Herr Fünfgelt, vom 4. bis 6. September findet in Nairobi zum ersten Mal der „Africa Climate Summit“ statt. Warum?
Der kenianische Präsident William Ruto hat dazu zusammen mit der Afrikanischen Union eingeladen, um afrikanische Staaten und Zivilgesellschaft des Kontinents zusammenzubringen. Das Ziel ist, eine gemeinsame afrikanische Klima- und Entwicklungsagenda zu erarbeiten. Also Leitlinien dazu, wie sich afrikanische Staaten in der Klimakrise aufstellen.
Worum geht es bei diesen Leitlinien?
Um Resilienz, Klimafinanzierung, aber auch um Klimaschutz und Chancen rund um Erneuerbare Energien und grüne und nachhaltige Industrien. Wie will Afrika diese Chancen nutzen und was erwartet es dazu von internationalen Partnern?
Wie groß wird dieser Gipfel sein – ist das eine große Nummer oder eine Fachkonferenz mit zwei Räumen?
Das ist eine richtig große Nummer. Das Konferenzzentrum im Zentrum von Nairobi wird aus allen Nähten platzen. Afrikanische Staaten sind mit ihren Regierungschefs vertreten, außerdem viele internationale Regierungen und Gäste sowie die Zivilgesellschaft. Für den Kontinent hat die Konferenz eine sehr große Bedeutung. Entsprechend ist auch das internationale Interesse.
Was wird Ihre Aufgabe dort sein?
Es wird ein afrikanischer Gipfel sein. Deshalb werden auch Akteurinnen und Akteure aus Afrika die Hauptrolle spielen. Meine Aufgabe wird sein, den Gipfel zu beobachten und im zivilgesellschaftlichen Bündnis Einfluss zu nehmen für mehr Energiegerechtigkeit. Denn es ist wichtig, dass auch die deutsche Zivilgesellschaft vertreten ist. Auch die Bundesregierung wird ebenfalls vor Ort sein, Gespräche führen und wohl auch die eine oder andere Partnerschaft oder Förderprogramm initiieren. Wir wollen sehen: Passt das, was die Bundesregierung anbietet, zu dem, was insbesondere unsere zivilgesellschaftlichen Partner fordern? Natürlich ist der Gipfel für uns auch eine gute Gelegenheit, mit unseren Partnern abzustimmen und Strategien insbesondere mit Blick auf die globale Klimakonferenz Ende des Jahres in Dubai zu diskutieren.
„600 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu Elektrizität“
In einem Papier zum Gipfel, das Sie gemeinsam mit Germanwatch und Misereor verfasst haben, (siehe auch unten) schreiben Sie: „Der Gipfel hat das Ziel, Länder im Rahmen einer ambitionierten Klimapolitik zusammenzuführen und neue Allianzen für gemeinsames Handeln unter Anerkennung des Prinzips der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortung zu schaffen.“ Was heißt das konkret?
Die Klimakrise ist global. Egal wo Emissionen entstehen, heizen sie das Klima weiter an. Es bringt wenig, wenn ein paar Akteure etwas tun und der Großteil nicht. Deshalb gibt es eine globale Verantwortung zu handeln. Die Verantwortung ist aber dennoch unterschiedlich. Das hat mehrere Gründe. Zum ersten einen historischen Grund: Länder haben unterschiedlich viel zu dieser Krise beigetragen. Insbesondere reiche Staaten haben die Klimakrise verursacht, Deutschland steht auf Platz sechs der historisch verursachten Emissionen. Der Anteil des afrikanischen Kontinents liegt insgesamt bei unter drei Prozent. Darin liegt die große Ungerechtigkeit der Klimakrise: Diejenigen, die am meisten unter der Klimakrise leiden, haben am wenigsten dazu beigetragen. Der zweite Grund: Nicht alle Länder haben die gleichen Mittel und Möglichkeiten, gegen die Krise zu kämpfen. Während reiche Staaten wie Deutschland über Technologien und finanzielle Mittel verfügen, sich an die Klimakrise anzupassen und in Klimaschutz zu investieren, fehlen diese finanziellen und technologischen Möglichkeiten häufig im Globalen Süden. Trotzdem haben viele afrikanische Staaten den Anspruch, Teil der Lösung zu sein, und streben daher neue Partnerschaften an, die sie dabei unterstützen.
In dem Artikel steht außerdem: „Das Selbstverständnis ist, dass die Bekämpfung der Klimakrise eine Chance darstellt, auch wenn der Kontinent bereits jetzt erheblich unter den Auswirkungen leidet.“ Welche Chance liegt in der Krise und wie kann Deutschland dabei unterstützen?
Die größte Herausforderung in Sachen Energie für den afrikanischen Kontinent ist im Moment, die Bevölkerung bei stark steigender Energienachfrage mit Energie zu versorgen. Noch immer haben 600 Millionen Menschen in Afrika keinen Zugang zu Elektrizität. Und noch deutlich mehr Menschen kochen mit offenem Feuer. Erstmal für diese Menschen Energiezugang zu schaffen, ist das vorherrschende Problem und nicht der Wechsel von Kohle und Gas zu Erneuerbaren. Wir sprechen da vor allem vom ländlichen Raum, wohin keine Stromnetze kommen. Da sind Erneuerbare eine große Chance: Sie können dezentral aufgebaut werden, brauchen keine Netze und können die Menschen schnell mit Energie versorgen. Neben diesem Aspekt hat Afrika enorme Potentiale bei Sonne, Wind und Land. Auf dem Kontinent kann sehr viel zugebaut und sehr günstig Strom produziert werden. Das kann den Aufbau von grünen Industrien auf der Basis der Erneuerbaren ermöglichen. Damit könnte Afrika sich mit Hilfe der Erneuerbaren Energien auch industriell weiterentwickeln.
„Ich gehe mit Zuversicht in diesen Gipfel“
Welche Unterstützung erwarten Sie von der Bundesregierung?
Zum einen gezielte finanzielle Unterstützung für den Ausbau der Erneuerbaren mit Blick auf Energiezugang, da müsste es jetzt mal neue Ankündigungen geben. Gleichzeitig muss klargestellt werden, dass die Bundesregierung keinerlei fossile Projekte mehr unterstützt. Zum anderen braucht es Technologie-Transfer und Ausbildung. Und darüber hinaus erwarten wir strukturelle Veränderungen. Zum Beispiel einen Schuldenerlass. Denn die Tilgung von Schulden nehmen teils so einen großen Teil in den Staatshaushalten ein, dass Investitionen in Erneuerbare kaum möglich sind. Es braucht aber auch internationale Finanzinstrumente, auf die afrikanische Staatschefs hinarbeiten.
Welche?
Wichtige Instrumente, die Deutschland mittragen sollte, sind zum Beispiel gezielte Steuern auf Sektoren wie den Luft- und Seeverkehr, die weltweite Abschaffung von Subventionen für fossile Brennstoffe oder die Einführung einer globalen CO2 Steuer. Wie vom kenianischen Präsidenten Ruto vorgeschlagen sollte diskutiert werden, ob diese globalen Steuern gebündelt und die Einnahmen gemäß global vereinbarter Kriterien an Staaten verteilt werden.
In der öffentlichen Debatte ist gerade viel von Dekolonialisierung die Rede: Afrikanische Staaten wollen sich von ihrer kolonialen Vergangenheit emanzipieren. Auf der anderen Seite gibt es die Sorge, dass sich mit dieser Transformation koloniale Abhängigkeiten erhalten oder sogar noch verstärken können. Reisen Sie mit Optimismus nach Kenia oder mit Pessimismus?
Ich gehe mit Zuversicht in diesen Gipfel. Von afrikanischer Seite nehme ich eine Aufbruchstimmung wahr. Ich habe die Hoffnung, dass sich eine starke afrikanische Erklärung und wegweisende neue Partnerschaften ergeben, die einen zukunftsfähigen Weg für den afrikanischen Kontinent aufzeigen. Gleichwohl sind einige unserer zivilgesellschaftlichen Partner besorgt, dass der Gipfel von westlichen und fossilen Interessen bestimmt werden wird. Über 400 afrikanische NGOs haben jüngst einen öffentlichen Brief verfasst, in dem sie unter anderem einen Fokus auf Erneuerbare Energien in Afrika fordern, ein Ende aller neuen fossilen Projekte, einen Fokus auf afrikanische Interessen und Prioritäten sowie eine angemessene internationale Klimafinanzierung. Was internationale Committments angeht, bin ich weniger optimistisch. Wir müssen weiter daran arbeiten, die Dynamik, die von afrikanischer Seite ausgehen kann, von internationaler Seite zu unterstützen, ohne den Gipfel dominieren zu wollen. Wenn das gelingt, kann dieser Gipfel ein Erfolg werden.