Risikominderung und Prävention mit gemeindebasierten Klimastationen. Ein Interview mit Osman Álvarez
Die Sozialkommission der Mennonitischen Aktion (Comisión de Acción Social Menonita, CASM) ist eine der Partnerorganisationen von Brot für die Welt in Honduras. Neben der Menschenrechtsarbeit liegt ein weiterer Arbeitsschwerpunkt der CASM im Umweltbereich. Die Sozialkommission versucht, die Bevölkerung auf die zunehmenden Klimarisiken vorzubereiten, damit sie weniger vulnerabel ist. Auf dem XIII. Forum Verwundbares Zentralamerika, das im Oktober 2022 in San Salvador stattfand, sprach Gerold Schmidt mit CASM-Mitarbeiter Osman Álvarez. Álvarez ist in der Region Copán für die Organisation tätig.
Osman, Klimawandel und Klimakrise treffen auch Honduras hart. Wie reagiert die Sozialkommission der Mennonitischen Aktion darauf?
Wir wollen die Verletzbarkeit der Bevölkerung gegenüber Umweltrisiken reduzieren. Meine Arbeit konzentriert sich vor allem auf drei honduranische Landkreise: Santa Rita, Cabañas und Copán Ruinas. In konkreten Notlagen leisten wir humanitäre Hilfe. Das betrifft in erster Linie die Übergabe von Lebensmitteln an die Betroffenen. Das Wetter hat uns beispielsweise im September und noch Anfang Oktober übel mitgespielt, vor allem im Landkreis Cabañas. Die Schäden waren groß. Mehrere Flüsse liefen über, es gab Erdrutsche, die zerstörte Straßen und Wege. Einige Gemeinden waren völlig von der Außenwelt abgeschnitten, Bewohner*innen sowohl in den Städten als auch auf dem Land verloren ihre Häuser, wurden obdachlos. In einigen Gemeinden fiel der Strom länger als zehn Tage aus.
Das sind die akuten Schäden. Aber wie wird versucht, den Risiken vorzubeugen?
Der präventive Aspekt gewinnt bei unserer Arbeit immer mehr an Bedeutung. Inzwischen verfügen wir über 14 Klimabeobachtungsstationen in den Gemeinden. Gerade erst sind vier dazu gekommen. Derzeit sind zwölf dieser Stationen voll einsatzfähig. Wir verfügen über ein Netzwerk von Personen in den Gemeinden, die das Klimamonitoring übernehmen. Für diese Arbeit gibt es kein Geld, es sind die Kleinbäuer*innen vor Ort, die das aus eigenem Interesse machen. Sie registrieren Niederschläge, relative Luftfeuchtigkeit und die Temperatur. Diese Informationen sammeln wir immer am Monatsende und werten sie aus. Wir verbreiten die Informationen und vergleichen sie zudem mit den Daten der nationalen Ständigen Kommission für Notfallereignisse (Copeco). Das hat sich als sehr nützlich erwiesen.
Mit unseren Klimastationen konnten wir beispielsweise feststellen, dass der tatsächliche Niederschlag im September mit bis zu 478 Millimetern pro Quadratmeter erheblich höher war als die von der Copeco geschätzten durchschnittlichen 248 Millimeter. Die Informationen über die exzessiven Niederschläge kamen vor allem von unseren Netzwerkmitgliedern, die Daten über die Regenmengen aus den Hochlagen sammelten. Das half, die urbane Bevölkerung im Tiefland vor dem Überschwemmungsrisiko zu warnen und ihr Zeit zu geben, sich vorzubereiten. Generell versuchen wir, auf der Grundlage der gesammelten Daten Vorhersagen zu machen und Antworten zu finden.
Das Thema Schäden und Verluste ist in der Diskussion um Klimagerechtigkeit sehr aktuell. Registriert CASM die auftretenden Schäden durch Klimaphänomene?
Wir arbeiten eng mit den Gemeinden zusammen, in denen die größten Schäden zu verzeichnen sind. Bei den jüngsten Regengüssen war der Zeitpunkt für die Maisernte leider noch nicht gekommen. Wir haben die Verluste noch nicht quantifiziert, sie sind beim Mais auf jeden Fall enorm. Kaffeepflanzungen wurden insbesondere durch Erdrutsche geschädigt. Ganze Parzellen verschwanden, weil die Wassersättigung im Boden so hoch war. Wir kooperieren mit den Lokalregierungen, wenn es darum geht, das sogenannte Edan-Dokument zu erarbeiten. Edan steht für Schadenauswertung und Analyse der Gesundheitsbedürfnisse in Katastrophenfällen. Ebenso koordinieren wir uns mit den gemeindebasierten Notfallkomitees, die als Codeles bekannt sind. Auf Landkreisebene werden die Verluste registriert und an die nationalen staatlichen Behörden weitergegeben.
Unabhängig von der jüngsten Notfallsituation versuchen wir seit 2019, mit den Klimainformationen zu arbeiten und sie umgehend an unsere Kleinbauern und Kleinbäuerinnen weiterzugeben. So können sie kurzfristig Entscheidungen treffen. Wir unterstützen eine nachhaltige Landwirtschaft und fördern agro-ökologische Systeme als Alternative zur Produktion mit chemischen Agrarmitteln. Wir wollen Ernährungssicherheit mit unbedenklich verzehrbaren Produkten, frei von Pestiziden. Wir bieten ganz praktische Hilfe für diese Aktivitäten an, arbeiten zum Bodenerhalt. Brot für die Welt unterstützt uns beispielsweise bei diesen Anstrengungen in der landwirtschaftlichen Produktion.
Du erwähnst die Kooperation mit staatlichen Behörden. Hat sich nach dem Regierungswechsel Anfang 2022 mit dem Amtsantritt von Xiomara Castro auf nationaler Ebene etwas verändert?
Eine schwierige Frage. Die Veränderung ist nicht so wie erhofft gewesen. Ich glaube, in der gesamten honduranischen Bevölkerung gab es viele Illusionen, als eine Frau und Person zur Präsidentin gewählt wurde, die anders war. Realistisch müssen wir jedoch sagen, dass es bisher auf nationaler Ebene kaum Änderungen gibt. Es existieren eine Reihe von Vereinbarungen, unterschriebene Dokumente, eine Menge Verlautbarungen. Aber die Aktionen vor Ort sind wenige. Wir hoffen, das kommt noch. Unsere Präsidentin übernahm ein Land in schlechtem Zustand, um es mal so auszudrücken. Wirtschaftlich, finanziell ist die Lage schwierig. Aber jede Person hätte das Land so vorgefunden. Ich glaube, es sind ein bisschen mehr Anstrengungen notwendig, um die Versprechen zu erfüllen. Wir erwarten das ja nicht zu 100 Prozent, aber ein Anfang muss gemacht werden. Für uns als Sozialkommission der Mennonitischen Aktion gibt es mehr Zusammenarbeit. Wir werden eingeladen, uns an verschiedenen Projekten zu beteiligen. Wir hoffen und vertrauen darauf, dass viele unserer Vorschläge für ein besseres Leben unserer Zielbevölkerung positiv aufgenommen werden.
Wir führen dieses Interview im Vorfeld der COP27, der UN-Weltklimakonferenz in Ägypten. CASM wird auf der COP 27 vertreten sein. Welche Erwartungen gibt es? Insbesondere beim Thema der historischen Verantwortung der industrialisierten Länder für die heute auftretenden Schäden und Verluste durch die Klimakrise.
Wir werden mit drei Personen auf der COP 27 präsent sein. Die Perspektive ist, dass die Positionen aus Zentralamerika aufgenommen und umgesetzt werden. Dass sich nicht alles erneut auf Unterschriften unter geduldiges Papier beschränkt. Dass die Versprechen, Emissionen zu reduzieren, CO2 zu speichern, erfüllt werden. Bisher ist nicht einmal die Hälfte der Versprechungen eingehalten worden. Eine völlige Kehrtwende wird es wahrscheinlich nicht geben, aber Anfänge sind notwendig, neue Positionen müssen aufgenommen werden.