Ressourcen zu minimieren.

Kredite statt Gerechtigkeit

Besonders problematisch ist, dass die 300 Milliarden US-Dollar nicht ausschließlich aus Zuschüssen bestehen müssen. Stattdessen sollen auch Kredite, etwa von Entwicklungsbanken, und mobilisierte Privatsektorfinanzierungen einbezogen werden. Dies birgt die Gefahr, dass ohnehin schon überschuldete Länder weiter in die Schuldenfalle geraten. Insbesondere für Anpassungsmaßnahmen und die Bewältigung von Klimaschäden sind Kredite ungeeignet, da sie im Vergleich zum Ausbau der Erneuerbaren Energien kein lukratives Geschäftsmodell bieten, sondern ein Verlustgeschäft an der Frontlinie des Klimawandels sind. Private Investitionen können diese Lücke kaum schließen, da sie selten mit sozialen und ökologischen Prioritäten vereinbar sind.

Ein weiteres Problem des neuen Ziels: Die Verantwortung der Industrieländer wurde verwässert. Die Industriestaaten sollen laut Beschluss eine „Führungsrolle“ übernehmen, doch klare Verpflichtungen fehlen. Andere Länder wie China und die reichen Golfstaaten werden lediglich „ermutigt“, freiwillig beizutragen. Diese vage Formulierung spiegelt die anhaltenden geopolitischen Spannungen wider, während innovative Ansätze, wie die Einbindung des Verursacherprinzips oder neue Finanzierungsquellen wie CO2-Steuern und Abgaben, vollständig ausgeklammert werden. Dabei hatten die G20-Staaten während der COP ein positives Signal für die Einführung einer Milliardärssteuer gegeben – ein potenzieller Game-Changer, der leider im Beschlusstext keine Berücksichtigung fand. Daher birgt der Beschluss die Gefahr, dass letztlich niemand wirklich in die Pflicht genommen wird.

Hoffnung auf den „Baku to Belém“-Fahrplan?

Immerhin sieht die COP29-Entscheidung zum NCQG die „Baku to Belém-Roadmap“ vor, einen Bericht, der bis zur COP30 vorliegen soll über konkrete Maßnahmen, wie die geforderten 1,3 Billionen US-Dollar erreicht werden können. Positiv ist auch, dass das NCQG 2030 überprüft werden soll. Dies könnte eine Chance bieten, die bisherigen Schwächen zu korrigieren – vorausgesetzt, die Staaten zeigen dann mehr Bereitschaft zu ambitionierten Entscheidungen. Denn dieser Fahrplan bleibt vage und unverbindlich. Ohne klare Mechanismen und verbindliche Zusagen droht auch dieser Ansatz, lediglich ein Lippenbekenntnis zu bleiben.

Fazit: Die COP29 als verpasste Chance

Bereits im Abschlussplenum hagelte es Kritik. Viele Staaten prangerten die intransparenten Verhandlungsprozesse unter der aserbaidschanischen Präsidentschaft an. Zivilgesellschaftliche Organisationen weltweit mahnen, dass die festgelegte Summe nicht annähernd ausreiche, um die Klimakrise wirksam zu bekämpfen, und die ärmsten Staaten den Klimawandel nun selbst finanzieren müssen. Die breite Palette zulässiger Finanzierungsformen wurde hierbei kritisiert. Sie könnte dazu führen, dass vor allem private und kreditbasierte Mittel bevorzugt werden, während klimavulnerable Staaten in immer größere finanzielle Abhängigkeit geraten. Die COP29 hinterlässt daher einen bitteren Nachgeschmack. Zwar wurde ein neues Klimafinanzierungsziel beschlossen, doch es fehlt an Substanz und an Gerechtigkeit. Für eine gerechte und effektive Klimafinanzierung braucht es mehr: klare Verpflichtungen, innovative Finanzierungsquellen und ein starkes Bekenntnis zum Verursacherprinzip.

Die Entscheidung, Aserbaidschan die Präsidentschaft der COP29 anzuvertrauen, war von menschenrechtlicher und zivilgesellschaftlicher Perspektive erheblich kritisiert worden. Mit Aserbaidschan wurde bereits das dritte Mal in Folge ein Land mit starkem Fokus auf fossile Energieexporte und autokratischen Strukturen Gastgeber der Klimakonferenz. Das Land zählt gemäß dem Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt zu den repressiven Staaten, in denen grundlegende Freiheiten wie die Meinungs-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit massiv eingeschränkt werden. Angesichts der zentralen Rolle der Zivilgesellschaft bei der Gestaltung einer gerechten Klimapolitik ist diese Entscheidung besonders problematisch.

Klimakonferenzen sind keine technokratischen Plattformen

Aus der Perspektive von Brot für die Welt ist es essenziell, dass Klimakonferenzen nicht nur technokratische Plattformen bleiben, sondern auch Räume, in denen Gerechtigkeit und Menschenrechte eine zentrale Rolle spielen. Die UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) sollte zukünftig bei der Vergabe von COP-Präsidentschaften neben Kriterien wie Sicherheit und gesundheitliche Risiken auch die Menschenrechtslage eines Landes berücksichtigen.

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