„Wir wollen keine Handelsabkommen, die unser Land zur ewigen Rolle des Rohstoffexporteurs verdammen.“ Das sagte der brasilianische Präsident Lula da Silva in seiner Antrittsrede. Genauso wie sein argentinischer Amtskollege Alberto Fernández fordert er Nachverhandlungen des geplanten Handelsabkommens zwischen der EU und den im „Gemeinsamen Markt des Südens“ (MERCOSUR) organisierten Staaten Südamerikas. Die südamerikanischen Politiker fürchten, dass der wirtschaftliche und technische Vorsprung der EU durch das Abkommen noch größer wird. Auch die lokale Zivilgesellschaft ist kein Fan der Vereinbarung und warnt davor, dass kleine und mittelständische Unternehmen durch einen Abbau der Zölle und dadurch steigende Importe aus Europa vom Markt verschwinden. Arbeitslosigkeit und Armut würden steigen. Sie wollen deshalb den gesamten Vertrags-Prozess auf Null setzen.
In der EU hingegen drängen die Verantwortlichen auf eine schnelle Unterzeichnung. Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs aus der EU und Lateinamerika Mitte Juli steht das Thema ganz oben auf der Agenda. Kein Wunder, die EU profitiert klar von dem Abkommen. Und politisch ist es einfacher, sich für mehr Importe von Lithium, Bauxit oder Eisenerz einzusetzen, statt dringend notwendige Regelungen zur Kreislaufwirtschaft und zum Recycling anzugehen, die den Rohstoffhunger Europas zügeln würden.
Partnerschaft auf Augenhöhe
Dabei müssen wir weltweit unsere Wirtschaft in Richtung Klimaneutralität und Ressourcenschonung umstellen. Das Abkommen jedoch behindert eine sozial-ökologische Transformation eher, als sie zu begünstigen. Die Regeln zum Schutz des geistigen Eigentums etwa verhindern einen Wissens- und Technologietransfer, den die Staaten des MERCOSUR aber brauchen, um klimaneutrale Technologien produzieren zu können. EU-Konzerne hingegen können weiter in die fossile Energiewirtschaft in Südamerika investieren und verursachen damit schwere Klima- und Umweltschäden.
Ein modernes Handelsabkommen wäre eine Chance, gemeinsam die Klimakrise zu bewältigen und die wachsende Armut zu beseitigen. Deshalb sollten wir den Ball der südamerikanischen Zivilgesellschaft aufnehmen und einen Neustart in den EU-MERCOSUR-Beziehungen wagen. Das Ziel muss sein: Eine Partnerschaft auf Augenhöhe für eine nachhaltige, armutsmindernde Ökonomie.
Hinweis: Der Beitrag ist am 8. Juli 2023 als Kolumne Gastwirtschaft in der Frankfurter Rundschau erschienen.