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Fair übers Meer

Ohne Schifffahrt gäbe es kaum globalen Handel. Rund 90 Prozent des internationalen Güterverkehrs werden über See abgewickelt. Doch sind die Lebens- und Arbeitsbedingungen an Bord oft schlecht und unterlaufen auch die Idee des Fairen Handels.

 

Von Gastbeiträge Politik am
Karin Streicher beim Besuch der Schiffsmannschaft im Hafen von Douala/Kamerun

Autorin Karin Streicher beim Besuch von Seeleuten im Hafen von Douala/Kamerun

Längst ist der Schiffsverkehr zu einem Schlüsselelement der Globalisierung geworden. Knotenpunkte sind die großen Häfen, in denen die Waren – ganz überwiegend in Containern – umgeschlagen werden, um sie bis in die letzten Winkel des Erdballs zu verteilen. Rund 50.000 Handelsschiffe zählen zu diesem weltumspannenden Netz. Dazu kommen 30.000 industrielle Fangschiffe, die den Fischschwärmen hinterherjagen, damit vor allem in Industrieländern niemals eine gesunde Fischmahlzeit fehlt – wodurch sie allerdings wesentlich zur Überfischung der Weltmeere beitragen.

Auch die meisten fair gehandelten Produkte, wie Kakao, Kaffee oder Bananen legen tausende Kilometer auf Containerschiffen zurück, bevor sie in unseren Supermarktregalen oder Weltläden landen. Während bei ihrem Anbau auf Nachhaltigkeit und faire Arbeitsbedingungen geachtet wird, sieht die Realität im Seetransport auch für den Fairen Handel oft ganz anders aus.

Missstände in der Schifffahrtsbranche

Die Arbeitsbedingungen der 1,8 Millionen Seeleute und Beschäftigten auf Fischtrawlern weltweit sind alles andere als fair. Sie sind häufig mit niedrigen Löhnen, langen Überstunden, befristeten Verträgen und mangelndem Arbeitsschutz konfrontiert. Eine monatelange Trennung von der Familie ist für viele Crewmitglieder Alltag. Hinzu kommen Sicherheitsrisiken, Piraterie, Stress und Einsamkeit auf den langen Reisen.

Oft dürfen Seeleute auch wochenlang das Schiff nicht verlassen, selbst wenn es tagelang im Hafen liegt. Diese Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit wird sowohl von den Schiffsbetreibern als auch von den Hafenbehörden vor Ort durchgesetzt. Durch die immer kürzeren Standzeiten und weiten Entfernungen zu den Innenstädten befürchten sie, dass Seeleute zur Ausfahrt zu spät erscheinen. Viele Staaten brechen das internationale Recht auf Landgang aber mit fadenscheinigen Sicherheits- und Gesundheitsargumenten. Doch dies ist nur ein Beispiel unter vielen. Schlimmere Fälle beinhalten die Verweigerung medizinischer Versorgung oder die Zwangsarbeit unter gefährlichen Bedingungen, zum Beispiel auf Fangschiffen, die monatelang keinen Hafen anlaufen und ihren Fang auf See in Transportschiffe umladen.

Besonders betroffen sind Crews aus ärmeren Ländern wie den Philippinen, Indonesien oder der Ukraine, die auf die Arbeit angewiesen sind. Viele Reedereien nutzen Billigflaggen und lasche Regulierungen in „Billigflaggen“-Ländern aus, um Kosten zu sparen – auf Kosten der Arbeitnehmerrechte.

Nachhaltigkeitsaspekte beim Seetransport

Nicht nur die sozialen, auch die ökologischen Auswirkungen des Schiffsverkehrs sind enorm. Die Schifffahrt ist für etwa drei Prozent der globalen CO2-Emissionen verantwortlich und trägt zur Luftverschmutzung in Hafenstädten bei. Trotz strengerer Regeln für Schwefelausstoße fahren viele Schiffe noch mit umweltschädlichem Schweröl. Auch bei Themen wie Unterwasserlärm, Ballastwasser und Schiffsabfällen besteht erheblicher Verbesserungsbedarf. Das gilt auch für die globale Fangflotte, die Tonnen von Fisch als sogenannten Beifang über Bord wirft, ebenso geschützte Arten wie Haie oder Delphine, die sich in den riesigen Netzen verfangen.

Ein Wandel hin zu einer „grünen“ Schifffahrt mit schadstoffarmen Antrieben, Landstromnutzung in Häfen statt Strom aus Schiffsgeneratoren und einer Kreislaufwirtschaft an Bord ist dringend erforderlich. Einige Reedereien setzen bereits auf Flüssigerdgas (als ersten Schritt hin zu grünem Wasserstoff), Elektromotoren oder Segelantriebe, doch letztere sind bisher nur Nischenlösungen.

Die Kampagne „Fair übers Meer“

Brot für die Welt und Partnerorganisationen wie Fair Oceans und die evangelische Deutsche Seemannsmission (DSM) riefen zusammen mit anderen Organisationen und Netzwerken wie dem Forum Fairer Handel oder Verdi, Südwind und NaBu die Kampagne „Fair übers Meer“ ins Leben, die sich für soziale und ökologische Verbesserungen im Seetransport und in der Hochseefischerei einsetzt.

Im Zusammenhang mit der Kampagne für ein deutsches und später für ein europäisches Lieferkettengesetz versucht „Fair übers Meer“ durchzusetzen, dass auch der Transport im globalen Warenstrom als Teil der Lieferkette erkannt wird und Teil der Berichtspflichten von Unternehmen wird.

Durch eine Integration des Transports in das Lieferkettengesetz könnten die Arbeitsbedingungen auf See erheblich verbessert werden. Das würde einen bedeutenden Schritt in Richtung gerechterer Handelspraktiken darstellen, auch und besonders für Produkte aus dem Fairen Handel. Denn faire Handels- und Produktionspraktiken müssen nicht nur an Land, sondern auch auf See eingehalten werden, um die Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle Beteiligten zu verbessern.

Ausblick: Fairer Transport als Zukunftsaufgabe

Die Kampagne nimmt sich neben der Lobbyarbeit im Rahmen der Lieferkettengesetze auch vor, Verbraucher*innen für die Transportbedingungen der online bestellten Konsumgüter zu sensibilisieren, besonders da immer mehr Handelsplattformen wie Temu oder Shein aus China auf den billigen Schiffstransport aus Übersee setzen.

Auch jenseits eines Lieferkettengesetzes könnten Staaten, Schiffseigner und Reeder das Leben und Arbeiten auf See erleichtern, zum Beispiel, indem die Landgangbestimmungen erleichtert werden, die Kontrolle der bestehenden arbeitsrechtlichen Bestimmungen in den Häfen verschärft und die medizinische Versorgung der Seeleute verbessert wird. Dazu müssten die Seeleute und ihr internationaler Gewerkschaftsbund ITF mehr Unterstützung und Mitsprache erhalten. Zu einem fairen Schiffstransport gehören aber auch mehr Investitionen in grüne Antriebstechnologien und Hafenstrukturen, damit der ökologische Fußabdruck der Seefahrt reduziert wird.

Der faire Transport von Waren ist eine gemeinsame Zukunftsaufgabe aller Akteure in den Lieferketten, besonders aber im Fairen Handel. Nur wenn auch auf den Weltmeeren Menschenrechte und Umweltschutz geachtet werden, kann von einem ganzheitlich fairen und nachhaltigen globalen Handel gesprochen werden. Es ist höchste Zeit, die Seeleute – im wahrsten Sinne des Wortes – mit ins Boot zu holen.

Karin Streicher, Projektstelle Menschenwürdige Arbeit auf See bei der Deutschen Seemannsmission

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