Blog

Menschenrechte im Fokus: Psychosoziale Begleitung

Spricht man im lateinamerikanischen Kontext von einem Konzept der psychosozialen Begleitung oder einem Ansatz der psychosozialen Arbeit, so ist diese Arbeit eng mit dem Thema Menschenrechte verknüpft.

Von Wolfgang Seiß am

Wir verwenden Drittanbieter, um diesen Inhalt darzustellen. Bitte akzeptiere "YouTube Video", um dieses Video anzuzeigen.

Angesichts von Menschenrechtsverletzungen, Kriegen, staatlicher Gewalt und bewaffneter Konflikte verweist der Ansatz sowohl auf die Auswirkungen auf die psychische Gesundheit des Einzelnen als auch auf die Schäden, die auf kollektiver Ebene, insbesondere in Bezug auf das soziale Gefüge, entstehen.

Die Ursprünge des Konzepts psychosoziale Begleitung

In Lateinamerika wurde der Ansatz durch die Begleitung von Opfern staatlicher Gewalt und der Verfolgung linksstehender, liberaler oder auch demokratischer Bewegungen durch die Militärregierungen in Ländern wie Argentinien, Chile, Uruguay und Paraguay entwickelt. In den Folgejahren trugen weitere Erfahrungen in Mittelamerika und Kolumbien im Zuge der bewaffneten Konflikte, Bürgerkriege und Aufstandsbekämpfungen zu einer Vertiefung und Erweiterung des Konzeptes bei. 

In Südamerika haben sich Persönlichkeiten wie Maritza Montero (Venezuela, Gemeindebasierte Psychologie), Enrique Pichon-Rivière (CH-Argentinien, Gruppenbasierte Sozialpsychologie), Elisabeth Lira (Chile, Menschenrechte und Psychologie), in Zentralamerika der Jesuitenpriester Ignacio Martín-Baró in El Salvador (Psychologie der Befreiung), Marie Langer (Argentinien-Nicaragua, Salud mental) und andere an der Entwicklung und Ausprägung „eines Konzeptes“ der „Psychosozialen Arbeit“ beteiligt. Partnerorganisationen von Brot für die Welt und den Vorgängerorganisationen der evangelischen Entwicklungszusammenarbeit in Kolumbien, Nicaragua, Costa Rica, El Salvador, Guatemala und Mexiko haben diesen Ansatz vertieft und angewandt. Seit 2017 hat Brot für die Welt gemeinsam mit Partnerorganisationen aus Guatemala und Mexiko verschiedene lateinamerikanische Kongresse der psychosozialen Begleitarbeit organisiert.

Ein Ansatz?

Der psychosoziale Ansatz trägt zu einer kritischen Betrachtung der Realität bei und ermöglicht eine Analyse der Ursachen und Folgen der verschiedenen Formen sozio-politischer Gewalt auf Einzelpersonen, Kollektive, Bewegungen und das soziale Gefüge. Es werden Formen der Begleitung entwickelt, die die Stärkung von Bewältigungsmechanismen in Betracht ziehen, um die individuellen und kollektiven Auswirkungen zu verringern. Die Begleitung soll die Prozesse des Widerstands in ihren verschiedenen Ausdrucksformen stärken. Grundlage ist eine interdisziplinäre Sichtweise, bei der Disziplinen wie Psychologie, Soziologie, Recht, Sozialpsychiatrie, Anthropologie und der Beitrag Indigener aus der Spiritualität in die kritische und komplexe Analyse sowie in den Handlungsrahmen einfließen.

Der psychosoziale Ansatz ist nicht als ein einheitliches Konzept zu verstehen, sondern speist sich aus unterschiedlichen Ansätzen der kritischen Pädagogik, der Befreiungspsychologie und Volksbildung und konstruktivistischen Ansätzen. Überlegungen aus einer kritischen und interdisziplinären Perspektive heraus trugen zu einem konzeptionellen Verständnis bei, das sich der sozialen und politischen Realität von Menschenrechtsverletzungen durch Staaten und non-state actors bewusst ist, die in der lateinamerikanischen Region verbreitet sind. Ein Verständnis, das in der praktischen Arbeit in der Begleitung von Betroffenen und Opfern dazu beiträgt, Prozesse der Kontextanalyse (Warum, Warum wir/ich?), kollektive Fürsorgeprozesse und mit den Betroffenen Maßnahmen des „Afrontamiento“ (des Entgegenwirkens) der durch den politisch-sozialen Kontext geschaffenen Auswirkungen zu erarbeiten.

Menschenrechte und Gewalt

Ein wichtiges Element ist die Anerkennung der Auswirkungen auf die psychische Gesundheit von Menschen, die von verschiedenen Formen sozio-politischer Gewalt betroffen sind.

Auf politischer Ebene geht es darum, die Individualisierung der traumatischen Erfahrung zu vermeiden, sie nicht zu psychologisieren und sie nicht auf die individuelle Sphäre und Krankheit zu reduzieren. „Opfer“ oder besser Betroffene stehen im Zentrum der Aufmerksamkeit. Es wird der Tendenz entgegengewirkt, sie aus einer pathologisierenden und individualistischen Sichtweise zu begleiten. Sie werden als politische Subjekte in ihren Fähigkeiten des Umgangs, der Bewahrung und Stärkung ihrer Würde, des sozialen Zusammenhaltes gestärkt. Diejenigen, die Gerechtigkeit suchen in ihrer Auseinandersetzung mit Erlebtem und Aktuellen begleitet. Betroffene und deren Erfahrungen und Beeinträchtigungen werden nicht einem Ansatz der Trauma-Arbeit oder einem zu Posttraumatischen Stress „unterworfen“, sondern in einer Gesamtschau begleitet, die interkulturelle und intersektionale Aspekte aufnimmt. In der Begleitung werden Strategien und Methoden entwickelt, mit diesen Beeinträchtigungen und Verletzungen umzugehen, integrale Bewältigungsmechanismen auf individueller und kollektiver Ebene, in der politischen Arbeit, der psychoemotionaler Arbeit und unter Sicherheitsaspekten zu erarbeiten.

Dieser Ansatz trägt zu den Prozessen der Stärkung von Menschen, Kollektiven und Gemeinschaften bei, damit sie sich selbst und in der Arbeit bei der Durchsetzung ihrer Rechte schützen sowie Organisations- und Widerstandformen anpassen können.

 

 

Zum Weiterlesen: Das Buch „Human Rights Violations in Latin America – Reparation and Rehabilitation”; Hrsg.: Elisabeth Lira, Marcela Cornejo und Germán Morales (Springer, serie Peace Psychology Book Series) bietet eine gute Übersicht über Ansätze der psychosozialen  Begleitung von Prozessen in Lateinamerika.

Jetzt spenden Unterstützen Sie uns

Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.

56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

Hinweis: Die Spendenbeispiele sind symbolisch. Durch Ihre zweckungebundene Spende ermöglichen Sie uns dort zu helfen, wo es am dringendsten ist.

56 € (Spendenbeispiel) Mit 56 € kann zum Beispiel ein Hygiene-Paket für eine geflüchtete Familie finanziert werden.

100 € (Spendenbeispiel) Mit 100 € kann zum Beispiel Gemüse-Saatgut für die Bewirtschaftung von ca. 10 Feldern bereitgestellt werden.

148 € (Spendenbeispiel) Mit 148 € kann zum Beispiel ein Regenwassertank mit 2.000 Liter Fassungsvermögen gekauft werden.

Bitte eine gültige Eingabe machen

Als Fördermitglied spenden Sie regelmäßig (z. B. monatlich)