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Die Covid 19-Pandemie und die Folgen des Kriegs in der Ukraine haben die Fragilität der internationalen Wertschöpfungsketten verdeutlicht. Seitdem ist die EU im internationalen Wettbewerb um kritische Rohstoffe in Alarmbereitschaft. Eine Antwort darauf ist das Gesetz zu kritischen Rohstoffen. Die potentiellen negativen Auswirkungen auf rohstoffreiche Länder im Globalen Süden werden dabei jedoch weitgehend außer Acht gelassen.
Ziel des Gesetzes: Rohstoffversorgung für die europäische Industrie
Das erklärte Ziel der Verordnung (Critical Raw Materials Act, CRMA) ist es, einen Rahmen zu schaffen, der „den Zugang der Union zu einer sicheren, widerstandsfähigen und nachhaltigen Versorgung mit kritischen Rohstoffen gewährleistet“. Langfristig sollen Abhängigkeiten von wenigen Ländern durch die Diversifizierung von Rohstoffimporten, durch Förderung des Abbaus, der Weiterverarbeitung und Recyclingkapazitäten innerhalb und außerhalb der EU verringert werden.
Chance für einen Paradigmenwechsel verpasst
Die EU hat im Rahmen der Verordnung ein Recyclingziel von 25 Prozent der strategischen Rohstoffe, die in der EU verbraucht werden, erlassen. Zudem sollen Anstrengungen unternommen werden, den erwarteten Anstieg des Verbrauchs kritischer Rohstoffe durch die Förderung von Technologie und Ressourceneffizienz, zu reduzieren. Leider hat sie es aber versäumt, einen dringend notwendigen Paradigmenwechsel hin zu einer Rohstoffwende einzuleiten. Dafür wäre es nötig sich verbindliche Ziele zur Senkung des Primärrohstoffverbrauchs zu setzen. Denn unser hoher Rohstoffverbrauch hat weitreichende Folgen für vom Bergbau betroffene Gemeinden und die Umwelt in rohstoffreichen Ländern des Globalen Südens, aber auch in Europa.
Strategische Partnerschaften für die Rohstoffsicherung
Durch so genannte strategische Partnerschaften, soll der Grundstein für eine engere Zusammenarbeit im Rohstoffsektor zwischen der EU und Drittstaaten gelegt werden. Es wurden bereits Absichtserklärungen mit Chile, Argentinien, Kasachstan, Namibia, Ukraine, Kanada, Sambia und der Demokratischen Republik Kongo unterzeichnet. Abkommen mit Norwegen und Grönland sind bereits in Vorbereitung und mit Australien ist man in Gesprächen. Neben der eigentlichen Zielsetzung der strategischen Partnerschaften kritisiert die Zivilgesellschaft auch die große Intransparenz der Abkommen. Emmanuel Umpula Nkumba, geschäftsführender Direktor von der NGO African Natural Resources Watch (AFREWATCH), hat bei der Rohstoffwoche in Brüssel kritisiert: „In den Absichtserklärungen muss deutlich werden, was Wertschöpfung vor Ort heißt und was dies für die Menschen im Partnerland bedeutet. Wir brauchen eine offene Diskussion darüber. Aber wir als Zivilgesellschaft sind nicht Teil dieser Diskussion." Wenn die EU es mit einer Partnerschaft auf Augenhöhe zum Nutzen aller ernst meint, muss sie mit offenen Karten spielen und alle Akteure, auch die Zivilgesellschaft, an den Tisch holen.
Rechte indigener Völker verankert, EU Kommission in der Pflicht
Die Verankerung der Rechte indigener Völker im CRMA ist von enormer Bedeutung, da ein Großteil der kritischen Rohstoffe sich auf oder in der Nähe von Territorien indigener Völker befindet. Nach langem politischem Ringen wurde die Deklaration der Rechte indigener Völker (UNDRIP) als Kriterium für strategische Projekte verankert. Die rechtsverbindliche und von Deutschland ratifizierte ILO-Konvention 169 (Übereinkommen über indigene Völker) wurde jedoch nicht in die Kriterienliste mitaufgenommen. Die EU Kommission muss deshalb bei der Prüfung von strategischen Projekten in Bezug auf indigene Rechte besondere Sorgfalt walten lassen. Sie muss besonders darauf achten, das Prinzip der freien, vorherigen und informierten Zustimmung (FPIC) und das Recht, „Nein“ zum Bergbau zu sagen, zu respektieren. Karin Nutti Pilflykt vom Schwedischen Rat des nordeuropäischen Sami Volkes hat bei der Rohstoffwoche das verdeutlicht, was viele indigene Völker weltweit anmahnen: „FPIC ist keine Konsultation. FPIC ist das Recht auf Zustimmung, bedingte Zustimmung oder Verweigerung der Zustimmung.“
Die Rolle von Zertifizierungen
Die herausragende Rolle, die im CRMA Zertifizierungssystemen als Instrument zur Bewertung der Einhaltung von Nachhaltigkeitskriterien bei potentiellen strategischen Projekten zugeschrieben wird, ist alarmierend. Damit steht der CRMA im Widerspruch zu international anerkannten Standards, wie den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen und den UN Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte.
Zertifizierungen sind nicht geeignet, die Einhaltung von Menschenrechten und Umweltstandards entlang globaler Lieferketten umfassend zu sichern. Das zeigt jüngst das Beispiel des marokkanischen Kobalt-Produzenten Managem, der unter anderem BMW und die Renault-Gruppe beliefert. Der Journalist Benedikt Strunz hat mit seinem Team die Umweltschäden und Arbeitsrechtsverletzungen in der Mine Bou Azzer aufgedeckt und beschreibt in einem NDR-Interview, dass die Zertifikate mit der Realität vor Ort häufig nicht viel gemein haben und somit nicht verlässlich sind.
Schlussfolgerungen
Aus entwicklungspolitischer Perspektive kritisieren wir den Ansatz dieses Gesetzes. Der alleinige Fokus auf die Versorgungssicherheit der europäischen Industrie bei mangelnder Verpflichtung zur Reduzierung des eigenen Rohstoffbedarfs ist problematisch. Die mangelnde Verbindlichkeit im Kontext des Aufbaus von Wertschöpfungskapazitäten vor Ort birgt für die rohstoffreichen Länder im Globalen Süden die Gefahr, weiterhin billiger Rohstofflieferant für unsere Industrie zu bleiben (siehe dazu Blogbeitrag: Europe first - auch in der Rohstoffpolitik). Die Chance der EU, endlich Verantwortung für ihren hohen Rohstoffverbrauch zu übernehmen und verbindliche Ziele zur Reduktion ihres Primärrohstoffbedarfs zu verankern, wäre ein wichtiger Schritt gewesen. Denn aktuell geht der Rohstoffverbrauch Europas zu Lasten von Menschen und der Umwelt in rohstoffreichen Ländern insbesondere im globalen Süden.