Letztes Jahr konnte ich das erste Mal selbst an einem Klimagipfel teilnehmen. In meinem Bericht über die COP26 in Glasgow schrieb ich, dass Energie als Thema nicht in den Verhandlungen vorkam. Das liegt vor allem daran, dass alle Staaten längst wissen, dass sich die globale Erwärmung nur mit erneuerbaren Energien bekämpfen lässt. Doch der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine hat die Preise für Gas und andere fossile Brennstoffe massiv in die Höhe getrieben. Dazu kommt die weltweite Nahrungsmittelkrise in Folge des Krieges sowie die verschärfte Schuldenkrise von Ländern mit niedrigem Einkommen.
Staaten wie Deutschland, Italien oder Großbritannien, die sich in den vergangenen Jahrzehnten massiv abhängig von russischem Gas gemacht haben, suchen nun verzweifelt nach neuen fossilen Quellen. Ausreichend Energie durch erneuerbare Energien steht nicht zur Verfügung, haben sich viele Staaten ja jahrelang geweigert, erneuerbare Energien und Energieeffizienz endlich wirksam voranzubringen. Bundespolitiker:innen reisen auf der Suche nach neuen Gas-Lieferanten durch die Welt und sprechen wie Bundeskanzler Olaf Scholz im Senegal von der Erschließung neuer Gasfelder. Das hat nicht nur fatale Folgen für den Klimawandel, steigen doch damit die Emissionen weiter statt zu sinken. Wir alle lernen gerade auch, was es heißt, als moderner Staat ohne nennenswerte Bodenschätze existentiell abhängig zu sein von einem Regime wie der russischen Autokratie unter Präsident Putin.
Energie als neues Verhandlungsthema auf der COP27?
In meiner Arbeit mit Partnerorganisationen aus dem Globalen Süden spreche ich fast tagtäglich über die aktuelle Energiekrise. Dabei höre ich oft den Begriff „Hypokrise“. Der Vorwurf dabei: „Ihr im Globalen Norden erzählt uns seit Jahren von der Energiewende und Dekarbonisierung. Doch im Zweifelsfalle, fahrt ihr die Kohlekraftwerke hoch und kauft auch noch unser Gas weg.“
Die COP ist natürlich eine Klimaverhandlung – und keine Energiehandelsbörse. Doch Klimapolitik kann aktuell kaum losgelöst von energie- und geopolitischen Fragen betrachtet werden. Das Energiethema ist so wichtig geworden, dass es einen unglaublich starken Einfluss darauf haben wird, wie andere Themen verhandeln werden.
Keine Zeit für leere Versprechungen
Deutschland und die übrigen Staaten der G7 sind deswegen auf der COP27 in einer besonderen Verantwortung. Die Zeit der Versprechungen ist vorbei, sie müssen zeigen, dass sie es ernst meinen mit einer nachhaltigen Klimapolitik und mit der Energiewende.
Sie müssen unmissverständliche und klare Angebote machen, zuallererst bei der Erfüllung der 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr an Klimafinanzierung für Entwicklungsländer, die bisher nicht eingehalten wurden. Und sie müssen sich für einen klaren Ausstiegsplan aus der fossilen Abhängigkeit einsetzen. In Glasgow auf der COP26 wurde das Ende der Investitionen in Gas und Ölkraftwerke zugesagt. Jetzt muss die Umsetzung folgen. Wir können es nicht riskieren, dass die COP27 ein Treffen für neue Gas- und Ölprojekte wird.