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Europe – A Raw Materials Powerhouse

Unter dem Motto lud die EU-Kommission im Dezember zur Raw Materials Week nach Brüssel. Anlass zur Sorge bereitet nicht nur die mangelnde zivilgesellschaftliche Beteiligung an zentralen Debatten der Konferenz. Hinzu kommt ein einseitiges Narrativ von Wettbewerbsfähigkeit der EU, das die Diskussionen beherrschte. Es geht mit Deregulierungsbestrebungen im Bereich unternehmerischer Sorgfalt einher.

Von Kristina Stier am
Raw Materials Week im Dezember 2024 in Brüssel

Raw Materials Week im Dezember 2024 in Brüssel

Mehr als tausend Vertreterinnen und Vertreter aus Industrie, Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft kamen zur Raw Materials Week nach Brüssel. Im Zentrum der Debatten stand die Umsetzung des im letzten Jahr verabschiedeten Gesetzes zu kritischen Rohstoffen (Critical Raw Materials Act – CRMA). Proklamiertes Hauptziel der Verordnung ist es, den Zugang der EU zu einer „sicheren, nachhaltigen und widerstandsfähigen Versorgung“ mit kritischen Rohstoffen zu gewährleisten. Als kritisch gelten Rohstoffe, die vor allem für die Energiewende und in den Bereichen Digitalisierung, Raumfahrt und Verteidigung essenziell sind und bei denen Versorgungsengpässe drohen. Um Abhängigkeiten von einzelnen Ländern wie China zu reduzieren, sollen langfristig Importe diversifiziert sowie Abbau, Weiterverarbeitung und Recycling von Rohstoffen innerhalb und außerhaflb der EU gefördert werden (zur Einordnung und kritischen Analyse der Verordnung siehe die Beiträge  „EU is business“ – Gesetz zu kritischen Rohstoffen und Europe First – auch in der Rohstoffpolitik).

Kaum Raum für zivilgesellschaftliche Positionen

Investitionsmöglichkeiten europäischer Unternehmen in Drittländern, darunter im Globalen Süden, spielten bei der Konferenz eine wichtige Rolle. Besorgniserregend ist, dass eine zivilgesellschaftliche Beteiligung an den offiziellen Debatten nur sehr eingeschränkt ermöglicht wurde. Dieser Trend prägt aktuell auch den Prozess der Implementierung des CRMA, der von Intransparenz und geringen Beteiligungsmöglichkeiten der Zivilgesellschaft geprägt ist.

Besonders deutlich wurde die mangelnde Beteiligung bei einer Veranstaltung zum Abbau von Rohstoffen in Argentinien. Hier spielen vor allem Lithium und Kupfer eine wichtige Rolle, 2023 vereinbarten die EU und Argentinien eine Strategische Partnerschaft („Partnerschaft für nachhaltige Rohstoff-Wertschöpfungsketten“). Bei der Veranstaltung priesen argentinische Regierungsvertreter*innen, darunter die Gouverneure verschiedener rohstoffreicher Provinzen, Reformen an und warben mit Investitionsmöglichkeiten. Zu den Reformen, die schwere Rückschläge für Menschenrechte und Umweltschutz bedeuten, zählt beispielsweise die Regelung RIGI (Régimen de Incentivos para Grandes Inversiones, dt: Anreizregime für Großinvestitionen) der ultralibertären Regierung unter Javier Milei. Sie sieht Zoll-, Steuer- und Devisenvergünstigungen für Projekte mit einem Mindestinvestitionsbetrag von 200 Millionen US-Dollar vor. Diese werden Konzernen für 30 Jahre zugesichert. Darüber hinaus sieht kein Artikel der RIGI vor, dass die begünstigten Unternehmen für ihre Projekte Umweltverträglichkeitsstudien durchführen müssen.

Dagegen gab es keinen Raum für eine differenzierte Darstellung der Lebensrealitäten der vom Rohstoffabbau (potenziell) betroffenen Bevölkerung. Umweltkonflikte sowie die Verletzung der Rechte indigener Gemeinden, wie zum Beispiel des Rechts auf freie, vorherige und informierte Zustimmung (FPIC), wurden nicht thematisiert. Im Gegenteil, seitens der Regierungsvertreter*innen wurde eine vorhandene „social license to operate“ in den Bergbauprovinzen hervorgehoben. Dabei sind zahlreiche Beschwerden über die Nichteinhaltung der Rechte indigener Gemeinden wie etwa in der lithiumreichen Provinz Jujuy bei verschiedenen Verwaltungs- und Justizbehörden auf lokaler, nationaler und internationaler Ebene öffentlich bekannt und gut dokumentiert (siehe hier ein Statement, das die argentinische Brot für die Welt-Partnerorganisation FARN gemeinsam mit weiteren Organisationen im Anschluss an die Konferenz veröffentlichte).

Narrativ der Wettbewerbsfähigkeit und die Gefahr der Deregulierung

Neben dem selbstproklamierten Anspruch der EU und ihrer Mitgliedsstaaten, beim Rohstoffabbau für die Einhaltung höchster menschenrechtlicher und ökologischer Standards zu stehen, zog sich vor allem ein zweites Narrativ wie ein roter Faden durch die Debatten in Brüssel: das der „Wettbewerbsfähigkeit der EU“.

Dieses Narrativ der Wettbewerbsfähigkeit ist in den vergangenen Monaten immer wieder im Zusammenhang mit Forderungen nach dem Abbau von Bürokratie und Berichtspflichten im Nachhaltigkeitsbereich aufgetaucht. So hat Kommissionpräsidentin von der Leyen im November bekanntgegeben, im Rahmen eines einheitlichen Legislativakts („Omnibus“) drei Säulen des Green Deals – die EU-Lieferkettenverordnung (Corporate Sustainability Due Diligence Directive – CSDDD), die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen (Corporate Sustainability Reporting Directive – CSRD) und die Taxonomie-Verordnung – anpassen zu wollen, um Berichtspflichten zu reduzieren. Während Details des Verfahrens erst Ende Februar bekannt gegeben werden, besteht die Gefahr, dass die Gesetzestexte insgesamt wieder zur Debatte gestellt und substanziell abgeschwächt werden könnten (hier geht es zum offenen Brief von mehr als 160 Menschenrechts- und Umweltorganisationen, darunter die Initiative Lieferkettengesetz, deren Mitglied Brot für die Welt ist, an die EU-Kommission – die Forderungen: die Gesetze zu schützen, deren geplante Umsetzungszeiträume erneut zu bekräftigen und den Omnibus-Prozess transparent zu gestalten).

Dabei belegen Untersuchungen wie ein impact assessment der CSDDD durch die EU-Kommission von 2022 den positiven Beitrag von Sorgfaltspflichtengesetzen zur Wettbewerbsfähigkeit. Sie erlauben Unternehmen ein verbessertes Risikomanagement, neben Effizienz- und Reputationsgewinnen. Das aktuelle Hin und Her bringt jedoch erhebliche Unsicherheiten mit sich – sowohl für EU-Mitgliedsstaaten, welche bereits an der Umsetzung der Gesetzte arbeiten, als auch für Unternehmen, welche schon in die Anwendung der Gesetze investieren.

Wichtige Aspekte vernachlässigt

Die Debatten in Brüssel erweckten den Anschein, dass der vom ehemaligen EZB-Chef Mario Draghi im September veröffentlichte Bericht „The future of European competitiveness“ erste Wirkung zeigt. Draghi sollte im Auftrag von Kommissionspräsidentin von der Leyen eine Strategie entwickeln, wie die EU wettbewerbsfähiger werden könnte. Zugrunde liegt hier allerdings ein Verständnis von ökonomischer Sicherheit und Wettbewerbsfähigkeit, das, dem Paradigma stetigen Wachstums untergeordnet, wichtige Aspekte wie ökologische Nachhaltigkeit, Suffizienz sowie soziale Gerechtigkeit vernachlässigt. Damit steigt die Gefahr, dass planetarische Grenzen überschritten und Ungleichheiten beim Zugang zu Ressourcen verstärkt werden sowie ein unfaires Lieferkettenmodell weiter gefördert wird, das nachgelagerte Industrieprozesse außerhalb jener Länder ansiedelt, in denen Rohstoffe abgebaut werden (siehe hierzu die Stellungnahme der EU Raw Materials Coalition, deren Mitglied Brot für die Welt ist).

The way forward?

Die EU könnte eine Vorreiterrolle einnehmen für eine Rohstoffwende im Zeichen einer global gerechten sozial-ökologischen Transformation. Zentral wäre es dafür, den Fokus auf die absolute Reduktion des Primärrohstoffbedarfs, den Aufbau einer tiefgreifenden Kreislaufwirtschaft sowie die Umsetzung von verbindlichen menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten zu richten und rohstoffreiche Partnerländer im Globalen Süden dabei ambitioniert zu unterstützen, die Wertschöpfung und Dekarbonisierung vor Ort zu stärken. Sie könnte damit nicht nur die eigene Wettbewerbsfähigkeit und Glaubwürdigkeit erhöhen, sondern zudem koloniale Kontinuitäten aufbrechen, statt diese zu zementieren.

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