Kurz nach meinem letzen Blogbeitrag habe ich die Entscheidung getroffen, meine Arbeit bei meiner Einsatzstelle Voces Nuestras zu beenden und bei der Lutherischen Kirche in Costa Rica (Iglesia Luterana Costarricense, ILCO) einzusteigen. Bei Voces Nuestras habe ich sehr viel Interessantes und Wertvolles gelernt – über Journalismus, Menschenrechte und die Rechte indigener Völker. Das hat meine Arbeit dort sehr spannend gemacht. Allerdings arbeiten die Mitarbeitenden hauptsächlich im Homeoffice und daher hatte ich für meine Bedürfnisse zu wenig Kontakt zu den Menschen hier und habe auch nur wenig Spanisch gesprochen. Dadurch konnte ich die Kultur und die Geschichten der Menschen nicht so kennenlernen kann, wie ich es mir vorgestellt hatte. Auch konnte ich meine Sprachkenntnisse wenig weiterentwickeln. Zwar habe ich schon vor meiner Ausreise sehr gut Spanisch gesprochen, da meine Mutter aus El Salvador kommt. Aber gerade weil die Sprache dadurch einen sehr großen emotionalen Wert für mich hat und mich mit meiner Familie verbindet, habe ich mir gewünscht, sie noch deutlich öfter zu sprechen.
Diese zwei Punkte sind mir immer klarer geworden, wobei vor allem das Zwischenseminar eine große Rolle gespielt hat. Der Austausch mit anderen Freiwilligen und meiner Mentorin Irmgard hat mir dabei sehr geholfen. Also habe ich mich mit Irmgard nach möglichen neuen Einsatzstellen umgesehen. Ziemlich schnell durfte ich dann bei der ILCO probearbeiten. Die Kirche betreibt einen Kindergarten in einem Armenviertel von San José. Dort durfte ich die Kinder betreuen und mit ihnen spielen. Ich kann dort viel mehr Spanisch sprechen und bin mit den Kindern und den Kolleginnen enger im Kontakt. Schon bei meinem zweiten Besuch haben die Kinder meinen Namen freudig gerufen und haben mich total lieb umarmt. Anfang März bin ich dann offiziell zur ILCO gewechselt und habe dann auch angefangen, in anderen Arbeitsbereichen der Kirche zu arbeiten.
Meine Arbeit bei der Lutherischen Kirche
In der ILCO arbeite ich hauptsächlich in zwei Bereichen der diakonischen Arbeit: Im Kindergarten Casa Abierta in La Carpio und in einer Herberge für geflüchtete Menschen aus Nicaragua und Venezuela.
Casa Abierta
Die Arbeit in der Kita gefällt mir total gut. Hauptsächlich dank meiner netten Kolleginnen und den Kindern, die mir die Arbeit dort vom ersten Tag an sehr angenehm gemacht haben. Die Kinder sind zwischen zwei und zehn Jahren alt und besonders herzlich und offen. Ich arbeite dort dreimal die Woche morgens bis mittags und habe mittlerweile viele Projekte mit den Kindern angefangen. Ich gebe Englisch- und Flötenunterricht, helfe bei Hausaufgaben oder wir upcyceln Instrumente aus Plastikmüll. Das macht total Spaß und den Kindern gefällt es auch.
Einen Tag pro Woche arbeite ich mit meiner neuen Mitfreiwilligen Jule zusammen, was immer sehr schön ist und die Arbeit nochmal entspannter für uns beide macht. Die Kinder sind nämlich total lieb, aber der Lärm und die vielen Erwartungen, die auf einen zukommen, machen die Arbeit manchmal auch anstrengend. Dadurch, dass der Kindergarten in La Carpio liegt, einem der ärmsten Stadtteilen von San José mit sehr vielen nicaraguanischen Migrant*innen, lerne ich nochmal eine neue Lebensrealität kennen.
Herberge Betlehem
In der Herberge für Geflüchtete aus Nicaragua und Venezuela arbeite ich zwei Tage die Woche. Dort können Menschen für eine oder zwei Nächte unterkommen, wenn sie nach San José kommen, um ihre Papiere für Aufenthaltsrecht oder Vermittlung an andere Staaten in Europa oder in die USA zu beantragen. Dort unterstütze ich bei allem, was so anfällt. Ich begrüße die Menschen und erkläre die Regeln der Herberge, wasche Wäsche und bereite die Zimmer vor. Die meisten kommen erst sehr spät abends in der Herberge an, weshalb ich bis jetzt noch nicht so viel von ihnen mitbekommen konnte. Ich hoffe, das wird sich in der kommenden Zeit noch ändern.
Bald begleite ich die Mitarbeitenden der Kirche zu einer ihrer Gemeinden. Wir fahren nach Cabagra, ein indigenes Gebiet der Bribri im Süden von Costa Rica. Wir übergeben dort Schulmaterialien, die die Kirche für die Kinder zusammengestellt hat. Ich freue mich schon sehr darauf, ein weiteres indigenes Gebiet kennenzulernen. Insgesamt merke ich nach fast zwei Monaten in der neuen Einsatzstelle, dass sich meine Wünsche, mehr Spanisch zu sprechen und in den Kontakt mit den Menschen zu kommen, erfüllt haben. Mir gefällt es sehr gut und ich freue mich, beides in der kommenden Zeit noch zu intensivieren.
Weitere Aktivitäten
Neben meiner neuen Arbeitsstelle haben vor allem auch Aktivitäten mit meinen Freund*innen meine Zeit hier verschönert. Wir waren zum Beispiel als Gruppe im Freizeitpark von San José und haben dort den Tag verbracht. Danach haben wir alle zusammen übernachtet, einen Film geguckt, gespielt und am Morgen schön gefrühstückt. Dieser Tag hat uns alle näher zusammengebracht und zu Freund*innen gemacht. Vor einem Monat hatte ich außerdem Geburtstag. Ich habe die Gruppe eingeladen, mit mir zusammen den Abend in einer Bar im Barrio Escalante zu verbringen. Zusammen mit zwei anderen Freiwilligen habe ich dann vor Kurzem noch eine weitere Geburtstagsparty gefeiert. Die zwei anderen hatten kurz nach mir Geburtstag und wir haben gemeinsam in ihrer WG gefeiert. Neben vielen Freiwilligen sind auch mehrere Tic@s gekommen. Es war ein sehr schöner und vor allem lustiger Abend, um nochmal neue Leute kennenzulernen und zusammen Spaß zu haben.
So viel zu meinen letzen Monaten hier in Costa Rica. So langsam neigt sich mein Jahr hier dem Ende zu und obwohl ich meine Familie sehr vermisse, kann ich mir nicht so richtig vorstellen, wieder zurück nach Deutschland zu gehen. Ich genieße weiterhin meine Zeit hier sehr: meine neue Einsatzstelle, die Freundschaften die ich hier gewonnen habe, und vor allem die viele Erfahrung, die ich durch eindrucksvolle Momente oder schwierige Entscheidungen sammle.
Ich sende euch viele Grüße aus dem mittlerweile wieder regnerischen Costa Rica, bis bald!
Yolanda