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EU-Lieferkettengesetz: Chance für Gewerkschaften

EU-Kommission, Rat und Parlament einigten sich auf ein EU-Lieferkettengesetz. Die Richtlinie bietet großes Potenzial, Gewerkschaften im Globalen Süden zu stärken. Han Dongfang, Geschäftsführer des China Labor Bulletin, einer Partnerorganisation von Brot für die Welt mit Sitz in Hongkong, über den Kampf für Rechte von Arbeitnehmer:innen in asiatischen Ländern. Und wie Europa unterstützen kann.

Von Paula Korth am
Banner EU-Lieferkettengesetz: Yes EU can

Können Sie als Geschäftsführer des China Labour Bulletin (CLB) ein paar Worte zu den Zielen und der Methode Ihrer NGO sagen?

Han Dongfang: Die Mission von CLB besteht darin, das Leben der Arbeitnehmer:innen zu verbessern, wobei der Schwerpunkt insbesondere auf der Erreichung angemessener Löhne und sicherer Arbeitsbedingungen liegt. Die Aufklärung der Arbeitnehmer:innen über Rechtsverletzungen ist eine Sache. Ein anderes Ziel besteht darin, Betriebsgewerkschaften dabei zu helfen, Kapazitäten aufzubauen, um selbst mit Arbeitgeber:innen zu verhandeln. In den letzten zwei Jahrzehnten war die Methode von CLB einfach: Partnergewerkschaften in den Produktionsländern identifizieren und mit ihnen zusammenarbeiten und den Aufbau von Gewerkschaften in ausgewählten Fabriken (die für multinationale Marken produzieren) unterstützen. Diese Gewerkschaften wenden sich dann an die Arbeitgeber:innen, um kollektiv ein angemessenes Gehalt und sicherere Arbeitsbedingungen auszuhandeln.

Aus der Perspektive von CLB oder anderen zivilgesellschaftlichen
Organisationen und Gewerkschaften im Globalen Süden: Wie wirken sich
Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetze, wie wir sie neuerdings in Deutschland haben, auf Ihre Arbeit aus?

Han Dongfang: Für die Gewerkschaften im Globalen Süden sind die Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetze die beste und vielleicht wichtigste Entwicklung der letzten drei Jahrzehnte. Von nun an ist Corporate Social Responsibility nicht mehr freiwillig, sondern eine gesetzliche Verpflichtung, in diesem Fall deutscher Unternehmen. Jahrzehntelang, Fall für Fall und Kampagne für Kampagne, selbst nach der Tragödie von Rana Plaza, sind die Gewerkschaften in den Produktionsländern nicht stärker geworden. Die Gewerkschaften sind noch weit davon entfernt, auf den Wellen, die durch internationale Kampagnen entstehen, zu schwimmen, um unsere eigenen Verhandlungsfähigkeiten zu stärken. Die fatale Schwäche der Gewerkschaften im Globalen Süden ist die Angst vor Vergeltungsmaßnahmen des Managements gegen Gewerkschaftsvertreter:innen. Mit den neu in Kraft getretenen Gesetzen in Deutschland zum Beispiel haben die Arbeitgeber:innen in den Produktionsländern verstanden, dass unsere Gewerkschaft und unsere Unterstützer:innen in Deutschland Beschwerden bei den deutschen Behörden oder künftig Klagen bei europäischen Gerichten einreichen können, wenn sie gegen lokale Gesetze oder internationale Arbeitsnormen verstoßen. Natürlich ist es nicht unser Ziel, vor Gericht zu gehen. Wir hoffen, die Bereitschaft der Arbeitgeber:innen zu erhöhen, in gutem Glauben Kollektivverhandlungen mit der Gewerkschaft einzugehen.

Was sind die Voraussetzungen, um dieses Potenzial zur Stärkung der Gewerkschaften im Globalen Süden zu erreichen?

Han Dongfang: Es braucht internationale Zusammenarbeit und Unterstützung bei der Umsetzung. Einerseits werden internationale Kampagnen keine dauerhaften Lösungen schaffen, wenn sie nicht in konkrete betriebliche Verhandlungen im Globalen Süden eingebettet sind. Andererseits ist es für Gewerkschaftsvertreter:innen und -mitglieder wichtig zu wissen, dass eine oder zwei bestimmte Organisationen im Globalen Norden uns unterstützen, während unsere Gewerkschaft mit dem Management verhandelt. Diese Unterstützung wird benötigt, um bei Bedarf ein Gerichtsverfahren oder eine behördliche Beschwerde einreichen zu können, insbesondere wenn Arbeitgeber:innen Vergeltungsmaßnahmen gegen Arbeitnehmer:innen ergreifen oder sie bedrohen. Das Management wird so auch eher bereit sein, in gutem Glauben Tarifverhandlungen mit unserer Gewerkschaft einzugehen. Langfristig dürfte eine erfolgreiche Nutzung der Lieferkettengesetze zu einer höheren Zahl von Gewerkschaftsmitgliedern, einer gestärkten Verhandlungsposition der Gewerkschaften und höheren Chancen auf bessere Tarifverträge führen. Dadurch sind mehr Gewerkschaften im Globalen Süden in der Lage, auf eigenen Beinen zu stehen, und nach und nach werden durch die Beteiligung der Arbeitnehmer:innen im Rahmen von Verhandlungen zwischen Gewerkschaften und Management verantwortungsvollere globale Lieferketten geschaffen. Ich würde mich freuen, wenn mehr Organisationen und Gewerkschaften Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetze nutzen, damit unterschiedliche Fallbeispiele erstellt werden können. 

Wie ist Ihre Perspektive auf das EU-Lieferkettengesetz?

Han Dongfang: Durch ein EU-Gesetz werden Sorgfaltspflichten auf Unternehmen in der gesamten Europäischen Union ausgeweitet. Es schafft nicht nur mehr Raum und Möglichkeiten für unsere Gewerkschaften im Globalen Süden, bessere Lebensbedingungen für die Arbeitnehmer:innen zu erreichen, sondern schafft auch gleiche Wettbewerbsbedingungen für europäische Unternehmen. 

 

Weitere Details zur Einigung zum EU-Lieferkettengesetz sind hier zu finden:  https://lieferkettengesetz.de/2023/12/15/einigung-zum-eu-lieferkettengesetz-was-kommt-da-auf-uns-zu/

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