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EU-Schützenhilfe für die „Festung Ägypten“

Ägyptens Präsident al-Sisi regiert sein Land mit eiserner Faust. Das hielt die EU nicht davon ab, im März einen Deal mit dem De-facto-Militärregime im Wert von 7,4 Milliarden Euro abzuschließen. Erklärtes Ziel: potentielle Migration über Ägypten nach Europa zu unterbinden. In einer gemeinsamen Publikation mit Misereor beleuchten wir die Schattenseiten der EU-Migrationspartnerschaft mit Ägypten.

Von Dr. Andreas Grünewald am
EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen und Ägyptens Präsident al-Sisi (Mitte) bei der Unterzeichnung einer strategischen Partnerschaft in Kairo am 17.3.2024, gemeinsam mit den Regierungschefs Österreichs (Karl Nehammer), Griechenlands (Kyriakos Mitsotakis; beide links), Zyperns (Nikos Christodoulides), Belgiens (Alexander De Croo) und Italiens (Georgia Meloni).

EU-Kommissionspräsidentin Von der Leyen und Ägyptens Präsident al-Sisi (Mitte) bei der Unterzeichnung einer strategischen Partnerschaft in Kairo am 17.3.2024, gemeinsam mit den Regierungschefs Österreichs (Karl Nehammer), Griechenlands (Kyriakos Mitsotakis; beide links), Zyperns (Nikos Christodoulides), Belgiens (Alexander De Croo) und Italiens (Georgia Meloni).

Im Juni 2023 reiste EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nach Tunis, um einen Deal mit dem autoritär regierenden Präsidenten Tunesien, Kais Saied, abzuschließen. Der Deal sollte die Rolle des Landes als Türsteher Europas in Nordafrika festigen. Nach dem Deal hagelte es viel Kritik: die Kommission habe die EU-Mitgliedsstaaten und das Europäische Parlament nicht ausreichend eingebunden, stärke das autoritäre Regime des Landes, und liefere Migrant*innen und Geflüchtete dessen Willkürherrschaft aus.

Die Kritik war noch nicht verebbt, da verhandelte die Kommission schon den nächsten Deal. Diesmal mit Ägypten – und diesmal mit Zustimmung der EU-Mitgliedsstaaten. Ägypten, welches bereits zuvor eng mit der EU in Migrationsfragen kooperierte, sollte seinen Kampf gegen die sogenannte illegale Migration weiter verstärken. Die versprochene Gegenleistung: Geld für den bankrotten ägyptischen Haushalt und mehr Unterstützung für seinen Sicherheitsapparat. Oder, wie es Margaritis Schinas, Vizepräsident der EU-Kommission, Mitte Oktober 2023 feststellte: „We need to engage actively with Egypt to make sure that Egypt gets all the backing they merit for their very important role in the region as a transit country.” Ägypten selbst hatte ein solches Abkommen schon vor dem 7. Oktober eingefordert. Nach dem Abschluss des EU-Tunesien-Deals hatte das al-Sisi-Regime  auf eine ähnliche Behandlung gepocht. Interne Ratsdokumente der EU legen unverblümt offen, was sich das Land von einem solchen Deal erwartete: frisches Geld.

Migrationsabwehr – zentrales Ziel der EU-Außenpolitik

Die Erwartungen wurden erfüllt. Als von der Leyen am 17. März diesen Jahres zur Vertragsunterzeichnung nach Kairo flog, hatte sie ein Finanz- und Investitionspaket von 7,4 Milliarden Euro im Gepäck. Das Paket lässt sich nicht allein auf migrationspolitische Interessen der EU reduzieren. Auch aus geopolitischen Gründen möchte die EU den wirtschaftlichen Zusammenbruch des bevölkerungsreichsten Landes der arabischen Welt mit seiner strategisch wichtigen Lage um jeden Preis verhindern. Gleichzeitig ist das Bestreben der EU, Migrationsabwehr an Drittstaaten auszulagern, eine zentrale Triebfeder des Deals. Der parallel verhandelte Deal mit Mauretanien sowie die Ankündigung der EU, weitere Migrationsabkommen unter anderem mit Marokko und dem Libanon abschließen zu wollen, machen deutlich: Die EU hat die Eindämmung von Migrationsbewegungen Richtung Europa zu einem elementaren Ziel ihrer Politik gegenüber vielen EU-Nachbarstaaten gemacht. Sie ist bereit, viel Geld für dieses Ziel in die Hand zu nehmen. Und sie scheut nicht davor zurück, menschenrechtliche und demokratische Grundsätze für die Erreichung dieses Ziels zu opfern.

Migrationspartnerschaft mit Ägypten stärkt autoritäres Regime

Die konkreten Folgen dieser Politik haben wir in einer gemeinsamen Publikationsreihe mit Misereor aufgearbeitet. Nach Analysen der EU-Migrationspartnerschaft mit Niger und Tunesien ist nun die dritte Publikation zu Ägypten erschienen. Ägypten beherbergt rund 9,5 Millionen Migrant:innen und Schutzsuchende. 4,5 Millionen stammen aus dem Sudan, der überwiegende Rest aus anderen kriegsgebeutelten Ländern wie Syrien, Somalia oder dem Jemen. Ein Großteil dieser Menschen lebt in einer ökonomisch und rechtlich prekären Situation und wird vom ägyptischen Staat in die Illegalität gedrängt. Nur rund fünf Prozent von ihnen sind offiziell als Geflüchtete oder Asylsuchende anerkannt. Die EU täte gut daran, sich für eine konkrete Verbesserung ihrer Situation einzusetzen.

Stattdessen setzt das neue Abkommen einen Weg fort, der schon in den vergangenen Jahren die EU-Kooperation mit Ägypten im Migrationsbereich kennzeichnete: Migration primär als Sicherheitsproblem zu rahmen. Folgerichtig steht die Aufrüstung und Ausbildung ägyptischer Grenzschutzbehörden, der ägyptischen Polizei und der Geheimdienste im Zentrum der Zusammenarbeit. Neben Frankreich und Italien kommt Deutschland hier eine Schlüsselrolle zu. Bereits 2016 schloss die Bundesregierung ein Polizei- und Sicherheitsabkommen mit Ägypten ab. Die enge Kooperation mit den ägyptischen Sicherheitskräften ist unter anderem deswegen hoch problematisch, da das Regime al-Sisi diese gezielt zur Unterdrückung der eigenen Bevölkerung einsetzt. In einer Resolution von November 2022 prangerte das EU-Parlament an, dass willkürliche Verhaftungen, Folter und brutale Repression der Zivilgesellschaft in Ägypten an der Tagesordnung sind. Es gibt Belege dafür, dass bei der blutigen Niederschlagung friedlicher Proteste auch militärisches Material aus Europa eingesetzt wurde, darunter etwa französische Kampffahrzeuge.

Deals auf Kosten des Flüchtlingsschutzes und der Menschenrechte

Belegt ist auch, dass Ägypten beim sogenannten Kampf gegen irreguläre Migration Grundsätze des internationalen Flüchtlingsschutzes systematisch missachtet. Die Regierung verweigert die rechtliche Anerkennung von Schutzsuchenden und inhaftiert Flüchtende willkürlich. Sie hat nachweislich Sammelabschiebungen nach Eritrea und Südsudan durchgeführt oder Oppositionelle aus China und dem Sudan festgenommen und ausgeliefert.

Dieses Agieren zeigt: Die Versprechen der EU, durch ihre Kooperation mit ägyptischen Sicherheitskräften mäßigend auf diese einzuwirken und die Lage von Schutzsuchenden zu verbessern, zielen ins Leere. Ägypten kooperiert mit der EU beim Thema Grenzsicherung und Migrationskontrolle – jedoch nach eigenen Regeln. Das Regime nutzt die Kooperation gezielt zur Stärkung der eigenen Machtposition im Inneren sowie zur Aufwertung Ägyptens auf internationalem Parkett. Die EU-Migrationspartnerschaft mit Ägypten stabilisiert somit die Herrschaft des De-facto-Militärregimes, welche auf Repressalien, Massenüberwachung und totaler Kontrolle aufgebaut ist – gegenüber Geflüchteten ebenso wie gegenüber der eigenen Bevölkerung.

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