Die Tatsachen
Das Flugzeug kam aus Mexiko mit den Passagieren Mayo Zambada und einem der Söhne des Chapos, Joaquín Guzmán López “El Chapito”. Letztere hatte sich freiwillig in die Hände der USA begeben. Offenbar war es ihm und anderen gelungen, den „Mayo“ in eine Falle zu locken und in die USA zu entführen. Woher aus Mexiko das Flugzeug kam, bleibt unklar. Die USA gaben sich überrascht, obwohl das Flugzeug neben einem der wichtigsten Aufklärungszentren für die Südgrenze der USA landete: dem El Paso Intelligence Center – EPIC) (Centro de inteligencia de El Paso) der Drogenbehörde DEA, das über alle möglichen Fazilitäten auch zur Kontrolle von Flugbewegungen verfügt.
Ein Brief des Capos und die Folgen
In einem Brief aus der Haft in den USA an die Los Angeles Times wies „Mayo“ Zambada zurück, sich freiwillig den US-Behörden gestellt zu haben. Er sei zu einem Treffen mit dem „Chapito“, dem Exrektor der Autonomen Universität von Sinaloa (UAS) Héctor Melesio Cuén und dem Gouverneur des Bundesstaates, Rocha Moya auf eine Finca eingeladen worden. Dort sei er von Bewaffneten überwältigt, zu einem Flugzeug transportiert und zusammen mit dem offenbar freiwillig Anwesenden „Chapito“ in die USA gebracht worden.
El Mayo behauptete auch, dass der Exrektor nicht, wie die Staatsanwaltschaft Sinaloas verlautbaren ließ, bei einem Raubversuch an einer Tankstelle ermordet wurde, sondern direkt am Ort jener Zusammenkunft. Zwei Leibwächter Zambadas, darunter ein Offizier der Justizpolizei des Bundesstaates, sind seither verschwunden.
Präsident AMLO vollzog den Schulterschluss mit dem Morena-Gouverneur, Rocha, von Sinaloa, der kategorisch ablehnte, etwas mit einem „Narco-Treffen zu tun haben. Auch die designierte Präsidentin Claudia Sheinbaum bekundete ihre Unterstützung für den Morena-Gouverneur, ebenso wie am 12 August alle Morena Gouverneure Mexikos*.
Die USA und die Drogenpolitik
Nach diesen Ereignissen beklagte sich der scheidende mexikanische Präsident Lopez Obrador über die mangelnden Informationen der US Behörden. Wiederholte Aufforderungen der mexikanischen Regierung, auch von seiner Nachfolgerin Claudia Sheinbaum. an die US-Kollegen, Informationen über die Entführung bereitzustellen, blieben ohne Ergebnis. In Mexiko eine Vielzahl von Diskussionen und Spekulationen, in den USA, Schweigen und Leugnen, vorab etwas gewusst zu haben**.
Ermittlungen
Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft (FGR) nahm 17 Tage nach den Ereignissen um den Mayo Zambada Ermittlungen auf. Zunächst wurden eine Vielzahl von Ungereimtheiten bei der Autopsie deutlich; die Leiche war aber am selben Tag eingeäschert worden, eine Zweitautopsie unmöglich. Die Generalstaatsanwältin von Sinaloa trat daraufhin zurück. Mitte Okober liess die Generalstaatsanwaltschaft verlauten, dass ihre Ermittlungen bewiesen, dass der Ort der Entführung des Mayo Zambada identisch sei mit dem Ort der Ermordung des Ex-Rektors. Im Oktober und November berichten verschiedene Medien über die Beteiligung der DEA an der Entführung und dass der Gouverneur Rocha, den Mayo Zambada und den Ex-Rektor zu einem Treffen eingeladen hatte. So wie es der Capo in seinem Brief beschrieb.
Die Folgen I
Welche Auswirkungen diese Verhaftung auf die Gewalt zur Klärung der Einflussregionen der Kartelle und ihrer Verbündeter hat, wurde seit Anfang September klar: Massive bewaffnete Auseinandersetzungen haben bislang zu über 250 Toten und mehr als 200 Verschwundenen geführt, Tendenz steigend. Über 2.200 Soldaten wurden angesichts der Gewaltwelle in die Region Sinaloa entsandt. Wieder einmal wird deutlich, dass die seit Jahren verfolgte Strategie der DEA, Anführer der Kartelle auszuschalten, zu einer Vervielfältigung der Gruppen, aber nicht zu einem Rückgang des Business geführt hat. Und auch nicht zu weniger Drogentoten in den USA, wohl aber zu mehr Toten in Mexiko.
Die Folgen II
Oder wie Edgardo Buscaglia, langjähriger Mahner und Politikwissenschaftler, der sich auf das Thema organisiertes Verbrechen spezialisiert hat, in einem Interview ausführte: Solange die USA nur einen exemplarischen Prozess gegen bekannte Narco-Größen führen und keinen Makroprozess, bei dem es um die Hintermänner und –frauen geht, die in Politik, Wirtschaft und Sicherheitskräften die Geschäfte am Laufen halten, wird sich nichts ändern.
Aufgrund der Entführung des Mayo Zambada kommt es zu einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse in anderen Regionen Mexikos, die zwischen dem Sinaloa Kartell und dem Kartell Jalisco Nueva Generacion (CJNG) umkämpft sind. Etwa in Chiapas wo seit über drei Jahren eine Auseinandersetzung zwischen dem Sinaloa Kartell und dem CJNG um die territoriale Kontrolle tobt. Dorfgemeinden geraten immer mehr zwischen die Fronten oder werden gezwungen, Teil der jeweiligen kriminellen Strukturen zu werden.
Der Staat, weit davon entfernt, einen Rechtsstaat zu garantieren, entsendet mehr Truppen und die Nationalgarde. Angesichts der Verquickung von politischen Autoritäten mit der OK ein wenig aussichtsreiches Unterfangen.
*Einen Schulterschluss gab es auch mit dem ehemaligen Verteidigungsminister Mexikos aus der Amtszeit von Präsident Enrique Peña, General Cienfuegos Nieto. Er war in den USA verhaftet worden aufgrund von Anschuldigungen, mit Kartellen kooperiert zu haben. Nach Intervention der mexikanischen und US-amerikanischen Regierung wurde er an Mexiko überstellt und von allen Anklagen freigesprochen.
**Ein Schweigen und Leugnen wie im Jahr 2009 berichtete der renommierte mexikanische Journalist Jesús Esquivel: Damals stritten die USA ab, eine Untersuchung gegen den Minister für öffentliche Sicherheit der Regierung Calderon, Garcia Luna, durchzuführen. Den0, die Regierung Calderon galt als die Speerspitze im Kampf gegen die Drogenkriminalität. Im Dezember 2019 jedoch wurde Garcia Luna aufgrund von Ermittlungen der DEA in den USA verhaftet, 2023 schuldig gesprochen und im Oktober 2024 zu 38 Jahren Haft verurteilt.