Während der einwöchigen Tagung in Marrakesch wurde Weltbankpräsident Ajay Banga nicht müde zu versichern, dass die Weltbank in Anbetracht der aktuellen Krisen besser werden müsste: Es brauche höhere Ambitionen, stärkere Lösungen und eine verbesserte Finanzierung. Dafür wurde in Marrakesch ein Reformpaket für die Weltbank beschlossen. Im Zentrum steht die Erweiterung des Mandats der Weltbank: Zu den beiden bisherigen Zielen der Bank, der Bekämpfung extremer Armut und der Reduzierung von Ungleichheit, kommt ein drittes Ziel dazu, der Schutz Globaler öffentlicher Güter. So will sich die Bank für eine effektivere Bekämpfung von globalen Herausforderungen wie etwa der Klimakrise, Konflikten und Pandemien wappnen.
Die neue Mission der Bank: Armut auf einem lebenswerten Planeten beenden. Das Versprechen dabei: Als Erstes muss die Weltbank eine bessere Bank werden und dann eine größere. Doch wirft man einen Blick auf die in Marrakesch angestoßenen Veränderungen, springt einem als Erstes ins Auge, welche Punkte nicht angefasst wurden: Keine demokratischeren Prozesse, keine Abkehr der Priorisierung von Privatkapital und keine Beteiligung an Schuldenerlassen. Damit bleibt die Bank leider auf dem halben Weg stecken. Damit geht es am Ende doch wieder vor allem um eine „bigger Bank“.
Denn eines ist klar, die Ausweitung des Mandats bringt die Notwendigkeit einer erheblichen Aufstockung der Finanzierungskapazitäten der Bank mit sich. Die Frage ist, woher diese Mittel kommen sollen. Im April hatte die Bank auf ihrer Frühjahrstagung schon Maßnahmen beschlossen, um ihre Finanzkraft um 50 Milliarden US-Dollar zu steigern. In Marrakesch hat nur die Bundesregierung eine verbindliche Kapitalzusage gemacht, die das Ausleihvolumen der Weltbank in den nächsten zehn Jahren um rund 2,5 Milliarden Euro erhöhen soll. Das reicht für das Gesamtpaket an Aufgaben unter dem neuen Mandat der Bank nicht aus. Und so befürchten viele Länder aus dem Globalen Süden, die Kredite aufnehmen, dass die Ausweitung des Mandats Ressourcen von den bisherigen Kernaufgaben – der Bekämpfung von Armut und Ungleichheit – abziehen könnte. Das hätte insbesondere für die ärmsten Länder fatale Folgen.
Fokus auf privates Kapital birgt erhebliches Risiko
Die Weltbank wiederum setzt daher wie schon in der Vergangenheit weiter auf die Mobilisierung von Privatkapital. Über die Nutzung von Zuschüssen und Garantien aus öffentlichen Mitteln wird Privatkapital gehebelt. Und auch ihren Kaskadenansatz – der nun aber nicht mehr so genannt wird – verfolgt die Weltbank weiter. Dieser priorisiert den Einsatz von privaten Mitteln. Öffentliche Gelder sollen nur als letztes Mittel eingesetzt werden, wenn eine Finanzierung mit privatem Kapital nicht möglich ist. Aber solche Finanzierungsformen stehen grundsätzlich im Spannungsfeld von privater Rendite und öffentlichem Nutzen und bergen erhebliche Risiken. Das reicht von einem übermäßigen finanziellen Risiko für die öffentliche Hand bis hin zu ökologischen Risiken und der Gefahr von Menschenrechtsverletzungen bei der Durchführung von Projekten. In sensiblen Bereichen wie dem Bildungs- und dem Gesundheitssektor führten solche Finanzierungsformen in der Vergangenheit häufig dazu, dass ärmere Bevölkerungsgruppen von den finanzierten Leistungen, etwa Dienstleistungen oder Infrastrukturen, ausgeschlossen blieben.
Verpasste Chancen bei Mitbestimmung, Schulden, Fossile Energien
Für eine bessere Bank ist deutlich mehr nötig als nur zusätzliches Kapital. Vor allem braucht es die Möglichkeit für eine demokratische Mitbestimmung aller Beteiligten. Doch anders als bei den Vereinten Nationen gilt in der Weltbank nicht „ein Land – eine Stimme“ (one country – one vote). Vielmehr sind die Stimmrechte an die Höhe der Kapitaleinlagen gebunden (one dollar – one vote). Das führt dazu, dass die Wirtschaftsmächte des globalen Nordens nach wie vor die Entscheidungshoheit besitzen. Und das in einer Bank, deren Finanzierungen eigentlich den Ländern des Globalen Südens dienen sollen. Es ist ein fatales Versäumnis, dass die Chance nicht genutzt wurde, diesen Ländern ausreichend Mitspracherecht einzuräumen. Der UN-Generalsekretär Guterres hatte im Juni einen sehr weitreichenden Vorschlag für ein verändertes Stimmrechtssystem vorgelegt. Er schlägt vor, das „one-dollar-one-vote-System“ – durch den Faktor Bevölkerung zu ergänzen. Damit würden vor allem bevölkerungsreiche Länder an Stimmrechten gewinnen. Zusätzlich solle – nach dem Prinzip der doppelten Majoritäten – neben der Mehrheit der Stimmrechte auch die Mehrheit der Mitgliedsstaaten zustimmen müssen. Das würde die Ungleichheit im Machtverhältnis endlich wirkungsvoll angehen und eine effektive, gerechte Zusammenarbeit ermöglichen.
Auch in Sachen Schuldenkrise übt sich die Bank in Zurückhaltung. Zwar wurde die Möglichkeit geschaffen, künftig Klima-Schuldenklauseln in den Kreditverträgen (Climate Resilient Debt Clauses) aufzunehmen, mit denen ein Land, das von einer Naturkatastrophe betroffen ist, im Krisenfall seine Schulden kurzfristig nicht bezahlen muss. Trotz der aktuellen Schuldenkrise lehnt die Bank es aber weiter ab, sich an Schuldenerlassen zu beteiligen.
Eine ökonomisch nachhaltige Lösung der Schuldenkrise ist aber ein wichtiger Schlüssel, um eine sozial-ökologische Transformation im Globalen Süden voranzutreiben. Mittlerweile sind 136 Länder im Globalen Süden kritisch verschuldet. Einige dieser Länder müssen mehr Geld in den Schuldendienst stecken, als sie in Bereiche wie Gesundheit oder Bildung investieren. Ihnen fehlt schlicht der fiskalische Spielraum, um ihre Bevölkerung mit sozialen Grunddiensten zu versorgen und in Klima- und Umweltschutz zu investieren.
Auch ein vollständiger Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Projekte oder die Einhaltung der Menschenrechte als Leitprinzip der Kreditvergabe wurden in Marrakesch nicht beschlossen. Eine ökologischere Ausrichtung der Bank ist zwar ein erster richtiger Schritt. Dennoch bleibt es für die Weltbank noch ein weiter Weg zu einer wirksamen Transformationsbank, die diesen Namen verdient und das Wohl aller Menschen und des Planeten in den Mittelpunkt ihres Schaffens stellt.
Dieser Artikel wurde als Gastbeitrag auf Table.Media ESG veröffentlicht.