Herr Prado, in Brasilien findet 2025 die UN-Klimakonferenz statt. Wie bereiten sich die ASPTA und zivilgesellschaftliche Gruppe darauf vor? Welche Rolle können agrarökologische Prinzipen spielen?
Wir sehen die COP 30 im nächsten Jahr in Belém als einen strategischen Moment für die Zivilgesellschaft und die agrarökologische Bewegung. Deshalb strategisch, weil Präsident Lulas offen ist für den Dialog mit zivilgesellschaftlichen Gruppen und diesen zu einer grundlegenden Achse in diesen internationalen Räumen macht. Beim vergangenen G20-Gipfel in Rio konnte wir beobachten, dass es einen Raum für die Zivilgesellschaft gabe – den Sozialgipfel. Hier wurde von diversen zivilgesellschaftlichen Akteuren mehr Engagement im Kampf gegen Hunger, Ungleichheit und den Klimawandel gefordert. Bei der COP 30 soll die zivilgesellschaftliche Beteiligung größer sein als bei den bisherigen Klimaverhandlungen, deren Ergebnisse eher beklagenswert waren. Die dringend benötigten Lösungen müssen von den sozialen Bewegungen, von den Ideen und Erfahrungen der Zivilgesellschaft ausgehen. Deshalb freuen wir uns sehr darauf, dass die COP 30 in Belém stattfinden wird.
Was erhoffen Sie sich konkret?
Wir werden dort einen besonderen Raum haben, den People's Summit: Dort hoffen wir auf das große Zusammenkommen der brasilianischen Zivilgesellschaft, der sozialen Bewegungen, der Umweltbewegungen, der Landrecht-Bewegungen, aber natürlich auch auf einen Raum für die Agrarökologie. Ausgehend vom People's Summit und den Beiträgen der Agrarökologie zu den Diskussionen rund um die COP richtet sich unsere Aufmerksamkeit zunächst auf die Betrachtung von Lebensmitteln und nachhaltigen Ernährungssystemen, die sich an der Logik der jeweiligen Regionen orientieren. In Brasilien haben wir außerdem das Problem der Entwaldung, das die größte Ursache für die Treibhausgasemissionen in diesem Land ist. Natürlich gibt es auch die Auswirkungen des Erdöls und der fossilen Brennstoffe insgesamt, aber auch hier kann die Agrarökologie eine Rolle spielen, denn Agrarökologie bedeutet, den Einsatz von chemischen Düngemitteln, Pestiziden usw. zu reduzieren. Auf der COP können wir dies als Lösungen präsentieren, als einen Beitrag der ökologischen Bewegung, nicht nur der ASPTA, sondern aller Organisationen. Wir können zeigen, wie wir ausgehend von den jeweiligen Regionen und Ländern Lösungen für die Ernährungssysteme entwickelt haben. Ich glaube, die Lösungen müssen von der Zivilgesellschaft kommen.
Sie sind seit 13 Jahren Projektkoordinator bei ASPTA. Wie arbeitet Ihre Organisation?
ASPTA gibt es jetzt seit 40 Jahren. Die ASPTA ist eine der ersten Organisationen in Brasilien, die nach agrarökologischen Konzepten gearbeitet hat, die im Laufe der Zeit weiterentwickelt wurden. In den 1990er Jahren wurde das Konzept der Agrarökologie konsolidiert. Wir sind eine Organisation, die immer in verschiedenen Regionen des Landes gearbeitet hat mit dem Ansatz, mit den jeweils spezifischen Kenntnissen der Landwirte zu arbeiten und diese wertzuschätzen. Dort geht es darum, Netzwerke aufzubauen. Aus agrarökologischer Sicht muss dies jeweils durch die Logik der jeweiligen Regionen betrachtet werden. Derzeit haben wir drei lokale Programme in verschiedenen Ökosystemen, eines im Süden Brasiliens, im Bundesstaat Paraná, ein weiteres in Borborema, einem Gebiet in Paraíba, der semiariden Region Brasiliens. Ja, und das städtische Landwirtschaftsprogramm in Rio de Janeiro, wo sich auch der Hauptsitz des ASPTA befindet. Heute sind regionale oder territoriale Ernährungssysteme unser Thema. Die Verkürzung von Entfernungen und die Achtung lokaler Kulturen und Essgewohnheiten ist eine Herausforderung, wenn man an ein Land mit kontinentalen Ausmaßen wie Brasilien denkt, das mehrere Biome und verschiedene Ernährungskulturen hat. Die Agrarökologie ist sowohl im Bereich der Anpassung als auch im Bereich der Abschwächung des Klimawandels angesiedelt. Und sie prangert den Hauptverursacher von Treibhausgasen in Brasilien an, nämlich die Agrarindustrie und die von ihr verursachte Abholzung der Wälder. Diese Ansätze stehen, wie schon gesagt auf unserer Agenda für die COP 30.
Die Lula-Regierung hat das Programm der Saatgutaufkäufe wieder begonnen. Was bedeutet dieses Programm für Bäuerinnen und Bauern? Wie bewertet ASPTA dieses Programm? Kann es Vorbild sein?
Ja, dieses Programm ist in das nationale Nahrungsmittelerwerbsprogramm eingebettet, das Programa de Aquisição de Alimentos. Es wurde zu Beginn der 2000er Jahre entwickelt und jetzt wieder aufgenommen. Der Vorschlag von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus der agrarökologischen Bewegung war damals, dass die Regierung damit beginnen sollte, Lebensmittel direkt von landwirtschaftlichen Betrieben zu kaufen und an öffentliche Einrichtungen zu verteilen oder auch an Familien in unsicherer Ernährungslage. Das Programm ist vom nationalen Schulspeisungsprogramm inspiriert, das gezielt landwirtschaftliche Produkte für Schulen aufkauft. Neben dem PAA-Nahrungsmittelbeschaffungsprogramm gibt es als weiteres Instrument das Saatgutprogramm. Es gibt in Brasilien viele Netzwerke von Saatgutbanken, die von bäuerlichen Familienorganisationen selbst verwaltet werden und die Agrobiodiversität erhalten. Sie retten so ihr historisches Saatgut. Dieses Saatgutprogramm ist auch eine Möglichkeit, die Agrobiodiversität und die biologische Vielfalt des Saatguts zu würdigen, da man direkt von den Bauern kauft, um es an andere Bauern weiterzugeben. Es ist also nicht nur wichtig für die Schaffung von Einkommen für die einzelnen Bauernfamilien, sondern auch direkt für die Erhaltung und den Schutz der Agrobiodiversität. Was wir sehen, ist einerseits ein Verständnis der Bauernfamilien für Gemeingüter, zu denen sie historisch Zugang haben, und andererseits die Vorstellung, dass alles zur Ware gemacht werden muss, auch das Saatgut. Und genau darauf liefern die agrarökologischen Saatgutbanken Antworten im Sinne des Gemeinwohls. Zusammenfassend gibt es viele positive Auswirkungen: Saatgut, das die Ernährungssicherheit gewährleistet, die Armut verringert, weil es Einkommen schafft, und die biologische Vielfalt bewahrt. Aber es ist auch klar, dass es immer eine Bedrohung durch das Agrobusiness gibt, das diese Art und Weise, Saatgut zu sammeln, Saatgutbanken aufzubauen und diesen Vertrieb unter den Bauern zu haben, ohne jeden Verkauf, nicht will. Das Agrobusiness steht für den Einsatz von durch Patente gesichertes, gentechnisch verändertes Saatgut in den riesigen industriellen Monokulturen, das obendrein Pestizide braucht. Durch Kontamination droht eine stetige Gefahr für Mensch und Agrarökologie.
Das Projekt „Zukunft gestalten: Gerechte und agrarökologische Transformation der Ernährungssysteme in der semiariden Region des Nordosten Brasiliens“ von Brot für die Welt und der Partnerorganisation ASPTA wird gefördert vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft.