Interview

Hungerkrise im Sudan

Seit Ausbruch des Bürgerkriegs im Sudan 2023 hat sich die humanitäre Lage massiv verschlechtert. Millionen Menschen mussten fliehen und 25,6 Millionen leiden Hunger. Mehr als eine halbe Million Menschen sind sogar von einer akuten Hungersnot bedroht. Zewdie Yimer aus unserem Büro am Horn von Afrika in Addis Abeba berichtet, wie jetzt noch Entwicklungszusammenarbeit funktionieren kann.

Von Maike Lukow am
Zewdie Yimer, Projektkoordinatorin

Zewdie Yimer, Projektkoordinatorin in der Brot für die Welt-Verbindungsstelle in Addis Abeba

Wie ist die Ernährungslage im Sudan?

Dramatisch. Mehr als 25 Millionen Menschen im Sudan leiden derzeit Hunger, das ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung! In einigen Teilen von Khartum und anderen Gebieten, die nicht von der Regierung kontrolliert werden, gibt es kaum Strom und Trinkwasser. In ihrer Not trinken die Menschen mittlerweile sogar ungefiltertes Wasser aus dem Fluss! Schon vor dem Konflikt haben die Menschen im Sudan die Folgen des Klimawandels gespürt, Niederschläge waren unsicher, Ernten blieben aus. Aber darauf kann man reagieren, mit an das Klima angepasster Landwirtschaft. Doch angesichts des Kriegs ist das kaum mehr möglich in vielen Regionen.

Warum verschärft der Krieg den Hunger im Sudan so sehr?

Zunächst einmal, weil die Menschen fliehen müssen. Mehr als zwölf Millionen Menschen mussten seit dem letzten Jahr vor den Kämpfen fliehen, innerhalb des Sudans oder über die Grenze. Als Flüchtlinge können sie nicht mehr ihren selbst angebauten Nahrungsmittel ernten und haben kein Land mehr, das sie bewirtschaften können. Selbst diejenigen, die bleiben können, stehen vor großen Herausforderungen: Sie kommen nicht an Saatgut und Dünger, weil die Importe ausbleiben. An die Trockenheit angepasstes Saatgut oder andere Ressourcen aus dem Ausland sind im Land nicht mehr verfügbar oder sehr teuer. Die Verwundbarkeit der Menschen hat stark zugenommen.

Sind auch die Lebensmittelpreise durch den Krieg gestiegen?

Definitiv. Man zahlt aktuell für ein Kilo Tomaten in Port Sudan sechs US-Dollar! Das ist wahnsinnig viel. Es gab schon vor dem Konflikt einen Preisanstieg, aber der Bürgerkrieg hat die Preise geradezu explodieren lassen. Das ist vor allem auf geringe Ernteerträge, eingeschränkte Importe und die Abwertung der sudanesischen Währung zurückzuführen.

Im Sudan wird seit anderthalb Jahren gekämpft. Wie können Sie derzeit dort arbeiten?

Die Büros der meisten unserer Partner, die im Sudan tätig sind, befanden sich bis zum Ausbruch des Kriegs in der Hauptstadt Khartum. Als dort im April 2023 die Kämpfe begannen, mussten die meisten Mitarbeitenden fliehen. Ihre Büros wurden verwüstet. Das Bankensystem im Sudan brach zusammen und die Überweisung von Geldern an unsere Projekte war zeitweise eine große Herausforderung. Wir suchen auch die ganze Zeit nach weiteren Möglichkeiten, mit Nichtregierungsorganisationen zusammenzuarbeiten, gerade weil die Situation im Sudan so schwierig ist.

Können die bestehenden Projekte trotz des Kriegs fortgesetzt werden?

Glücklicherweise hat einer unserer Partner ein weiteres Büro in Kenia, so dass die Mitarbeitenden dorthin umziehen konnten. Jetzt reisen sie häufig nach Port Sudan (die Übergangshauptstadt der Regierung), um ihre Arbeit fortsetzen zu können. Eines der laufenden Projekte zur Stärkung der Rolle der Frau wurde früher im Bundesstaat Khartum durchgeführt, um Binnenvertriebenen und Flüchtlingen zu helfen, von denen es im Sudan bereits vor dem Bürgerkrieg viele gab. Sie flohen nach Ausbruch der Kämpfe aus Khartum in die Region Madani. Als der Konflikt auch dort ankam, flohen sie ein zweites Mal in die Region Blue Nile State. Das Landwirtschaftsprojekt wurde ebenfalls dorthin verlegt, da der Blue Nile State ein relativ stabiles und vom Konflikt wenig betroffenes Gebiet ist.

Was brauchen die Menschen im Sudan jetzt am dringendsten?

Frieden. Frieden ist das, was die Menschen brauchen. Wenn es keinen Frieden gibt, wird auch alles andere nicht funktionieren.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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