Als ich im Flugzeug auf dem Weg nach Kambodscha saß, stellte ich mir die kommenden zwölf Monate als Freiwilliger in etwa so vor: Bei der Ankunft würde ich zunächst, vom Kulturschock überwältigt, eine Weile brauchen, bis ich mich in dieser fremden Welt zurechtfinde. Müsste aufpassen, dass mich die Millionenstadt Phnom Penh mit ihren vielen Eindrücken im Chaos verschlingt. Mein komplett neuer Alltag sowie die sprachliche und kulturelle Barriere zu meiner Umwelt wären eine große Herausforderung. Dazu kämen auch die Erwartungen, die meine Organisation sowie meine Gastfamilie an mich hätten. Insgesamt hatte ich die Vorstellung, dass ich in diesem Jahr immer wieder neue Schwierigkeiten zu überwinden hätte und immer wieder “ins kalte Wasser springen” müsste. Bei der Anreise habe ich das mit eher neutraler Aufregung betrachtet. Sowas wäre zwar sicher nicht angenehm, aber doch auch Teil der Erfahrung und des Charms eines solchen Auslandsjahres.
Inzwischen habe ich jedoch das Gefühl, dass ich von dem ganzen auf Wohl oder Übel verschont wurde. Meine Zeit hier würde ich immer noch als spannend und lehrreich bezeichnen, aber wenn ich hier auf irgendwelche größeren Herausforderungen gestoßen sein sollte, muss ich sie übersehen haben.
Untergebracht bin ich bei einer Gastfamilie in Tuol Tompoung. Das Viertel ist chaotisch, touristisch und irgendwie kleiner, fernab der Wolkenkratzer. Hier habe ich alle Arten von Annehmlichkeiten in direkter Nähe – was Angebot und Bequemlichkeit angeht definitiv ein Upgrade verglichen mit meinem Heimatdorf. In der Familie, die hier mit vier Generationen und ein paar Papageien eine traditionelle, aber geräumige Wohnung hat, wurde ich von Anfang an herzlich aufgenommen. Netterweise darf ich hier von der traditionellen Küche im Überfluss kosten, die zwar schmeckt, aber bisweilen doch (gerade als Ex-Vegetarier) etwas Überwindung erfordert. Verständigung ist auch kein Problem, mit Englisch oder ein paar Brocken Khmer komme ich meistens ans Ziel, und sonst hat so eine Unterhaltung mit Händen und Füßen auch ihren Reiz. Mit meinem Gastbruder verstehe ich mich besonders gut, wir teilen viele Interessen und aktuell bringe ich ihm Gitarre bei.
In der Woche geht der Wecker um kurz nach sieben. Bei nur 5 Minuten Weg zur Arbeit reicht das komplett, um nach etwas Brot und Kaffee um acht im Office zu sitzen. Bis halb neun ist auch der Rest der Kollegen gemütlich eingetroffen. Meine Aufgabe hier ist meistens das Editen von englischen Dokumenten. Das kann zwar auch mal ein bisschen eintönig sein, aber einerseits behandeln die Texte oft spannende Themen, und andererseits ist es eine sinnvolle und hilfreiche Beschäftigung, für die ich bestens geeignet bin. Außerdem werde ich dazu noch ein paar mal im Monat auf spannende Field Trips auf Land mitgenommen, wo ich wiederum dank Sprachbarriere größtenteils nutzlos bin. Somit bin ich insgesamt weder überfordert noch gelangweilt, und lerne nebenbei auch viel.
Alles in Allem hat sich bei mir hier so nach etwas Eingewöhnung ein sehr regelmäßiger und auch bequemen Alltag eingestellt. Die Arbeit macht Spass und Zuhause kann ich mich neben Zeit mit der Familie auch ungestört auf meine Hobbys konzentrieren. Sollte ich mehr Aufregung wollen, müsste ich schon aktiv danach suchen. Ob ein Freiwilligendienst jetzt so oder anders aussieht, hängt natürlich sehr vom Wohn- und Einsatzort ab, und ob man sich das so wünscht, ist nochmal was anderes. Aber als Fazit würde ich jedenfalls festhalten, dass ein Freiwilligendienst zwar auf jeden Fall spannend ist, sich den Umständen entsprechend aber auch sehr entspannt bequem gestalten kann.