Musa Mpofu, Sie leiten bei der „World Fair Trade Organization – Africa and Middle East“ ein Projekt, das Fairen Handel im südlichen Afrika ausbreiten soll. Was bedeutet Fairer Handel für Sie?
Für mich bedeutet Fairer Handel Fairness und Gerechtigkeit. Ich möchte mit dem Vorurteil aufräumen, dass es beim Fairen Handel um Wohltätigkeit geht. Bislang ist damit oft eine Wirtschaftsbeziehung gemeint, in der der Globale Norden die Produzenten im Globalen Süden unterstützt. Diese Darstellung lässt keinen Raum dafür, dass Fairer Handel im Globalen Süden Beziehungen zwischen Produzent*innen und Verbraucher*innen vor Ort schaffen kann. Dafür fehlt im Moment noch das Verständnis.
Warum?
Es gibt noch zu wenige Fair Trade-Produzenten, um einerseits die Idee bekannter zu machen, wie sich faire, ethische und nachhaltige Produkte herstellen lassen, und andererseits das Bewusstsein für Fairen Handel insgesamt zu stärken. Das versuchen wir mit Aufklärungskampagnen zu ändern. Wir gehen damit in Bildungseinrichtungen, zu Akteuren der Zivilgesellschaft und in Behörden. Wir wollen zeigen, wie der Faire Handel helfen kann, sozioökonomische Probleme zu lösen.
Wie kann das gelingen?
Ein großes Problem in Afrika ist derzeit die hohe Arbeitslosenquote. Viele junge Menschen finden keine Arbeit. Sie müssen daher lernen, unternehmerisch zu denken und innovativ zu sein, um sich eine Zukunft zu eröffnen. Wenn wir ihnen helfen, kleine Unternehmen zu gründen, die fair, ethisch und nachhaltig arbeiten und vor Ort Geschäfte machen, also in ihren Communities Werte schaffen, werden sie Teil einer Wirtschaft, die ihren Communities direkt zugutekommt. Die Erfahrungen der vergangenen sechs Jahre haben uns gezeigt, dass die Orientierung an den zehn Fair Trade-Grundsätzen widerstandsfähige und nachhaltige Unternehmen schaffen kann.
Inwiefern?
Zusammengefasst bedeuten die zehn Prinzipien des Fairen Handels, ehrlich und transparent zu sein, eine gute Arbeitsethik zu etablieren und Verantwortung zu übernehmen für die Folgen des unternehmerischen Handelns. In Südafrika etwa finden sich alle Prinzipien in Gesetzen, Regulierungen oder politischen Programmen wieder. Wenn sich ein Unternehmen an geltendes Recht hält, entsprechen die internen Produktionsabläufe sowie die externen Geschäftsbeziehungen automatisch dem Grundsatz des fairen Handels. Er bezieht sich nicht nur auf Waren wie Kaffee, Schokolade und Kunsthandwerk, die viele mit dem Fair Trade-Label verbinden. Dank der Aktivitäten der lokalen Fair Trade-Initiativen haben wir dieses Verständnis inzwischen hinter uns gelassen.
„Fairer Handel ist nicht nur ein Etikett auf bestimmten Produkten“
Im September fand in Kapstadt der Gipfel der World Fair Trade Organization statt. Worüber haben Sie sich dort ausgetauscht?
In Kapstadt kamen globale Fair Trade-Netzwerke zusammen, um darüber zu sprechen, wie die Bewegung angesichts der globalen Veränderungen ihre Relevanz behalten kann. Dabei ging es um Fragen wie: Wie kann der Faire Handel für kommende Generationen attraktiver werden? Wie kann er den Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht werden? Wir sprachen über faire Bezahlung und darüber, welche Rolle er bei der Bekämpfung des Hungers spielen und wie er in der Modeindustrie verankert werden kann. Und darüber, was geschehen muss, damit Fairer Handel in Afrika nicht nur ein Etikett auf bestimmten Produkten ist, sondern ein Instrument, um einen nachhaltigen, ethischen und fairen Lebensstil zu etablieren.
Die World Fair Trade Organization – Africa and Middle East ist eine Partnerorganisation von Brot für die Welt. Wie können die Menschen im Globalen Norden Sie bei Ihrem Vorhaben unterstützen?
Helfen Sie mit, das Narrativ zu ändern, dass für unterschiedliche Regionen dieselben Regeln gelten müssen, um eine nachhaltige Entwicklung voranzutreiben. Unsere Realitäten sind unterschiedlich und daher müssen auch die Lösungen unterschiedlich sein. Und setzen Sie sich mit uns für Gerechtigkeit im globalen Handel ein. Keine Region sollte eine Handelspolitik verfolgen, die ihr Vorteile auf Kosten der Entwicklung einer anderen Region verschafft.
„Entwicklungszusammenarbeit geht die Ursachen von Armut und Ungleichheit an“
In Ländern wie Deutschland gibt es derzeit sehr intensive Debatten über die Zukunft solcher Partnerschaften. Viele Menschen denken, dass ein Engagement in der Entwicklungszusammenarbeit Geldverschwendung ist. Was halten Sie diesem Argument entgegen?
Sich aus der internationalen Entwicklungszusammenarbeit zu verabschieden, könnte zur Folge haben, dass sich am Status quo nichts ändert. Das heißt, dass der Globale Süden weiter auf den Globalen Norden angewiesen ist, um profitable Handelsbeziehungen aufrechtzuerhalten. Unsere Arbeit zeigt, dass lokale Geschäftsbeziehungen zu einer stärkeren und widerstandsfähigeren Wirtschaft führen, unabhängig davon, in welchem Teil der Welt man zu Hause ist. Wenn nachhaltige Entwicklung, wie sie in den 17 UN-Nachhaltigkeitszielen definiert ist, tatsächlich eine ehrliche Agenda ist, dann sind mehr Partnerschaften wie die mit Brot für die Welt eine Notwendigkeit. Gemeinsame Werte auf globaler Ebene bedeuten, dass wir uns für politische Maßnahmen und Prozesse einsetzen, die unsere Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Noch wichtiger aber ist, dass sie die wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen in den Communities fördern, in denen wir leben.
Welches Verständnis von Entwicklungszusammenarbeit haben Sie?
Entwicklungszusammenarbeit fördert Stabilität und Frieden, indem sie die Ursachen von Armut, Ungleichheit und Konflikten angeht. Instabile Verhältnisse in einem Teil der Welt kann weitreichende Folgen in einem anderen haben, etwa bei Migration, Extremismus oder wirtschaftliche Turbulenzen. Länder im Globalen Süden dabei zu unterstützen, stabile Verhältnisse zu schaffen, liegt im langfristigen Interesse aller Nationen.