Welche Auswirkungen hat die Sicherheitslage auf die Projektarbeit von ODE und die Projektdörfer?
Die Situation wird tatsächlich schlimmer, vor allem im Norden und im Osten des Landes. Ein Projekt haben wir deshalb beendet, weil es sehr schwierig war dort hinzukommen und dort zu arbeiten. Andere Projekte laufen weiter, wenngleich es dort terroristische Gruppen gibt. Aber diese greifen in der Regel nicht die Bevölkerung an, sondern staatliche Institutionen wie das Rathaus, die Bezirksregierung und Schulen – die oft geschlossen werden.
In einem unserer Projekte ist das Haus eines Mitarbeiters angezündet worden, aber aus Versehen, sie dachten er wäre ein Polizist. Wir haben daraufhin das Projektteam verlegt, aber das Projekt selbst läuft weiter. Wegen solcher Angriffe unterstützen Teile der Bevölkerung das Militär, um wieder Sicherheit zu haben.
Wie geht das aktuelle Projekt in Songnabaweiter? Gibt es noch genug Saatgut und können die Schulungen weiter stattfinden?
Songnaba liegt in einem anderen Gebiet, da ist es ruhig und wir haben keinerlei Probleme. Das Team ist vor Ort, alle Einwohner sind da und die Schulungen laufen wie alles andere ganz normal weiter.
Welchen Einfluss hat der Klimawandel auf die Projektarbeit und wie sicher sind die Ernten?
Die Regenzeit hat etwas später eingesetzt, aber es gab viel Regen und die Ernte wird gut werden. Letztes Jahr fiel die Ernte geringer aus, was auch mit dem Klimawandel und seinen Folgen zusammenhängt. Wir haben festgestellt, dass die Hitze in der Trockenzeit immer heftiger wird und in der Regenzeit es nun Phasen ohne Regen gibt. In manchen Jahren regnet es einfach nicht genug, wie letztes Jahr.
Bei der Zusammenarbeit mit den Dorfgemeinschaften achten wir deshalb darauf, die richtigen Saatgutsorten auszuwählen, die auch große Hitze und Trockenphasen überstehen. Zusätzlich zeigen wir den Menschen, wie sie in guten Jahren Teile ihrer Ernte lagern können, um schlechte Jahre auszugleichen.
Ende September gab es den zweiten Putsch in Burkina Faso in diesem Jahr. Gibt es einen Zusammenhang mit der angespannten Sicherheitslage?
Das war ein Putsch im Putsch, von denselben Leuten wie im Januar. Einige hohe Militärs waren nicht zufrieden mit dem Chef und haben ihn ausgetauscht. Auswirkungen waren kaum zu spüren. Die Grenzen waren kurz zu, Menschen haben demonstriert und es gab einige Plünderungen, was allerdings ungewöhnlich war für Burkina Faso.
Aber der Zusammenhang ist klar: Die schlechte Sicherheitslage auf dem Land ist ein Grund für den Putsch gewesen, weil es nicht besser wurde. Die Bevölkerung auf dem Land hat nun große Hoffnung, dass es hier sicherer wird, sonst kommt es bald wieder zu Demonstrationen.
Welche Auswirkungen hatte der Putsch auf die Dörfer und die Arbeit von ODE?
Wir haben von dem Putsch nicht viel bemerkt. Er fand in den großen Städten statt, wo sich Menschen um die Macht gestritten haben. Auf dem Land geht es den Menschen darum, dass der Staat gute Rahmenbedingungen schafft für die Landwirtschaft, zur Erfüllung ihrer Bedürfnisse. Das ist ihnen wichtig, sie wollen Sicherheit.
Unsere gemeinsamen Projekte verbessern in erster Linie die Ernährungssicherheit. Gibt es auch Strategien für die Verbesserung der allgemeinen Sicherheit auf dem Land?
Ja, wir reagieren bereits darauf. Die Terror-Gruppen infiltrieren häufig Dorfgemeinschaften. Sie sind sehr gute Psychologen, analysieren jedes Dorf einzeln und nutzen Konflikte aus. Wo es Brüche gibt, gehen sie rein.
Wir achten deshalb in unseren Projekten auch auf sozialen Ausgleich und arbeiten mit der Bevölkerung an gewaltfreien Strategien zur Konfliktlösung, damit erst gar keine Brüche entstehen. Je erfolgreicher wir sind, desto schwerer können sie die Dorfgemeinschaften unterwandern.
Welche Konflikte nutzen die Terroristen denn aus?
Zum Beispiel den schwelenden Konflikt zwischen Hirten und Landwirten. Beide brauchen Land und Wasser, und das Zusammenspiel hat sehr lange ganz gut funktioniert, mit nur kleineren Streitereien. Aber jetzt sagen die Terroristen zu den Hirten: Wenn wir hier die Macht haben, bekommt ihr eure eigenen Flächen und wir schützen sie vor den Bauern.
Gleichzeitig versuchen sie als „Arbeitgeber“ für junge Menschen zu fungieren, die vor allem in ländlichen Gebieten kaum Perspektiven haben. Damit werden sie gerade für diese Gruppe besonders attraktiv und erhalten Unterstützung.
Wie kann man deren Perspektiven verbessern und generell größere Konflikte vermeiden?
Unser größtes Problem hier in Burkina Faso ist das knappe Wasser. Bis 1990 haben wir von ODE Staudämme und Rückhaltebecken gebaut, doch dann haben unsere wichtigsten Partner sich zurückgezogen. Heute ist eine ausreichende Wasserversorgung wichtiger denn je für die Gemeinden.
Sie würde viele Probleme lösen: 1. Wir könnten Nahrungsmittel über die Regenzeit hinaus produzieren, was die Versorgungssicherheit enorm erhöht. 2. Wir hätten genug Wasser für die Menschen und das Vieh. Und 3. würden dadurch die Spannungen zwischen den Gemeinden stark zurückgehen. Je mehr Wasser in der Trockenzeit, desto weniger Probleme zwischen den Menschen, denn Wasser ist die Grundlage des Lebens. Das gilt für den gesamten Sahel. Wasser hilft der Wirtschaft, verringert die Jugend-Arbeitslosigkeit, bringt Frauen in Beschäftigung, alles wäre dann besser.