Im Jahr 2024 haben sich die Anträge zum Schwerpunkt Dekolonialität im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Unter anderem werden globale Fragestellungen behandelt, wie etwa koloniale Spuren im Kontext von Klimagerechtigkeit und Tourismus, die Darstellung des Fremden im Sinne rassistischer Ästhetik sowie die koloniale Geschichte Deutschlands und Europas im städtischen Alltag.
In unterschiedlichsten Formaten – wie Podcasts, Zeitschriften, Stadtrundgängen und Bildungsveranstaltungen für Schüler*innen und Multiplikator*innen – wird der eurozentrische Wissenskanon hinterfragt und Raum für Dialog geschaffen, auch auf politischer und unternehmerischer Ebene. In den Projekten geht es insbesondere darum, Raum für Stimmen aus dem politischen Globalen Süden als auch Verantwortungsbewusstsein in der lokalen deutschen Gesellschaft zu schaffen, um die geteilten Realitäten der Betroffenen sichtbar zu machen. Denn vieles, was in der Zusammenarbeit unternommen werden muss, bezieht sich auf Auswirkungen und Folgen des Kolonialismus im geographischen Globalen Süden.
Der Schwerpunkt und die Förderung von Zusammenarbeit in Deutschland
In diesem Jahr konnten wir thematische Veränderungen der Projekte im Vergleich zu den Anträgen aus dem Jahr 2023 beobachten. Die innovative Herangehensweise und der kritische Blick auf asymmetrische Machtverhältnisse im Sinne historischer Unterdrückung betroffener Personengruppen und deren Widerstände werden von uns herzlich begrüßt. Diesen Perspektivwechsel bewerten wir als wertvoll für die entwicklungspolitische Zusammenarbeit (EPZ) und Bildung in Deutschland.
Die Trägerlandschaft ist vielfältig: Kirchliche Organisationen, Landesnetzwerke der Einen Welt sowie migrantische und diasporische Organisationen haben 2024 ca. insgesamt 65 Anträge mit dem Schwerpunkt Dekolonialität bei Brot für die Welt eingereicht. Diese Anträge sowie der Austausch mit den Trägern zeigen uns, unter anderem, wie herausfordernd der Weg der Dekolonialität ist und wie viel Einsatz durch eine weitere Förderung der EPZ in Deutschland noch erreicht werden kann.
Wer sind die Träger, die die Arbeit leisten?
Im Jahr 2024 hatte die Inlandsförderung erneut die Chance, sich mit den vielen Perspektiven der Träger und deren bereichernden Projekten zu beschäftigen. Die Antragstellenden sind die, die die entscheidende Arbeit leisten und unsere höchste Wertschätzung haben. Alle Träger zu nennen und vorzustellen, wäre eine lange Auflistung, auf die wir hinarbeiten möchten. Daher beginnen wir jetzt mit ein paar inspirierenden Beispielen aus dieser umfangreichen Liste:
- Das Institut für Mission und Ökumene der evangelischen Kirche von Westfalen hinterfragt koloniale Kontinuitäten im kirchlichen Kontext im Rahmen historischer, theologischer und wirtschaftlicher Handelsprozesse. Im Projekt „Koloniale Kontinuitäten in der Kirche und dekoloniale Perspektiven gemeinsam verstehen und diskutieren“ sollen drei Seminare für Multiplikator*innen in und außerhalb der Kirchenarbeit stattfinden. Die Seminare legen einen Fokus auf die Folgen von Mission und Kolonialismus in Namibia und Südafrika sowie auf koloniale Kontinuitäten von Rohstoffgewinnung in Lieferketten in beiden Ländern.
- Weitere Organisationen, die sich mit dem Thema Klimagerechtigkeit im Sinne gleichberechtigter Handelspraktiken beschäftigen, sind zum einen das Bremer entwicklungspolitische Netzwerk e.V. (BeN) unter anderem mit der Fortbildung und Veranstaltungsreihe für jüngeres Engagement, in der sich auch engagierte Stakeholder und politische Entscheidungsträger*innen zum Thema (De)Kolonialismus in Bremen austauschen werden. Zum zweiten der Träger Mobile Bildung e.V. aus Hamburg mit dem Projekt „Decolonize Trade - Handel auf Augenhöhe?“, in dem Hamburger Start-ups und Unternehmen in die Diskussion miteinbezogen werden, um die Umsetzung von Dekolonialisierungsprozessen zu reflektieren.
- Erwähnenswert sind nicht zuletzt die Publikationen, auf die wir uns schon jetzt freuen können. Etwa die kommenden Ausgaben der Zeitschrift MIGRANTh vom Träger ANSOLE e.V. aus Jena, die 2025 veröffentlicht werden. Die Zeitschrift bringt die Realitäten, Erfahrungen und Expertise von Menschen aus dem politischen Globalen Süden und Black and Indigenous People zu Gehör. Zudem soll der dekoloniale Reiseführer des Tanzania Network e.V. veröffentlicht werden, der nicht nur für Tourist*innen aus dem Globalen Norden zum Einsatz kommen wird, sondern auch für die Vorbereitung von nach Tanzania reisenden Multiplikator*innen und Freiwilligen.
Wir bedanken uns herzlich dafür, dass wir diese zukunftsblickenden Projekte miterleben dürfen, und freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit im kommenden Jahr und die vielen Anträge, die den Weg zu uns finden werden.