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Koloniale Kontinuitäten im Tourismus

Weltweit sind ehemals koloniale Orte zu Tourismusattraktionen geworden: Kolonial-Forts, „Sklavenhäfen“ oder repräsentative Herrenhäuser auf Plantagen. Viel zu selten fällt der Blick der Reisenden auf Orte, die für den Kampf um Freiheit und Unabhängigkeit vom Kolonialismus stehen und somit eine Auseinandersetzung mit dem Gastland ermöglichen, die aus der Geschichte zur Gegenwart weist.

Von Alien Spiller am
Ghana

Das 1961 in der ghanaischen Hauptstadt Accra eingeweihte Black Star Monument erinnert daran, dass Ghana im Jahr 1957 seine Unabhängigkeit erlangt hat.

Tourismus und Kolonialismus haben nicht nur Schnittstellen an historischen Orten – vielmehr kann der Tourismus selbst koloniale Dynamiken verstärken, wenn Machtungleichgewichte erhalten bleiben und rassistische Stereotype weiter bedient werden. Auf diese Dynamiken wirft die aktuelle Ausgabe des Tourism Watch-Infodienstes von Brot für die Welt ein besonderes Schlaglicht. Sie beleuchtet Herausforderungen, aber zeigt auch das Potential des Tourismus, zur Dekolonialisierung beizutragen.

Denn Tourismus kann als befreiende Plattform für kulturellen Ausdruck genutzt werden. In Barranquilla in Kolumbien ist der Karneval ein farbenfrohes Fest und auch lebendige Tradition des Widerstands gegen das Kolonialsystem. Während im kommerzialisierten Norden der Stadt der revolutionäre Charakter des Karnevals zugunsten des Massentourismus zu verblassen droht, bleibt er im Süden durch das Engagement von Aktivist:innen wie dem Kollektiv „La Nave de Lxs Locxs“ (dt.: ein Schiff voller Verrückter) rebellisch und zeitgemäß. Die Menschen nutzen den Karneval, um wichtige gesellschaftliche Themen wie Feminismus, LGBTQ+, Antirassismus und Umweltschutz zu thematisieren. Tourist:innen sind eingeladen, ihre Komfortzone zu verlassen und Teil dieser ausdrucksstarken und emanzipatorischen Erfahrung zu werden.

Gleichsam kraftvoll setzen die Siddis – Nachfahr:innen afrikanischer Sklav:innen im Süden Indiens – mit dem Damami-Projekt in Yellapur ein starkes Zeichen gegen den tief verwurzelten Rassismus. Die Gemeinschaft sieht sich trotz starker kultureller Anpassung weiterhin gesellschaftlich an den Rand gedrängt. Das Projekt konzentriert sich auf nachhaltige Tourismusangebote wie geführte Trekkingtouren, bei denen die Siddis ihr umfangreiches Naturwissen weitergeben und ihre einzigartige kulturelle Identität teilen. Begegnungen mit Reisenden bieten ihnen die Möglichkeit, ihre reiche Geschichte zu vermitteln, während die daraus erwirtschafteten Einkünfte direkt zur Entwicklung ihrer Gemeinschaft beitragen.

Klischees weißer Überlegenheit

Ein touristischer Bereich, der stark von kolonialen Mustern geprägt ist, ist der Voluntourismus – eine Kombination aus Tourismus und Freiwilligeneinsatz. Neue Wege zu finden, ist hier besonders schwierig, denn schon das Marketing dieser kommerziellen Angebote vermittelt massiv koloniale Klischees von Unterentwicklung und Hilfsbedürftigkeit. In Uganda hat ein Forschungsteam in Kooperation mit der lokalen Organisation „No White Saviors“ die Auswirkungen von fünf- bis zehntausend internationalen Freiwilligen untersucht, die jährlich nach Uganda reisen. Sie arbeiten dort für einen Zeitraum von zwei Wochen bis sechs Monaten im Gesundheits- und Bildungswesen, in der Gemeindeentwicklung oder im Naturschutz. Ergebnis der Studie: Oft baut der Voluntourismus auf Klischees weißer Überlegenheit auf und bewirkt keine langfristigen Veränderungen in den Kommunen. Um Voluntourismus sensibler zu gestalten, ist es entscheidend, dass Freiwillige ihre eigenen Privilegien erkennen und deren Einfluss auf lokale Beziehungen verstehen. Ausschlaggebend ist, dass solche freiwilligen Einsätze nicht nur kurzfristige Hilfe leisten, sondern nachhaltige positive Veränderungen bewirken – mit Respekt für und Fokus auf die Ziele der lokalen Gemeinschaften. Nur so können langfristige Kooperationen entstehen, die die Eigenverantwortung der Gemeinschaften fördern und ihre kulturelle Identität achten.

Das wäre auch für den Surftourismus in Marokko wünschenswert. Echte Interaktionen zwischen Tourist:innen und Gastgeber:innen finden dort kaum statt. Der Sportfokus blendet die Menschen vor Ort, ihre Geschichten und ihre Gegenwart aus. Dadurch verfestigen sich neokoloniale Bilder von „fremden“, „einfachen“ und „armen“ Einheimischen.

Rassistische Darstellungen indigener Kulturen

Prädestiniert für solche Klischees ist der Safaritourismus. Er ist nicht nur anfällig für Neokolonialismus, sondern hat seine eigenen Wurzeln im Kolonialismus. Heute noch stehen im Marketing die Landschaften und Tiere im Vordergrund, während die Menschen nur als Angestellte und Dienstleister:innen der Lodges in Erscheinung treten. Rassistische Darstellungen indigener Kulturen sind oft Teil der Geschäftsmodelle. Ein positives Gegenbeispiel ist ein Unternehmen in Simbabwe. Es zeigt, wie gemeindebasierter Tourismus und lokales Unternehmertum den Weg für eine gerechtere Safari-Industrie ebnen können. Durch einen partizipativen Ansatz – die Ältesten zu konsultieren, um die Bedürfnisse in der Gemeinde auszuloten – stärkt das Unternehmen die soziale Verantwortung, fördert eine faire Verteilung der Einnahmen und unterstützt aktiv den Naturschutz in der Gemeinde.

Respektvoller Tourismus ist möglich

Um Tourismus zu dekolonisieren, ist vor allem mehr Mitbestimmung der Gastgebenden vor Ort nötig. Gelingt dies nicht, schafft der Tourismus sogar neue, neokoloniale Abhängigkeiten und setzt Unrecht fort. Für die Dekonstruktion kolonialer Strukturen im Tourismus ist zudem entscheidend, die Gastgebenden nicht nur als aktive Produzent:innen, sondern auch als Konsument:innen in Tourismuserlebnisse zu involvieren. Reisende sind angehalten, gängige Narrative in Bezug auf ihr Reiseziel zu hinterfragen. Authentische, kulturell sensible Begegnungen unterstützen einen respektvollen Tourismus auf Augenhöhe. So kann der Urlaub für Reisende und Gastgebende gleichermaßen zu einem bereichernden Erlebnis werden.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

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