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Klimapolitik muss feministisch sein

Klimagerechtigkeit ist eng verknüpft mit Geschlechtergerechtigkeit. Feministische Politiken, die Geschlechterungleichheiten bekämpfen, zeigen gleichzeitig auch Wege aus der Klimakrise auf. In den vergangenen Jahren erleben wir jedoch bei internationalen Konferenzen rückschrittliche Entwicklungen beim Thema Geschlechtergerechtigkeit, auch bei den Weltklimakonferenzen (COP).

Von Farina Hoffmann am
Erlinda Pillajo (49) und Frauen von Biovida halten ein Plakat hoch

Erlinda Pillajo (49) und die Frauen von Biovida auf der Demonstration am Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen in Cayambe

Projektpartner: SEDAL - Fundacion Servicios para el Desarrollo Alternativo

Geschlechtergerechtigkeit bedeutet, dass alle Geschlechter die gleichen Rechte haben und diese auch umgesetzt werden. In dem aktuellen patriarchalen System gibt es wenige Menschen, die sehr viel Macht besitzen und von dem System profitieren: unter anderem weiße (weiß bezeichnet hier keine Hautfarbe, sondern geht auf das rassistische Privileg als weiße Menschen ein), vermögende, able-bodied (bedeutet nicht be_hindert), endo (bedeutet nicht inter*), cis (bedeutet nicht trans*) Männer. Bei der Gruppe, welche vom Patriarchat diskriminiert wird, sprechen wir von endo cis Frauen, Lesben, inter*, nicht-binäre*, trans* und agender Menschen (FLINTA*). Die Eingruppierung in FLINTA* und LGBTIQ* überschneidet sich teilweise (Lesben, inter*, trans*) ergänzen die Identitäten von FLINTA* allerdings um einige sexuelle Orientierungen (bisexuell, queer*, schwul). Identitäten wie nicht-binär* sind nicht eingeschlossen, weil LGBTIQ* im gemeinsamen Kampf zur freien Auslebung von Sexualität geprägt wurde. Mit der Diskriminierung von unterschiedlichen Geschlechtern verschränken sich mehrere Machtsysteme wie zum Beispiel Rassismus und Klassismus. Der Begriff für diese Verschränkungen heißt Intersektionalität.

Zusammenhang zwischen Geschlecht und Klima

Beim Thema Klimagerechtigkeit spielen diese unterschiedlichen Machtstrukturen und Diskriminierungen eine entscheidende Rolle. Ein feministischer Ansatz zu Klimagerechtigkeit baut auf der Analyse auf, dass die Klimakrise und Geschlechterungerechtigkeit zwei Symptome derselben Ursache sind: eines Systems, das neokolonial, rassistisch und patriarchal ist.

FLINTA* sind stärker als endo cis Männer von der Klimakrise betroffen, denn die Klimakrise verschärft bestehende Ungerechtigkeiten. LGBTIQ* werden aufgrund von Stigmatisierung häufiger von ihrer Familie ausgegrenzt oder verstoßen. In den USA machen LGBTIQ* 20 bis 40 Prozent aller Wohnungslosen aus und damit überproportional viel im Vergleich zu fünf bis zehn Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Wohnungslosigkeit macht sie viel anfälliger für Extremwetterereignisse und Naturkatastrophen. FLINTA* übernehmen weltweit den Großteil der unbezahlten Haus- und Pflegearbeit, rund zweieinhalb Mal mehr als endo cis Männer. Bei der Flucht oder Migration ist es bedeutsam schwieriger mit pflegebedürftigen Menschen zu fliehen. Auf internationalen Konferenzen und in Klimapolitiken, wird immer wieder die Betroffenheit von FLINTA* von der Klimakrise hervorgehoben. Das Darstellen von FLINTA* als „Opfer“ der Klimakrise ist ein patriarchales Muster, spricht ihnen Handlungsmöglichkeiten ab und ignoriert, dass FLINTA* mit feministischen Ansätzen Lösungen für die Klimakrise haben und bereits umsetzen.

Geschlechtergerechte Klimapolitik

Vor allem in der internationalen Klimapolitik ist es wichtig, Geschlechtergerechtigkeit schon bei der Entstehung von Gesetzen und Konzepten mitzudenken. Wenn dies nicht geschieht, ist das Risiko sehr hoch, dass sich Ungerechtigkeiten weiter durch Klimapolitiken manifestieren. Wenn es um den weltweiten Widerstand gegen klimaschädliche Fluginfrastruktur geht, führen vor allem indigene FLINTA* die Proteste an. Die junge indigene Quechua Rocío Ccjuiro kämpfte gegen den internationalen Flughafens Chinchero in Cusco. Sie kritisierte, dass indigenes Land für die Erbauung genutzt wurde und kein Konsultationsprozess mit den Indigenen geführt wurde. In Indien und Indonesien blockierten FLINTA* Straßen, besetzten ihre eigenen Häuser und organisierten zivilen Widerstand, um den Bau von Flughäfen zu verhindern. Nichtzuletzt wurden auch internationele Organisationen zur Vernetzung lokaler Widerstände gegen Fluginfrastruktur (siehe Global Anti-Aerotropolis Movement und Stay Grounded) von FLINTA* gegründet und Forschungen zum Widerstand von FLINTA* geleitet und vorangebracht.

Auch bei Mobilität zeigt sich eine enge Verknüpfung zwischen Geschlecht und Klima. Beispiele für feministische Klimapolitik sind die Konzepte der autofreien Stadt oder der Stadt und Region der kurzen Wege. Während FLINTA* häufiger kurze Strecken für Sorgearbeit zurücklegen (z. B. für Einkäufe, Kinder abholen, pflegebedürftige Angehörige besuchen) und Arbeitsplätze in der Nähe des Wohnortes suchen, legen endo cis Männer meist längere Strecken zur Arbeit zurück. Die Stadt und Region der kurzen Wege bedeuten zum einen, Emissionen zu verringern, und stellt zum anderen, durch den kleinen Fortbewegungsradius, Bedürfnisse von Sorgearbeitenden ins Zentrum der Raumplanung.

Gender @COP 28

Auch bei der diesjährigen Weltklimakonferenz (COP 28) in Dubai wird bei den Verhandlungen zum Klima das Thema Gender eine Rolle spielen. Die Vereinigten Arabischen Emirate haben versprochen, dass es die bisher inklusivste COP werden soll. Allgemein wird bei den Verhandlungen das Thema Geschlechtergerechtigkeit häufig als Querschnittsthema verstanden, damit jedoch auch oft außen vorgelassen. Unter dem Gender-Aktionsplan (GAP) wird Geschlechtergerechtigkeit explizit verhandelt.

2019 wurde der GAP bei der Weltklimakonferenz in Madrid verabschiedet und als großer Erfolg gefeiert. In den vergangenen Jahren sind jedoch alarmierende Rückschritte zu beobachten. Zum einen werden wichtige Formulierungen gestrichen, welche zum Beispiel anerkennen, dass indigene FLINTA* gehört werden und deren Ideen zentral in der Bekämpfung der Klimakrise sein müssen. Hierzu zählen unter anderem das Wissen um nachhaltige Landwirtschaft und Sortenvielfalt, sowie das grundsätzliche Verständnis eines Lebens in Harmonie mit und als Teil von "Pechamama", der Muttererde. Auch wurde der Auftrag zum Schutz von Umwelt- und Menschenrechtsaktivist*innen aus Texten entfernt, ebenso wie Verweise auf die Sicherung von sexuellen, reproduktiven und Gesundheitsrechten (SRGR). Zum anderen wird die tatsächliche Umsetzung des GAP verhindert. Der Austausch zur Finanzierung des GAP mit dem Finanzgremium der UN-Klimarahmenkonvention, wie im GAP beschlossen, lässt seit Jahren auf sich warten. Die Empfehlungen von Indigenen und lokalen Gemeinschaften fanden auf der COP 27 wenig Gehör, da viele Vertreter*innen der Länder oder sogar gesamte Länderdelegationen nicht zu dem Termin erschienen. Der Zusammenschluss feministischer Organisationen bei den Klimakonferenzen (Women and Gender Constituency) äußerte scharfe Kritik an den Rückschritten der GAP-Verhandlungen und stellte in Frage, ob die Weltklimaverhandlungen überhaupt noch als Ort dienen können, um Geschlechtergerechtigkeit voranzubringen.

Feministische Forderungen bei Klimaverhandlungen umsetzen

Es ist an der Zeit, feministische Forderungen im Rahmen der Klimaverhandlungen endlich umzusetzen. Diese Forderungen der Women and Gender Constituency sind unter anderem 1) die umfassende und inklusive Teilhabe von FLINTA* an allen Klimaaktivitäten, 2) die Umsetzung des Gender-Aktionsplans, 3) die Ziele der zugesicherten Klimafinanzierung des Globalen Nordens im Sinne von sozialer und Geschlechtergerechtigkeit zu erfüllen, 4) Scheinlösungen wie Net Zero, Emissionshandel, CO2-Kompensationen und naturbasierte Lösungen, als solche aufzuzeigen und als gefährliche Ablenkungen von richtigen Lösungen (zum Beispiel die gesamte Emissionen im Globalen Norden zu reduzieren ("real zero") statt Emissionen auszulagern oder sich auf technische Lösungen zu verlassen ("net zero") und globale Großkonzerne für die von ihnen verursachten Emissionen und Umweltverschmutzungen zahlen zu lassen), zu demaskieren und 5) eine gerechte Energietransformation sowie 6) resiliente, gender-transformative Klimabildung umzusetzen.

Lesehinweise und Quellen

[1] Erklärung warum weiß als Positionierung kursiv geschrieben wird: https://glossar.neuemedienmacher.de/glossar/prefix:w/

[2] Studie aus den USA von 2019 zu der hohen Prozentzahl an LSBTIQ* unter Wohnungslosen: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6695950/ (Englisch)

[3] Artikel von UN Women zur Höheren Belastung von FLINTA* in der Haus- und Pflegearbeit: https://www.unwomen.org/en/news/in-focus/csw61/redistribute-unpaid-work (Englisch)

[4] Zahlen und Informationen zum Widerstand von FLINTA gegen die Flugindustrie: https://ejatlas.org/featured/airport-conflict-around-the-world (Englisch); https://stay-grounded.org/womens-role-in-resisting-airport-related-environmental-injustice/ (Englisch); https://www.servindi.org/actualidad-noticias/06/01/2017/si-hasta-mi-piel-es-color-de-la-tierra-como-me-voy-ir (Spanisch); https://antiaero.org/ (Englisch)

[5] Inklusion bei der COP28 in Dubai: https://www.cop28.com/en/accessibility

[6] Artikel über die Bedeutung indigenen Wissens von FLINTA* in der Klimadebatte: https://medium.com/notwithoutus/indigenous-perspectives-at-cop-26-cad7729dd394 (Englisch)

[7] Women and Gender Constituency, die Interessensgruppe der Zivilgesellschaftlichen Organisationen zu Geschlechtergerechtigkeit bei den Weltklimakonferenzen, deren Statement zum Stand von Geschlechtergerechtigkeit in den Klimaverhandlungen: https://womengenderclimate.org/no-gender-justice-in-the-gender-action-plan-gap/ und deren Forderungen: womengenderclimate.org/wgc-cop27-key-demands/

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