Im Vorfeld hatten Friedens- und entwicklungspolitische NGOs in Konsultationen zur „Nationalen Sicherheitsstrategie“ empfohlen, das Bekenntnis zu einer kooperativen, multilateralen Weltordnung und den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) in den Mittelpunkt zu rücken. Das sei im Interesse Deutschlands. Denn die großen Krisen, die die Sicherheit von Menschen in Deutschland und auf dem gesamten Planeten gefährden, könne man nur gemeinsam mit möglichst vielen Staaten bewältigen, so lauteten beispielsweise die Empfehlungen der Plattform „Zivile Konfliktbearbeitung“ vom 23. September 2022. Der nachhaltige „Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen, die Begrenzung der Klimakrise und die Bewältigung ihrer Auswirkungen, der Sicherung des Zugangs zu Wasser und Ernährung und der Schutz der Gesundheit der Menschen“ wird im Kapitel „Werte und Interessen“ (S. 21) ausdrücklich erwähnt, allerdings in der Rangfolge erst als siebter von acht Punkten. Auf Platz sechs rangiert „die Förderung von Frieden und Stabilität weltweit und das Eintreten für Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, menschliche Entwicklung und Teilhabe aller Bevölkerungsgruppen als Voraussetzung für nachhaltige Sicherheit“.
Diskrepanz zwischen Ankündigung und finanzieller Ausgestaltung
Auf S. 42 heißt es: „Die Bundesregierung wird ihr Engagement in einem integrierten Ansatz der internationalen Krisenprävention, Stabilisierung, Friedensförderung, humanitären Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit weiter verstärken, dabei den Schutz des einzelnen Menschen in den Mittelpunkt stellen und die Interessen von Frauen und benachteiligten Bevölkerungsgruppen besonders berücksichtigen. Dafür sollen stärker als bisher wissenschaftsbasierte Ansätze der Früherkennung und Prävention von Krisen, sowie für Stabilisierung und Friedenssicherung genutzt werden.“ Wenn die Bundesregierung an dieser Stelle ihren eigenen Anspruch ernst nimmt, muss sie dafür sorgen, dass die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit und zivile Krisenprävention (Etats des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, BMZ, sowie des Auswärtigen Amts, AA) auf keinen Fall gemindert werden, und einen entsprechenden Haushalt vorlegen. Nach dem Willen der Regierung soll die Schuldenbremse wieder eingehalten werden. Die Budgetverhandlungen gestalten sich offenbar so kontrovers, dass noch keine Eckwerte für den Haushalt 2024 vorgestellt wurden. Aus den einschlägigen Ministerien hört man, dass sie eher mit Kürzungen als mit Erhöhungen rechnen. Die Mittel für Entwicklungszusammenarbeit, zivile Krisenprävention und Friedensförderung müssen jedoch dringend erhöht werden, wenn man der Eskalation von Gewaltkonflikten, der Verstetigung von Gewaltkulturen, Hunger, Armut und Staatszerfall entgegenwirken möchte. Nur so kann die Regierung den zahlreichen Selbstverpflichtungen nachkommen, die schon in den Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ (2017) fixiert wurden. Diese bildeten in den vergangenen Jahren einen wichtigen Referenzrahmen sowohl für NGOs als auch für das AA und BMZ. Sie werden in der Sicherheitsstrategie nicht sehr prominent, aber auf Seite 41 zumindest am Rande einmal explizit erwähnt. Dort heißt es: „Die Bundesregierung ist ihren Leitlinien zur Krisenverhinderung, Konfliktbewältigung, Friedensförderung verpflichtet. Wir werden Entscheidungen über unser internationales Krisenengagement auf der Grundlage unserer Werte an strategischen Interessen ausrichten.“ Auch die Entwicklungspolitik soll stärker als bisher an „strategischen Interessen“ ausgerichtet werden. Was das konkret bedeutet, wird nicht ausgeführt. Soll die Übernahme von Verantwortung zur Bekämpfung von Hunger und Armut und die Sicherung der Lebensgrundlagen von Bedürftigen nur noch im Eigeninteresse erfolgen und sicherheitspolitischen Erwägungen untergeordnet werden? Hier muss man die Umsetzung sehr genau prüfen und dem Trend zur zunehmenden „Versicherheitlichung“ der Entwicklungszusammenarbeit entgegenwirken.
Wie steht es mit der Analysefähigkeit?
NGOs hatten der Regierung in Konsultationen zur geplanten Sicherheitsstrategie empfohlen, das internationale Konfliktgeschehen differenziert zu analysieren und nicht ins Schema eines ideologischen Systemwettbewerbs von Demokratien und Autokratien zu pressen, und sie hatten davor gewarnt, geopolitischem Denken zu folgen. Jedoch ist die Sicherheitsstrategie nun doch stark von der dichotomischen Einteilung der Welt in (westliche) Verbündete und „systemische Rivalen“ durchzogen. Die Sicherheitsgefährdung durch Russland und Rivalität mit China nehmen breiten Raum ein. Was fehlt, ist ein Hinweis darauf, dass jenseits des Kriegs in der Ukraine internationalisierte Bürgerkriege und dschihadistische Gewalt nach wie vor das Konfliktgeschehen weltweit prägen. Deren Bewältigung wiederum erfordert diplomatische Initiativen, eine restriktive Rüstungsexportpolitik sowie die Stärkung von Konfliktbearbeitungsinstrumenten regionaler Organisationen (vgl. dazu Friedensgutachten 2022, Friedensfähig in Kriegszeiten, S. 9).
Multilaterale Politik und Stärkung der Vereinten Nationen
Positiv ist das wiederholte Bekenntnis zur multilateralen Weltordnung auf der Grundlage der UN-Charta zu bewerten. So heißt es in der Strategie: „Wir nehmen das fünfzigste Jubiläum unserer Mitgliedschaft zum Anlass, unser umfassendes VN-politisches Engagement fortzuentwickeln“ (S. 42). Wie der deutsche Beitrag zur Stärkung der Instrumente der VN zur Krisenvorbeugung und -bewältigung aussehen könnte, bleibt völlig unbestimmt. Immerhin gibt es den Vorsatz, „den wichtigen polizeilichen Beitrag im internationalen Einsatz für zivile Krisenprävention“ zu stärken und dafür speziell für Auslandseinsätze geschultes Personal zu qualifizieren“ (ebenda).
Engagement für Rüstungskontrolle
Positiv ist auch die Aussage zu bewerten, dass die Bundesregierung sich für den Erhalt und die Weiterentwicklung der globalen Rüstungskontrollarchitektur einsetzen will (S. 44 ff). Sie beklagt zu Recht die Erosion der Rüstungskontrolle (S. 24) und erwähnt den wesentlichen Anteil, den das Handeln Russlands daran hat. Das ist jedoch nur die halbe Wahrheit, denn auch westliche Partner haben wichtige Abkommen in den vergangenen Jahren aufgekündigt (vgl. Martina Fischer 2022). Aber immerhin enthält die Strategie das Bekenntnis, dass sich die Bundesregierung für „belastbare politische und militärische Kommunikationskanäle im NATO-Russland-Verhältnis (…) und auch für die praktischen Instrumente der OSZE für Rüstungskontrolle und Vertrauensbildung“ einsetzen werde. Auch die Rolle der OSZE-Institutionen beim Erhalt von Demokratie und Menschenrechten wird gewürdigt. (S. 39) Diese Aussagen stimmen optimistisch. Auch auf Abrüstungsschritte im Rahmen des nuklearen Nichtweiterverbreitungsvertrages will die Bundesregierung hinwirken. Welche konkreten Schritte Deutschland unternehmen will, bleibt allerdings offen. Keines der wichtigen Abkommen, mit denen ein Rüstungswettlauf auf europäischer und internationaler Ebene gebremst werden kann, wird beim Namen genannt. Das ist misslich, wenn man bedenkt, dass neben dem Klimawandel vor allem die Erosion der Rüstungskontrolle im nuklearen Bereich aktuell die größte aller Gefahren für das Überleben der Menschheit bilden. Auch für verbesserte Rüstungsexportkontrolle auf nationaler und europäischer Ebene will sich die Regierung engagieren. Hier bleibt der Wortlaut des geplanten Rüstungsexportkontrollgesetzes abzuwarten. Unter anderem daran wird sich zeigen, ob Deutschland einen Beitrag dafür leistet, die Glaubwürdigkeitslücke im Umgang mit den Menschen und mit Gewaltentwicklungen im Globalen Süden zu schließen.
„Integrierte Sicherheit“ als Leitbegriff
Zum Leitbegriff hat die Bundesregierung die „integrierte Sicherheit“ erhoben, die aus dem bisherigen Konzept der „vernetzten Sicherheit“ weiterentwickelt werden soll (S. 40). Dieses hatte die effizientere Abstimmung einzelner Ressorts zum Ziel. Allerdings bleibt auch in der Nationalen Sicherheitsstrategie offen, wie das Regierungshandeln wirklich kohärenter gestaltet werden kann. Das ist wohl auch dem Umstand geschuldet, dass in dem Dokument eine enorme Vielzahl an Gefahren und Risiken unterschiedlicher Relevanz beschrieben werden, die ganz verschiedene Antworten und Instrumente erfordern. Die Palette reicht von Staaten, die die internationale Ordnung untergraben und revisionistische Vorstellungen von Einflusssphären durchsetzen wollen (Russland, China), über Kriege, Krisen und Konflikte in Europas Nachbarschaft, Terrorismus und Extremismus, chemische, biologische und atomare Gefahren, Bedrohungen des Handels, Cyberangriffe, sicherheitspolitische Folgen aus dem Technologiewettbewerb, Bedrohungen durch ausländische Nachrichtendienste, organisierte Kriminalität, illegale Finanzflüsse, bis hin zur „illegalen Migration“. Unklar bleibt, wie sich „integrierte Sicherheit“ mit dem Konzept der „Menschlichen Sicherheit“ verbindet, das aus menschenrechtlicher Perspektive vor allem die Rechte des Individuums in den Blick nimmt. Hier hätte man sich eine Schärfung und Konkretisierung der Ziele gewünscht.
Unbefriedigend: Das Verhältnis von Sicherheit und Friedensförderung
Die Plattform Zivile Konfliktbearbeitung hatte 2022 empfohlen, in der Sicherheitsstrategie Friedensförderung als eine Querschnittsaufgabe deutscher Politik zu beschreiben und den Ausbau der Infrastruktur für Krisenprävention zu fördern. Frieden wird jedoch nur in einer Zwischenüberschrift prominent erwähnt, nämlich dort, wo es um „Wehrhaftigkeit“ und den Einsatz der Bundeswehr geht. Damit wird man der Komplexität von Friedenshandeln im internationalen System kaum gerecht, denn der Aufbau und die Erhaltung von Frieden erfolgen ganz überwiegend nicht durch militärische Maßnahmen, sondern durch zivile (staatliche und zivilgesellschaftliche) Akteure und in Strukturen in sehr langwierigen Prozessen. Zudem ist Frieden – auch wenn er ohne Sicherheit nicht zu haben ist – doch deutlich mehr als Sicherheit. Dennoch werden in der Strategie der Bundesregierung die Begriffe „integrierte Sicherheit“ und „integriertes Friedensengagement“ stellenweise synonym gesetzt. Als konkretes Instrument wird ausdrücklich die militärische Ertüchtigung von Partnern genannt. Die Erfahrungen mit diesem Ansatz werden allerdings von zahlreichen NGOs (darunter auch Partnern von Brot für die Welt) im Globalen Süden durchaus kritisch bewertet, und es hat sich (u.a. in Mali und dem Sahel; Myanmar) gezeigt, dass es bei der Unterstützung von Polizei und Militär in Drittstaaten fundierter Selbstüberprüfung und Evaluierung, sowie eines fortlaufenden Monitorings bedarf, um sicherzustellen, dass man nicht ungewollt Menschenrechtsverletzungen und Konfliktverschärfung Vorschub leistet.
Monitoring und konfliktsensible Selbstüberprüfung? Fehlanzeige
Aussagen zur notwendigen Orientierung am „Do-no-harm-Prinzip“ sucht man in der Strategie vergeblich. Das umfasst die kritische Selbstüberprüfung, ob das eigene Handeln Konflikte in der Welt generiert, begünstigt, oder verstärkt. Dies wäre für eine glaubwürdige Politik der Krisenprävention unerlässlich. Zumindest hätte man sich gewünscht, dass auf die Fortgeltung der Strategiepapiere hingewiesen wird, die zur Umsetzung der Leitlinien „Krisen verhindern, Konflikte bewältigen, Frieden fördern“ (2017) erarbeitet wurden. Sowohl die Strategie zur Sicherheitssektorreform, als auch zu Rechtsstaatlichkeit und Transitional Justice enthalten hierzu nämlich diverse Selbstverpflichtungen. In den Strategiedokumenten der meisten Ressorts blieben Auswirkungen des eigenen Engagements in den Ländern des globalen Südens jedoch bisher unberücksichtigt. Umso wichtiger wäre in dem neuen, sogenannten Dachdokument Nationale Sicherheitsstrategie ein Bekenntnis zu konfliktsensiblem Handeln und (Selbst-)evaluierung gewesen. Eine Empfehlung der Plattform zivile Konfliktbearbeitung vom 23.9.2022 lautet: „Eine friedenspolitisch kohärente Politik bemisst sich vor allem daran, ob es der Bundesregierung gelingt, die Ursachen von Konflikten frühzeitig zu identifizieren und auch die eigenen Anteile an den Strukturen des internationalen Unfriedens zu reflektieren und diese zu reduzieren.“
Das schwierige Verhältnis zum Globalen Süden
Last but not least bleibt das Verhältnis zum Globalen Süden im Ungewissen. Zwar kündigt die Strategie an, die Regierung werde ihre „globalen Partnerschaften gezielt ausbauen, um bessere und nachhaltige Angebote machen zu können. Hierbei strebt sie eine faire, respektvolle und langfristige Zusammenarbeit unter souveränen und gleichberechtigten Partnern an“ (S. 42). Der Zusammenhang zwischen Entwicklungspolitik und der Überwindung der Klimakrise, von Armut, Hunger und Konflikten wird benannt (S. 43), und auch deren Beitrag zur Krisenprävention und zum Aufbau von Strukturen der Konfliktbearbeitung und Demokratieförderung, guter Regierungsführung und Zivilgesellschaft. Außerdem weist das Papier wiederholt auf die Bedeutung der G20 hin, mit der sich deutsche Politik abstimmen will. Aber die Hintergründe der wachsenden Attraktivität und Bedeutung der BRICS-Staaten (dazu gehören neben Russland Brasilien, Südafrika, China und Indien) und der Weigerung zahlreicher Länder des Globalen Südens, gemeinsam mit den westlichen Ländern den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine zu verurteilen, werden nicht angemessen ausgeleuchtet.
Dazu gehören gravierende Störungen des internationalen Handels und die Tatsache, dass vielen Regierungen im Globalen Süden die eigenen wirtschaftlichen Interessen näher sind, als einen Boykott gegen Russland zu unterstützen. Viele sympathisieren zudem mit den Zielen der BRICS, ein Gegengewicht zur G7 zu schaffen. Viele kritisieren das „Narrativ von Demokratie und Menschenrechten, das von westlich-liberalen Regierungen oftmals lehrmeisterhaft vorgetragen wird. Erinnerungen an die Kolonialzeit spielen ebenfalls eine Rolle. Die BRICS-Mitglieder Brasilien, Indien und Südafrika sowie auch zahlreiche andere Länder des globalen Südens fordern ein größeres Mitspracherecht in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen, dem Internationalen Währungsfonds (IWF), der Weltbank und der Welthandelsorganisation (WTO)“, so schreibt Herbert Wulf, ehemaliger Leiter des BICC, Bonn, im IPG-Journal am 12.6.2023. Er sieht die BRICS als ein auf wirtschaftliche und militärische Stärke gerichtetes „geopolitisches“ und zugleich „anti-hegemoniales Projekt“, das die Vormachtstellung der bestehenden Weltordnung und die weltwirtschaftliche Dominanz des US-Dollars brechen wolle. 19 weitere Länder haben ein Interesse an der Mitgliedschaft erklärt, insofern müsse man die BRICS-Staaten als globales Schwergewicht ernst nehmen. Umso dringlicher wäre es, dass die EU-Mitgliedsländer den Ländern des Globalen Südens überzeugende Angebote zur Kooperation in Entwicklungsprojekten, beim Ausbau von Infrastruktur und im Bereich der Energie machten und diese auf Augenhöhe, ernsthaft und nachhaltig gestalten.
Die Ankündigung in der Strategie der Bundesregierung (S. 46), man wolle alternative und menschenrechtskonforme Bezugsquellen für strategische Rohstoffe voranbringen, und sich für die Beachtung von Nachhaltigkeitsstandards in den globalen Lieferketten einsetzen, bietet dafür sicher Anknüpfungspunkte. Aber auch hier bedarf es einer stärkeren Konkretisierung von Politikschritten. Lieferketten werden im Papier häufig erwähnt, allerdings meist im Sinne der Vermeidung von Abhängigkeit in strategisch wichtigen deutschen Wirtschaftsbranchen. Und es fehlt ein klarer Hinweis auf Maßnahmen zur Neugestaltung von Beziehungen mit Menschen im Globalen Süden. Die Leitlinien für eine Feministische Außenpolitik und für eine Feministische Entwicklungspolitik, die von AA und BMZ erst kürzlich veröffentlicht wurden, nahmen ausdrücklich Bezug auf koloniale Erfahrungen, Einstellungen und fortbestehende Beziehungsmuster, die es in der Kooperation mit den Menschen im Globalen Süden zu überwinden gelte. Dafür müssten auch die ministerialen Strukturen verändert werden. Solche Einsichten in einem Regierungspapier sind tatsächlich innovativ. Einige Aussagen dazu hätten auch der Sicherheitsstrategie gut zu Gesicht gestanden.
Zusammenfassung und Fazit
Die Sicherheitsstrategie bildet ein Kompromisspapier, das viele Ressorts abbilden und zufriedenstellen muss. Sie ist gespickt mit Wiederholungen, die die Rezeption erschweren. Konkrete Ziele, Aufgaben und Selbstverpflichtungen kann man der Strategie nicht entnehmen. Daher wird sie vermutlich nur geringen Einfluss auf die Steuerung der politischen Praxis entfalten. Dennoch enthält das Papier eine Reihe von Anknüpfungspunkten, unter anderem zur Förderung von Zivilgesellschaft, auf die sich NGOs beziehen können. Sie sollten sorgsam beobachten, wie die Ankündigungen in die Praxis umgesetzt werden und ob sich das mit den Verpflichtungen zur Krisenprävention und Friedensförderung (Leitlinien von 2017) übereinbringen lässt. Wichtig wäre, bei jeder einzelnen außen-, sicherheits-, entwicklungs-, umwelt- und wirtschaftspolitischen Maßnahme zu fragen: Wessen Sicherheit meinen wir, wenn wir von Sicherheit sprechen, und wie kann man die unterschiedlichen Sicherheitsinteressen von Menschen in Deutschland, Europa und der großen weiten Welt (sprich: im Globalen Süden) übereinbringen? Was geht alle an und was sollte Priorität haben? Und wie gewährleisten wir eine kohärente und konfliktsensible Politikgestaltung? Hier müsste die Strategie nochmal neu ansetzen und völlig neu geordnet werden.
Dass eine „Nationale Sicherheitsstrategie“ die Sicherheit der Menschen hierzulande zum Ausgangspunkt nimmt, ist nachvollziehbar. Problematisch ist jedoch, wenn offenbleibt, wie das Verhältnis zu einem Großteil der Welt (vor allem zum Globalen Süden) gestaltet werden soll, und wenn Versprechen keine Taten folgen. Wenn angekündigt wird: „Zugleich werden wir unsere Investitionen in (…) eine engagierte humanitäre Hilfe und Entwicklungszusammenarbeit stärken“ (S. 13) und zugleich das Gegenteil (eine Etatkürzung) in Vorbereitung ist, steht Deutschlands Glaubwürdigkeit in der Welt auf dem Spiel. Auch hier müssen sich die friedens- und entwicklungspolitischen NGOs mit klaren Forderungen einmischen, und sie müssen darauf drängen, dass sich Entwicklungspolitik an den Erfordernissen der Bedürftigen orientieren muss und nicht sicherheitspolitischen Interessen untergeordnet werden darf.