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Globaler Flüchtlingsschutz vor dem Aus?

Ausgerechnet am Weltflüchtlingstag (20.6.) diskutieren Bundeskanzler und Regierungschefs der Länder die Möglichkeit, Asylverfahren und Schutz an Drittstaaten auszulagern. Brot für die Welt-Partner kritisieren: Der Ansatz ist weltfremd – und brandgefährlich, da er zentrale Säulen des globalen Flüchtlingsschutzes ins Wanken bringt. Notwendig ist stattdessen solidarische Unterstützung weltweit.

Von Dr. Andreas Grünewald am
Demonstration gegen den UK-Ruanda-Deal vor dem Gerichtshof in London

Demonstration gegen den UK-Ruanda-Deal vor dem Gerichtshof in London

Es war eine Nachricht, die in Europa für Irritationen sorgte: Aus den USA sickerten Anfang Juni Pläne durch, Schutzsuchende, die für die USA Asyl beantragen, nach Griechenland und Italien auszufliegen. Eine bizarre Vorstellung. Italien und Griechenland – zwei Staaten, die Flüchtende mit Gewalt von den EU-Außengrenzen zurückdrängen – diese zwei Staaten also sollen als sichere Häfen für lateinamerikanische Geflüchtete dienen? Klingt ziemlich absurd. Und zeigt zugleich, wie weit sich die Abwärtsspirale im globalen Flüchtlingsschutz mittlerweile gedreht hat.

Deutsche Debatten um die Auslagerung des Flüchtlingsschutzes

Auch Deutschland ist dabei, an dieser Spirale zu schrauben. Im Auftrag der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK), die sich seit der Corona-Zeit zu einem neuen Machtzentrum in der Bundesrepublik entwickelt hat, prüft die Bundesregierung: Was sind die rechtlichen Voraussetzungen, unter denen Deutschland Asylverfahren an Drittstaaten auslagern kann? Ist das Italien-Albanien-Modell (Auslagerung von Verfahren) oder das UK-Ruanda-Modell (Auslagerung von Schutz) hierzulande umsetzbar? Wie könnte das praktisch funktionieren? Diesen und ähnlichen Fragen ging das Innenministerium (BMI) in fünf ganztägigen Anhörungen nach. Basierend darauf erstellt das BMI einen ersten Zwischenbericht, der bei der MPK am 20.6. präsentiert wird. Ausgerechnet am Weltflüchtlingstag diskutieren Kanzler und Länderchefs also, wie sie sich der Schutzverantwortung Deutschlands entziehen können. Ein fragwürdiges Signal an die internationale Gemeinschaft.

Fragwürdig ist aus unserer Sicht auch, dass bei den Anhörungen nur deutsche und einige europäische Sachverständige geladen waren. Nicht vertreten waren Expert*innen aus dem Globalen Süden – also den möglichen Partnerländern. Eine eklatante Leerstelle. Wir konnten diese Leerstelle durch die eigene Beteiligung an einer der Anhörungen zwar nicht füllen. Zumindest war es so aber möglich, afrikanische Perspektiven in die eigene Stellungnahme aufzunehmen.

Warum die Auslagerung von Asylverfahren keine Option ist

Im Vorfeld der Anhörung sprachen wir mit mehreren afrikanischen Partnerorganisationen und Expert*innen, die praktisch, politisch oder wissenschaftlich im Bereich Flucht und Migration tätig sind. Ihr Urteil ist eindeutig: Die Auslagerung von Asylverfahren ist eine weltfremde und zugleich gefährliche Idee. Weltfremd, da es kaum Länder gibt, die zur Aufnahme einer größeren Zahl Schutzsuchender aus Europa bereit sind. Afrika ist bereits jetzt der Kontinent, der mit Abstand am meisten Geflüchtete beherbergt. Viele afrikanische Staaten kämpfen zudem mit wirtschaftlichen und politischen Krisen. Unter diesen Bedingungen sind weder Kapazitäten noch eine gesellschaftliche Bereitschaft vorhanden, nun auch noch Schutzsuchende aus Europa aufzunehmen.

Gefährlich ist der Ansatz, da er zentrale Säulen des globalen Flüchtlingsschutzes in Wanken bringt. So ist völlig unklar, wie im Rahmen der Auslagerungspläne grundlegende Rechte von Schutzbedürftigen wie das Recht auf rechtsstaatliche Verfahren und effektiven Schutz gewährleistet werden können. In Gefahr ist aber nicht nur das individuelle Recht auf Asyl. In Gefahr ist die gesamte Architektur des globalen Flüchtlingsschutzes, wie das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR warnt. Sollten Deutschland und weitere EU-Staaten ihre Auslagerungspläne nicht fallen lassen, könnte dies eine gefährliche Kettenreaktion auslösen. Immer mehr Staaten könnten sich ihrer Schutzverantwortung entziehen. Ein flüchtlingspolitischer Supergau, wie die All Africa Conference of Churches, Partnerorganisation von Brot für die Welt, fürchtet:

„Wenn dieser Ansatz wirklich umgesetzt wird, wo soll das hinführen? Was bleibt uns noch, wenn die Grundsätze des internationalen Flüchtlingsschutzes, die seit dem zweiten Weltkrieg in mühevoller Arbeit aufgebaut wurden, in sich zusammenbrechen?“

Dazu kommen hohe außenpolitische Kosten. Wie das Beispiel Ruanda zeigt, dürften vor allem autoritär regierte Staaten offen für Auslagerungsdeals sein. Sie erhoffen sich davon unter anderem finanzielle Vorteile und eine diplomatische Aufwertung. Damit unterläuft diese Form der Migrationsaußenpolitik nicht nur wichtige Ziele der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik, wie die Förderung von Demokratie und Freiheitsrechten. Zudem droht sie die Abhängigkeit Deutschlands von fragwürdigen und unberechenbaren Regimen weiter zu verstärken. Nicht zuletzt würde auch die moralische Glaubwürdigkeit Deutschlands und der EU weiter sinken, wie ein Gesprächspartner vom African Center for the Study and Research on Migration formuliert:

„Europa muss sich fragen, welches Bild es auf internationaler Ebene abgeben möchte. Das moralische Ansehen Europas hat in den letzten Jahren gelitten. Es wird weiter Schaden nehmen, wenn die Würde von Migrant*innen völlig missachtet wird. Menschen dürfen nicht wie Vieh behandelt werden, das beliebig zwischen Ländern und Kontinenten hin und her verfrachtet wird.“

Wir fordern: Flüchtende weltweit schützen, auch in Deutschland

Rund 120 Millionen Menschen sind nach jüngsten Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR weltweit auf der Flucht. Das ist ein Anstieg um zehn Prozent zum Vorjahr. Dieser traurige Rekordwert macht deutlich: Wir stecken in einer globalen Flüchtlingskrise. Es ist der falsche Weg, dieser globalen Herausforderung mit einem schrittweisen Rückzug aus dem Flüchtlingsschutz zu begegnen. Die Kosten der Auslagerung von Asylverfharen sind viel zu hoch. Zudem wird der Ansatz keinen Beitrag zur Entlastung des deutschen Asylsystems leisten. Deshalb fordert Brot für die Welt gemeinsam mit 308 weiteren Organisationen den Bundeskanzler und die Länderchefs in einem offenen Brief auf, den Plänen zur Auslagerung von Asylverfahren eine klare Absage zu erteilen. Anstatt viel Zeit und Geld in die Umsetzung unrealistischer und gefährlicher Modelle zu investieren, sollten diese Mittel dazu verwendet werden, um Flüchtende weltweit zu unterstützen – in den Erstaufnahmeländern ebenso wie in Deutschland.

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