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Geflüchtet aus Bergkarabach

Jedes Jahr an Gründonnerstag möchte ich an Menschen erinnern, die auf der Flucht sind. In diesem Jahr: in Armenien. Die Aufnahme und Begleitung von Geflüchteten aus Bergkarabach verlangt den zivilgesellschaftlichen Organisationen dort viel ab. Schnelle Hilfe, perspektivische Unterstützung und immer wieder einfach ein offenes Ohr.

Von Dr. Dagmar Pruin am
Familie Stepanyan am Abend in der Bauernstube.

Familie Stepanyan floh aus Bergkarabach und bewirtschaftet jetzt einen kleinen Bauernhof im Ort Salli.

In den letzten Jahren habe ich von der Situation der Geflüchteten an der europäischen Außengrenze zwischen Bosnien und Kroatien berichtet, in der Türkei mit syrischen Geflüchteten gesprochen, ukrainische Familien besucht, die vor dem Krieg in ihrer Heimat nach Rumänien und Moldawien geflohen waren, und habe von den intern Vertriebenen im Südsudan berichtet.

Heute schaue ich nach Armenien, wo die Menschen derzeit mit ganz besonderen Herausforderungen zu tun haben. Kurz vor der Karwoche konnte ich ausführlich mit unseren Partner-Organisationen vor Ort ins Gespräch kommen. Die Aufnahme und Begleitung von Geflüchteten aus Bergkarabach verlangt den zivilgesellschaftlichen Organisationen „Kasa Foundation“, „Armenia Round Table Foundation“ und „Community development NGO“ seit Monaten enorm viel ab: schnelle Hilfe, perspektivische Unterstützung und immer wieder einfach ein offenes Ohr.

Flucht Hals über Kopf

Dabei bleibt die Lage komplex: Über 100.000 Menschen mussten im September 2023 ihre Heimat Hals über Kopf verlassen – konnten nur mitnehmen, was in Taschen und Autos Platz fand. Seit dem Zerfall der Sowjetunion hat es zwischen Armenien und Aserbaidschan immer wieder militärische Auseinandersetzungen gegeben. Meist um Bergkarabach, eine seit Jahrhunderten mehrheitlich von ethnischen Armenier*nnen bewohnte Bergregion, die seit der Auflösung der Sowjetunion völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehört. Nach den Kriegen 2020 und 2023 übernahm das Land die volle Kontrolle über Bergkarabach und die armenische Bevölkerung wurde vertrieben. Seitdem steht das Schicksal der Geflüchteten für viele Menschen dort auch für die Ohnmacht Armeniens.

Verwandt, aber unterschiedlich

Unsere Partner-Organisationen versuchen eine Kultur des Voneinander-Lernens zwischen der armenischen Gesellschaft und den Vertriebenen zu etablieren. Denn die Geflüchteten sind zwar auch Armenier*innen, trotzdem gibt es Unterschiede in Kultur, Sprache und Bedürfnissen, was das Miteinander oftmals erschwert. Beispielsweise lernen Kinder aus Bergkarabach in der Regel Russisch als erste Fremdsprache und sprechen Armenisch als Muttersprache, während in Armenien das Bildungssystem den Schwerpunkt auf Englisch als Hauptfremdsprache legt. Alltägliche Probleme wie diese, vor allem aber die Tatsache, dass viele Geflüchtete gar nicht angepasst leben wollen, sondern den tiefen Wunsch verspüren, in ihre Heimat zurückzukehren, auch um ihr kulturelles Erbe zu schützen, erschweren die Integration.

Und weil sie zu entsprechenden Programmen keine Mitsprachemöglichkeit haben und im Falle eines Scheiterns politisch und medial verantwortlich gemacht werden, fühlen viele Geflüchtete sich laut unserer Partner*innen vom Staat im Stich gelassen. Dabei sind die Rechte der Vertriebenen ungeklärt. Die Möglichkeit zur Rückkehr bleibt ungewiss.

Nothilfe und langfristige Perspektiven

Neben akuter Hilfe, das betonen unsere Partner, sei es deshalb enorm wichtig, auch langfristige Perspektiven zu schaffen. Organisationen wie „Kasa Foundation“, „Armenia Round Table Foundation“ und „Community development NGO“ fordern perspektivische Strategien mit Fokus auf Bildung, kritischem Denken, sozialer Integration.

Für viele Hilfsorganisationen stellt die Situation vor Ort derweil immer noch einen Wendepunkt dar: von Entwicklungsprojekten zur Nothilfe. Unsere Partnerorganisationen begegnen dem mit beeindruckendem Engagement. Sei es durch Bildungsprogramme, Rechtsberatung oder das Schaffen von Jobs, um ein eigenes Einkommen erwirtschaften zu können.

Herausforderungen für die Zukunft

Trotzdem stellt die Integration der geflüchteten, teils tief traumatisierten Menschen, die aufnehmenden armenischen Gemeinden vor große Herausforderungen. Nicht nur organisatorisch, sondern auch gesellschaftlich. Wohnraummangel, fehlende Arbeitsplätze, rechtliche Unsicherheiten und Spannungen im Zusammenleben erschweren vielerorts den Alltag. Dabei dient laut der Partner-Organisationen auch die enge Zusammenarbeit mit kirchlichen Strukturen als Brücke zu den heimatvertriebenen Menschen. Kirchen und kirchliche Organisationen spielen eine zentrale Rolle bei Nothilfe, Unterbringung und psychosozialer Betreuung. Besonders wichtig seien dabei die Zugänge zu vertriebenen Familien über Priester, der Einsatz sozialer Zentren sowie die Hilfe bei Bedarfsanalysen.

Die Lage in Armenien ist instabil, komplex und herausfordernd. Dagegen stehen starke zivilgesellschaftliche und kirchliche Strukturen, die Verantwortung übernehmen. Die Zusammenarbeit mit internationalen Partnern bleibt zentral, um langfristig Resilienz und ein friedliches Miteinander zu ermöglichen. Wir als Brot für die Welt und Diakonie Katastrophenhilfe stehen fest an der Seite unserer Partner. Nicht nur heute am Gründonnerstag. Ihre Arbeit ist Ausdruck von Mitmenschlichkeit und ein Zeichen dafür, wie lokale Verantwortung und internationale Solidarität Hand in Hand gehen können.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.

56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

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