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Feministisches Empowerment in Kamerun

In Kamerun organisieren sich Frauen, um den Herausforderungen durch bewaffnete Konflikte entgegenzutreten. Im Interview zum Internationalen Frauentag berichtet die Brot für die Welt-Projektpartnerin Joemalu von ihrem Einsatz für Geschlechtergerechtigkeit. Die Forderungen nach Armutsbekämpfung sollen auf der 68. Frauenrechtskommission in New York im März ebenfalls eine große Rolle spielen.

Von Tina Kleiber am
Elf Schneider-Schülerinnen sitzen im Sand mit einem blauen Seidentuch.

Schülerinnen sitzen im Innenhof des „Centre d' à la Promotion et à la cré ativité de la Femme“ und nähren Dekorationen für die Eröffnung des Ausbildungszentrums in Maroua/Nord-Kamerun.

Geschlechtergerechtigkeit steht aktuell besonders unter Druck, zum Beispiel durch eine Anti-LGBTQI*-Gesetzgebung in Uganda und nun auch in Ghana. Der Internationale Frauentag am 8. März gibt Anlass, auf die Situation von Geschlechtergerechtigkeit in Kamerun zu blicken, dessen Konflikte und Krisen in der internationalen Berichterstattung und Politik häufig wenig Raum finden. Brot für die Welt-Projektpartnerin Joemalu* (Pseudonym, ohne Bildbezug) erzählt im Interview, wie die seit 2017 anhaltenden bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Militär und separatistischen Gruppen sich auf Frauen und Jugendliche auswirken und wie die Vernetzung mit anderen sie befähigt, sich für ihre Rechte einzusetzen.

Joemalu, bitte erzähle uns etwas über Dich und Deine Situation in Kamerun.

Ich bin Joemalu, eine 43-jährige Frau aus Kamerun. Ich stamme aus der Region Nordwest. Ich bin verwitwet und habe vier Kinder und ein Enkelkind. Ich bin eine Überlebende von wiederholtem Kindesmissbrauch und Vergewaltigung. Das erste Mal überlebte ich eine Vergewaltigung im Alter von 17 Jahren. Heute aber bin ich Expertin für geschlechtsspezifische Gewalt und unterstütze andere Frauen, ihre Rechte einzufordern.

Wie bist Du trotz all der Schwierigkeiten, die Du erlebt hast, zu der Aktivistin von heute geworden?

Meine Erfahrungen und das Trauma, das ich überlebt habe, haben in mir die Leidenschaft für Geschlechtergerechtigkeit geweckt und wachsen lassen. Ich habe erkannt, dass mein Schmerz durch ein falsches Verständnis des Evangeliums und des Willens Gottes verursacht wurde. Je mehr ich über Gott und seinen Willen weiß, desto mehr verstehe ich, dass Gott Ungerechtigkeit und Unterdrückung hasst und dass niemand unter der Last von Halbwahrheiten des Evangeliums leben sollte.

Witwen besonders unter Druck

Du bist Teil eines Forums afrikanischer Frauen, die sich regelmäßig online über ihre jeweilige Situation und ihre Arbeit austauschen. Die Teilnehmenden kommen aus sehr unterschiedlichen Regionen und Kontexten und haben gemeinsam, dass sie sich jeweils für die Umsetzung des Maputo-Protokolls (s. unten) einsetzen. Wie sieht diese Arbeit aus?

Das Maputo-Protokoll geht dezidiert auf die Rechte besonders vulnerabler Frauen wie zum Beispiel Witwen ein. Ich organisiere Workshops für Witwen, um gemeinsam mit Anwältinnen Bewusstsein für die Rechte zu schaffen, die uns zustehen. Viele Teilnehmende sind noch sehr jung und es fehlt ihnen der Unterhalt für sich und ihre Kinder. Das Bewusstsein, diese Situation nicht rechtlos hinnehmen zu müssen, ist ein erster wichtiger Schritt, sich Unterstützung zu holen und die eigenen Rechte einzufordern.

Welche Herausforderungen begegnen Witwen in Kamerun?

In unserem Umfeld ist es üblich, dass Witwen beschuldigt werden, ihre Ehemänner getötet zu haben. Wie viele andere Witwen habe auch ich Erfahrungen mit der Witwenschaft gemacht, angefangen bei der Beschuldigung, meinen verstorbenen Mann getötet zu haben. Als die Krise eskalierte und meine Eltern im benachbarten Nigeria Zuflucht suchten, wurde es sehr kostspielig, sie dort zu versorgen, da die Cholera immer wieder ausbrach und es zudem schwierig war, Geld für ihren monatlichen Unterhalt zu schicken. Mein Monatsgehalt beträgt umgerechnet weniger als 400 US-Dollar. Also bat ich darum, meine Eltern zu mir nach Kamerun zu holen. Das gefiel meinen Schwiegereltern nicht und sie baten mich, das Haus zu verlassen. Dies war das dritte Mal, dass sie mich aufforderten zu gehen. Das erste Mal, als mein Mann starb, wurde ich gefragt, wann ich gehen wolle. Mir wurde gesagt, das sei die Entscheidung der Familie nach der Beerdigung.

Bewaffnete Konflikte verschlechtern Lage

Wie hat sich die Lage für Frauen und Mädchen in den letzten Jahren verändert?

Für meine Familie und alle, die im Nordwesten und Südwesten leben, ist die Unsicherheit gestiegen, es kommt zu Einbrüchen und bewaffneten Überfällen, Entführungen, um Lösegeld zu erpressen, und vielen anderen Gewalttaten, unter denen die Gemeinden leiden. Unbekannte Bewaffnete haben unser Haus zweimal aufgesucht und bei beiden Gelegenheiten Geld erpresst. Durch die Eskalation und die Angriffe auf das Bildungswesen sind viele Jugendliche radikalisiert worden, und Statistiken über diejenigen, die unsere psychiatrischen Dienste aufsuchen, zeigen, dass mindestens jeder Dritte drogenabhängig ist. Meine erste Tochter geriet in eines ihrer Netze mit falschen Heiratsversprechen. Sie ging nicht mehr zur Schule und wurde schwanger. Sie hat schließlich ein Mädchen zur Welt gebracht und mich zu einer jungen Großmutter gemacht. Während ich mich über die sichere Geburt des Babys freue, ist der Schmerz über die wachsende Zahl von Müttern im Teenageralter aufgrund der anhaltenden Krise überwältigend.

Was ist Deine Botschaft an junge Menschen, insbesondere Mädchen?

Ich rufe alle jungen Menschen und insbesondere junge Mädchen auf, sich jetzt zu erheben und ihre Zukunft in die Hand zu nehmen. Zunächst sollte jedes junge Mädchen sich selbst aufbauen, indem es die richtige Ausbildung erhält. Das hilft ihr Selbstbewusstsein zu erlangen. Sie sollte lernen, Nein zu sagen, und daran festhalten, wenn ihr etwas nicht passt. Sie sollte sich sofort Hilfe suchen können, wenn sie sich unbehaglich fühlt.

Was ist Deine Vision für Kamerun?

Meine Vision für Kamerun ist eine Gesellschaft, in der Kinder frei von Bedrohung und Gewalt aufwachsen können. Eine Gesellschaft, in der Geschlechtergerechtigkeit die Norm und Zugang zu Informationen über ihre Rechte selbstverständlich sind und sich religiöse Akteur*innen dafür einsetzen, eine geschlechtergerechte Gesellschaft zu erreichen und aufrechtzuerhalten – von der Kanzel bis zu den Kirchenbänken.

Joemalu, vielen Dank für das Interview.

Das Maputo Protokoll

Das Protokoll zur Afrikanischen Charta der Rechte der Frau in Afrika („Maputo Protokoll“), wurde 2003 von den Staats- und Regierungschefs in Maputo, Mosambik, angenommen und ist eines der weltweit fortschrittlichsten Menschenrechtsinstrumente für Frauen. Das Protokoll garantiert afrikanischen Frauen und Mädchen weitreichende Rechte und enthält Bestimmungen zu Themen wie:

  • schädliche traditionelle Praktiken, etwa Kinderheirat und weibliche Genitalverstümmelung (FGM),
  • reproduktive Gesundheit und Rechte,
  • Rolle in politischen Prozessen,
  • wirtschaftliches Empowerment und
  • Beendigung der Gewalt gegen Frauen.

68. Frauenrechtskommission im März in New York

Armutsbekämpfung ist eines der Hauptthemen bei der anstehenden 68. Frauenrechtskommission in New York, die am Montag, den 11. März, beginnt. Es geht auch um die geschlechtergerechte Stärkung von internationalen Institutionen und der globalen Finanz- und Steuerpolitik. Brot für die Welt erwartet, dass Deutschland seine gewichtige Stimme innerhalb der Vereinten Nationen dafür nutzt, sich weltweit für eine bessere Finanzierung von frauengeführten Organisationen und Frauenrechtsorganisationen einzusetzen. Laut der Frauenrechtsorganisation AWID fließen bisher nur 0,13 Prozent aller öffentlichen Entwicklungsgelder an solche Organisationen. Nur 0,4 Prozent dieser Gelder unterstützen direkt Frauen- und LGBTQI*-Projekte. Farina Hoffmann, Referent*in für Gendergerechtigkeit bei Brot für die Welt wird an der 68. Frauenrechtskommission teilnehmen und sich dafür einsetzen, dass Empowerment und Vernetzung von Joemalu und anderen Partner*innen einen wichtigen Beitrag zur Geschlechtergerechtigkeit leistet.

Brot für die Welt setzt sich weltweit mit Partner*innen dafür ein, dass Frauen und Mädchen in all ihrer Diversität Zugang zu wirtschaftlichen, sozialen, politischen sowie sexuellen und reproduktiven Rechten sowie zu altersgerechter Aufklärung (Comprehensive Sexuality Education - CSE) erhalten. In diesem Sinne unterstützen wir die Selbstermächtigung von Frauen etwa durch Möglichkeiten zur Vernetzung und strategischem Austausch. Ein Hebel hierfür sind rechtebasierte und beitragsunabhängige soziale Sicherungssysteme. Frauen leisten laut der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) über 76 Prozent der unbezahlten Sorge- und Pflegearbeit, dreimal so viel wie Männer. Diese unbezahlte Arbeit ist einer der Hauptgründe für Altersarmut bei Frauen und LGBTQI*. In Ländern mit sehr geringer Teilhabe von Frauen und LGBTQI* auf dem regulären Arbeitsmarkt fallen sie oft durch das Raster der sozialen Sicherungssysteme. Daher müssen diese so gestaltet sein, dass alle Frauen und LGBTQI* besser als bisher vor Armut geschützt werden. Dies funktioniert über steuerfinanzierte Grundsicherung, eine Grundrente oder kostenlosen Zugang zur Gesundheitsversorgung.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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