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Fossile Messe oder Erneuerbare für alle?

Verhandlungen über ein Energiepaket werden auf der Klimakonferenz COP28 in Dubai eine Schlüsselrolle spielen. Um das 1,5 Grad Limit in Reichweite zu halten, müssen ambitionierte Erneuerbaren Ziele, der schnelle Ausstieg aus allen fossilen Energien, konkrete Maßnahmen für einen gerechten Strukturwandel, und vor allem ein angemessenes Finanzierungspaket für den Globalen Süden beschlossen werden.

Von Dr. Joachim Fünfgelt am
Landwirt in Angola mit Solarpanel auf seinem Hausdach

Die 28. UN-Klimaverhandlungen (COP28) finden vom 30. November bis 12. Dezember 2023 unter der Präsidentschaft der Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) in Dubai statt. Damit findet die COP28 in einem Land statt, das als einer der größten Öl- und Gasexporteure weltweit enormen Reichtum angehäuft hat. Ein Land mit extrem hohen pro Kopf Emissionen und völlig unzureichenden Klimazielen. Bisher sehen die VAE fossile Energieträger als Teil der Lösung. Daher besteht die Gefahr, dass die COP28 zu einer Messe fossiler Scheinlösungen wird, wie zum Beispiel Carbon Capture and Storage (CCS) oder Kohlenstoffmärkte. Dazu passt, dass die VAE den Chef der staatlichen Ölgesellschaft ADNOC Dr. Sultan al-Jaber als Präsident der Verhandlungen eingesetzt haben.

Keine Zeit für Scheinlösungen

Dabei können wir uns schon lange keine fossilen Shows und Scheinlösungen mehr leisten. Rund drei Viertel der globalen Emissionen werden durch die Verbrennung fossiler Energieträgern erzeugt. Laut dem Emission Gap Report von UNEP aus dem Oktober 2023 würden die aktuell geplanten fossilen Fördermengen zu einem Anstieg der weltweiten Kohleproduktion bis 2030 und der weltweiten Öl- und Gasproduktion sogar bis mindestens 2050 führen. Um das 1,5-Grad und selbst das 2 Grad Limit nicht zu überschreiten, ist es dringend Zeit für einen Kurswechsel! Bis 2030 müssen die globalen CO2-Emissionen halbiert werden, damit die Welt das 1,5-Grad-Limit nicht überschreitet. Das ist ganz besonders wichtig für Länder des Globalen Südens, die am meisten unter den Folgen der Klimakrise leiden, aber kaum etwas dazu beigetragen haben. Energie spielt dabei eine Schlüsselrolle: Ohne einen schnelleren Ausbau der Erneuerbaren Energien und einen raschen, vollständigen Ausstieg aus fossilen Energieträgern werden wir sämtliche Klimaziele verfehlen. Die Internationale Energieagentur (IEA) hat wiederholt betont, dass keine weiteren fossilen Infrastrukturen geschaffen werden dürfen.

Wachstum bei den Erneuerbaren Energien

Mut macht, dass der Ausbau von Erneuerbaren Energien in den letzten Jahren exponentiell zugenommen hat. Allerdings ist der Ausbau immernoch zu langsam. Zur Erreichung der Klimaziele benötigen wir global in etwa eine Verdreifachung der jährlichen Investitionen in Erneuerbare. Darüber hinaus sind Länder des Globalen Südens, insbesondere die Least Developed Countries (LDCs), vom Erneuerbaren Wachstum bisher abgeschnitten. So wurden zum Beispiel nur 2 Prozent der weltweiten Investitionen in erneuerbare Energien in Afrika getätigt, obwohl der Kontinent rund 20 Prozent der Weltbevölkerung beheimatet  und  über etwa drei Fünftel der weltweit besten Solarstandorte verfügt. Betrachtet man nur LDCs, zeichnet sich ein noch schlimmeres Bild ab: weniger als 1 Prozent der globalen Investitionen in Erneuerbare wurden zwischen 2013 und 2020 in LDCs getätigt.

Ohne erheblich umfangreichere strukturelle und finanzielle Unterstützung durch reiche Länder wie Deutschland, droht der Globale Süden beim Ausbau der Erneuerbaren weiter abgehängt zu werden. Auch die Überwindung von Energiearmut ist ohne weitere finanzielle Unterstützung nicht zu schaffen. Viele Länder im Globalen Süden sind stark verschuldet. Hohe Zinsen behindern zudem den Ausbau von Erneuerbaren Energien vielerorts unnötig. Deshalb drohen auch im Globalen Süden weitere Investitionen in fossile Infrastrukturen, die mit weniger hohen Anfangsinvestitionen verbunden sind.

Ein verbindliches Maßnahmenpaket für Energie ist nötig

Deshalb ist es wichtig, dass die COP28 ein starkes Signal für den weiter beschleunigten Ausbau von Erneuerbaren Energien überall und für Alle setzt. Der zügige Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen ist dringend nötig. Dazu braucht es ein starkes, verbindliches Maßnahmenpaket für den Energiesektor. Diese Energie-Maßnahmenpaket sollte die folgenden Aspekte enthalten:

1. Einstieg in Erneuerbare und Effizienz

Es muss ein globales Ziel mindestens für die Verdreifachung der globalen Erneuerbaren Energie Kapazitäten bis 2030 beschlossen werden. Dafür sind auf dem Weg zu 100 Prozent Erneuerbarer Energien rund 1,5 Terrawatt jährlichen Zubaus bis 2030 notwendig, will man nicht auf falsche Lösungen wie CCS oder Atomkraft setzen. Ohne diesen raschen Zubau von erneuerbaren Energien ist der zügige Ausstieg aus fossilen Energien und die gleichzeitige Überwindung der Energiearmut im Globalen Süden bis 2030 nicht möglich.

Dabei gilt: Je größer die Erfolge beim Energiesparen, desto weniger Erneuerbare Energien werden benötigt und desto schneller kann der vollständige Ausstieg aus den Fossilen gelingen. Es sollte daher ein Ziel für die Verdopplung der jährlichen Energieeffizienzsteigerungen auf über 4 % pro Jahr bis 2030 beschlossen werden. Länder des Globalen Südens sollten trotzdem ihren Energieverbrauch deutlich erhöhen dürfen, damit sie Energiearmut überwinden können. Dagegen werden reiche Staaten mit bereits sehr hoher Energienachfrage wie Deutschland ihren Energieverbrauch drastisch senken müssen.

2. Ausstieg aus allen Fossilen

Es muss ein vollständiger, fairer und schneller Ausstieg aus allen fossilen Brennstoffen - Kohle, Öl und Gas - in allen Sektoren bis spätestens 2050 beschlossen werden. Zwar werden sich die Fossilen nicht dauerhaft gegen die Erneuerbaren Energien behaupten können, da sie bereits heute teurer sind als Photovoltaik und Windenergie. Um jedoch den Ausstieg im notwendigen Tempo und Umfang zu vollziehen und kurzfristig weitere Investitionen und Lock-in Effekte zu vermeiden, brauchen wir einen kontrollierten, fair gestalteten Rückgang und einen Plan für die Umsetzung des Ausstiegs. Dabei müssen Industrieländer schneller aussteigen und die Länder des Globalen Südens finanziell unterstützen. Der Einsatz von Technologien wie CCS sollte auf ein nicht vermeidbares Mindestmaß, zum Beispiel für Prozessemissionen, beschränkt bleiben.

3. Just Transition

Ein gerechter Strukturwandel (Just Transition) ist nur möglich, wenn Energiearmut beseitigt wird. Noch heute haben knapp 700 Millionen Menschen keinen Zugang zu Strom, über 2,3 Milliarden Menschen müssen zum Kochen und Heizen auf „traditionelle Biomasse“ – beispielweise Holz - zurückgreifen, mit erheblichen Gesundheits- und Umweltfolgen. Zugang zu Energie und der Aufbau von transparenten, demokratischen und diskriminierungsfreien Energiesystemen sind ein Fundament für Armutsbekämpfung und nachhaltige Entwicklung und müssen deshalb im Zentrum der Just Transition stehen.

Auch der Ausbau Erneuerbarer Energien bringt Risiken mit sich. Das für Batterien benötigte Lithium kann zu Raubbau an der Natur und Verletzung der Rechte indigener Völker führen. Solar- und Windanlagen benötigen Landflächen, so dass es zur Verletzung von Landrechten und Landnutzungskonflikten kommen kann. Die Produktion von grünem, erneuerbarem Wasserstoff kann dazu führen, dass der Export von Energie auf Kosten des lokalen Energiezugangs und der Energieversorgung priorisiert wird. Deshalb ist es wichtig, dass der Ausbau von Erneuerbaren Energien und der Ausstieg aus den Fossilen sozial gerecht stattfinden. Hierfür werden strikte soziale und ökologische Leitlinien für den Energiesektor benötigt, die zum Beispiel im Rahmen des UNFCCC “Work Programmes on Just Transition Pathways” definiert werden sollten.

4. Finanzierungspaket

Die genannten Ziele werden im Globalen Süden ohne eine deutliche Steigerung der finanziellen Unterstützung und ohne strukturelle Reformen in der internationalen Finanzarchitektur nicht erreichbar sein. Deshalb müssen reiche Länder mit hohen Emissionen die Länder des Globalen Südens unterstützen, u.a. durch finanzielle Mittel, Technologietransfer und Kapazitätsaufbau. Regierungen im Globalen Süden müssen in die Lage versetzt werden, in Energiezugang, in Stromnetze, in Bildung und den Aufbau grüner Industrien zu investieren. Ohne diese staatlichen Investitionen werden auch die privaten Investitionen nicht ausreichend steigen können.

Neben einem finanziellen Unterstützungspaket ist deshalb eine umfassende Reform des globalen Finanzsystems notwendig. Viele Länder des Globalen Südens sind massiv verschuldet. Schulden- und Zinstilgungen werden in den kommenden Jahren Höchstwerte erreichen. Allein auf dem afrikanischen Kontinent sind 20 Länder akut gefährdet, in einen Schuldennotstand zu geraten. Dadurch ist kaum fiskalischer Spielraum für die notwendigen Investitionen in den Aufbau Erneuerbarer Energiesysteme vorhanden. Zusätzlich erschweren weitere Rahmenbedingungen die notwendigen Investitionen. So liegen Zinssätze für die Finanzierung von erneuerbaren Energieprojekten im Globalen Süden viel höher als in reichen Industrieländern. Generell sind diese Kapitalkosten zu Ungunsten der Länder des Globalen Südens verzerrt, zum Beispiel werden Wechselkursrisiken oft überbewertet. Aus diesen Gründen muss eine entsprechende Reform der internationalen Finanzarchitektur angestrebt werden. Kurzfristig benötigen Länder des Globalen Südens umfassende Schuldenerlasse und eine deutlich erhöhte Bereitstellung von stark vergünstigten Krediten und Zuschüssen.

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