„Kwa ujoma we rise!“ lautete das Motto der ILGA-Weltkonferenz auf Swahili und Englisch. Das Motto bedeutet frei übersetzt so viel wie „Zusammen/Vereint organisieren wir uns!“. Seit 1970 veranstaltet ILGA World die Weltkonferenz, welche alle zwei Jahre immer in einem anderen Land stattfindet – nach 25 Jahren erstmals wieder auf dem afrikanischen Kontinent. Die Wahl des Ortes ist auch der Kriminalisierung von LGBTQIA+ in sehr vielen Ländern des Kontinents geschuldet. Aktuell sehen wir vor allem auf dem afrikanischen Kontinent eine deutliche Verschlechterung der LGBTQIA+-Rechte, wie zuletzt in Uganda und Ghana. Die Konferenz in Südafrika sollte vor allem die Aufmerksamkeit auf die zunehmende Kriminalisierung lenken und insbesondere afrikanische LGBTQIA+-Organisationen stärken. 40 Prozent der Teilnehmenden waren Afrikaner*innen.
Auf der Konferenz wurden Themen diskutiert wie die strategische Prozessführung gegen Anti-LGBTQIA+-Gesetze, die zumeist von Kolonialmächten eingeführt wurden. Andere Fragen, die aufgegriffen wurden, waren: Wie können Gewerkschaften queere Arbeitsrechte schützen? Wie überlappen sich Diskriminierungen gegen Aktivist*innen, die LGBTQIA+ und indigen sind? Ziel war es regionale und thematische Allianzen zu schmieden, Heilung, Selbstwirksamkeit und gegenseitige Stärkung (Empowerment) rund um queere Rechte zu erfahren. Nicht zuletzt ging es auch um den Umgang mit Religionen und wie diese die Gewalt und Diskriminierung von LGBTQIA+ verstärken.
Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit in queeren Communities
Die stellvertretende südafrikanische Frauenministerin Mmapaseka Steve Letsike erinnerte an Simon Nkoli. Der Schwarze schwule Aktivist kämpfte zusammen mit Beverley Ditsie und anderen in der queeren Bewegung Südafrikas Mitte bis Ende des 20. Jahrhunderts erfolgreich dafür, dass in der neuen Verfassung von 1994 queere Menschen ausdrücklich geschützt sind und die gleichgeschlechtliche Ehe erlaubt ist. Dies macht die junge südafrikanische Verfassung zu einer der progressivsten der Welt. Letsike betonte, dass Armut, Ungleichheit und Arbeitslosigkeit die größten Probleme der queeren Community in Südafrika seien und dass intersektionale Herangehensweisen, also Armut und Queerness zusammen zu denken, dringend nötig seien, um sich erfolgreich für Gerechtigkeit einzusetzen.
Solidarität ist dringend nötig!
Zum Abschluss sprach Graeme Reed, südafrikanischer UN-Experte gegen Gewalt aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität (SOGI). Er erinnerte daran, wie aussichtslos die Kämpfe gegen das Unrechtsregime der Apartheid seinerzeit schienen, und betonte, wieviel Unterstützung dafür aus dem Ausland gekommen sei. Das zeige, wie international die Bewegung für Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaat schon immer gewesen sei.
Fortschritte in den letzten Jahren waren, dass Rechte von intergeschlechtlichen und trans* Menschen anerkannt und Homosexualität in vielen Ländern entkriminalisiert wurden. In Indien wurde 2018 die Bestrafung von Homosexualität durch alte Kolonialgesetze durch die dortige Bewegung abgeschafft. Alle Referent*innen riefen dazu auf, die Demokratie zu verteidigen gegen fundamentalistische Bewegungen, die sie schwächen wollen und dabei oft als Erstes auf die Rechte von LGBTQIA+ und Frauen abzielen. Jetzt sei die Zeit zu handeln, die Zeit für Solidarität zwischen Regionen, Geschlechtern, sozialen und rassifizierten Gruppen. Die Religion spiele dabei eine wichtige Rolle, denn sie sei es, die soziale Normen präge.
Religiosität: Ein wichtiges Thema der Konferenz
Religiöse Menschen und christliche oder muslimische Gläubige, die selbst queer sind oder die sich für die Akzeptanz von LGBTQIA+ und gegen Gewalt einsetzen, begegneten sich während der Konferenz im interreligiösen Gebetsraum oder in Workshops. Eigens hierfür gibt es auf den ILGA-Weltkonferenzen auch immer wieder eine interreligiöse Vorkonferenz, die einen Tag dauert, um diesen Austausch zu bestärken. Wichtige Themen dabei waren in diesem Jahr die zentrale Rolle religiöser Akteur*innen für die Entstehung von Anti-LGBTQIA+-Gesetzen und Strategien zur globalen Vernetzung und Stärkung von LGBTQIA+-unterstützenden Gemeinden und Kirchen. Hierzu leistete auch Brot für die Welt einen Beitrag. In Vorbereitung auf die Konferenz traf sich Brot für die Welt in Kooperation mit dem Global Interfaith Network (GIN SSOGIE) mit Partnerorganisationen. Ziel des Treffens war sich auszutauschen, wie die Kommunikation mit Kirchenstrukturen gelingen kann, um Unterstützung für LGBTQIA+-Anliegen zu erwirken.
Die Arbeit zur ILGA-Weltkonferenz und das Partnertreffen fanden in Zusammenarbeit mit Tina Kleiber, Referentin Frauenrechte und Empowerment von Brot für die Welt statt.