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"Sich in Würde ernähren zu können"

Die Leitlinien der Vereinten Nationen zur Frage, wie Staaten das Recht auf Nahrung verwirklichen können, wurden vor genau 20 Jahren formuliert. Aus diesem Anlass kamen Anfang Juni in Berlin zivilgesellschaftliche Vertreter*innen aus aller Welt im Rahmen der Konferenz "Politik gegen Hunger" zusammen, um über den Stand der Umsetzung des Menschenrechts auf angemessene Ernährung zu beraten.

Von Francisco Marí am
Besuch beim Hofkollektiv Bienenwerder

Vertreter*innen der internationalen Zivilgesellschaft auf dem Acker des Hofkollektivs Bienenwerder

Die Verabschiedung der UN-Leitlinien zur Verwirklichung des Rechts auf angemessene Nahrung im Jahr 2004 markiert einen Meilenstein in der Geschichte der Vereinten Nationen. Es ist das erste UN-Dokument, das sich der Umsetzung eines sozialen Menschenrechts widmet und darüber hinaus von der Zivilgesellschaft aktiv mitentwickelt wurde. Viele Staaten – derzeit 46 – haben in den darauffolgenden Jahren das Recht auf Nahrung in ihre Gesetzgebung integriert. Zudem haben sich die Leitlinien im wahrsten Sinne des Wortes als fruchtbarer Boden erwiesen, auf dem Bäuer*innen, Fischer*innen, Indigene, Landlose und viele weitere UN-Erklärungen und Leitlinien vor allem im Komitee für Welternährung (CFS) erstritten. Zusammengenommen bilden diese den erweiterten normativen Rahmen des Rechts auf Nahrung.

Solidarität zwischen Konsument*innen und Produzent*innen

Das Zusammenkommen von zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen aus aller Welt brachte zum Vorschein, was möglich wird, wenn sich Menschen diesem Recht verpflichtet fühlen. Gemeinsam wurde eine solidarische Landwirtschaft (SoLaWi) vor Berlin besucht, ein eigenes Vortreffen veranstaltet und an der Konferenz „Politik gegen Hunger“ des Bundeslandwirtschaftsministeriums aktiv teilgenommen.

Bei schönstem Sonnenschein wurden die internationalen Gäste im malerischen Innenhof des Hofkollektivs Bienenwerder empfangen. Nach einer kurzen Begrüßungsrunde und einem Hofrundgang ging es zum Acker, wo die Hofbewohner*innen ganz im Sinne einer solidarischen Landwirtschaft gemeinsam mit SoLaWi-Mitgliedern und den Gästen Kartoffelkäfer auflasen und Unkraut entfernten. Beim anschließenden Austausch traf besonders ein Prinzip auf großes Interesse: dass alle SoLaWi Mitglieder einen festen monatlichen Betrag zahlen und dafür jede Woche direkt vom Hof mit Gemüse versorgt werden. Maziko Nkhulembe von der Right to Food Coalition Malawi zeigte sich begeistert: „Es ist wichtig, mehr Solidarität zwischen Konsument*innen und Produzent*innen aufzubauen. Die SoLaWi fördert genau das, weil nicht die Produkte einen Preis erhalten, sondern die dahintersteckende Arbeit bezahlt wird – egal ob bei guter oder schlechter Ernte. Das ist wirklich ein tolles Modell!“

Vergangenheit reflektieren und Zukunftspläne schmieden

Bei einem Vortreffen zur Konferenz des Landwirtschaftsministeriums (BMEL) „Politik gegen Hunger“ ging es darum, die positive Stimmung des Vortags umzusetzen in Reflektion und Entwicklung von Ideen, wie das Recht auf Nahrung überall und für alle Menschen garantiert werden könnte. Es wurden Forderungen entwickelt, die in die Plena und Arbeitsgruppen der folgenden Konferenz „Politik gegen Hunger“ eingebracht wurden. Wie dringend eine effektive Zukunftsagenda für das Recht auf Nahrung benötigt wird, zeigt die Zahl von etwa 2,4 Milliarden Menschen, die unter moderater oder schwerer Ernährungsunsicherheit leiden. Als entscheidenden Grund dafür identifizierten die Konferenzteilnehmenden strukturelle Ungleichheiten: die Konzentration der Kontrolle über Ernährungssysteme, über natürliche Ressourcen wie Land, Wasser und Saatgut durch die Agrar- und Ernährungsindustrie, Auslandsschulden sowie unfaire Bedingungen für den Welthandel und die Macht der Nahrungsmittelketten.

Soziale Beteiligung ist das wichtigste Prinzip

Die meisten von Hunger betroffenen Menschen stehen in der ersten und aktivsten Reihe unserer Ernährungssysteme. Diese Bäuer*innen, Fischer*innen, Indigene, Landlose und viele weitere, die für die Ernährung der meisten Menschen auf der Welt sorgen, verfügen über das beste Verständnis lokaler Probleme und deren Lösungen. Die Einbeziehung dieser Gruppen von Nahrungsproduzent*innen in Entscheidungsprozesse ist daher der Grundstein der zivilgesellschaftlichen Zukunftsvision für das Recht auf Nahrung. Ein Positivbeispiel, von dem Staaten wie Deutschland viel lernen können, ist der hochinklusive brasilianische Ernährungsrat CONSEA.

Mary Karanu von der Right to Food Coalition Kenia bekräftigte: „Das Recht auf Nahrung bedeutet, sich in Würde ernähren zu können. Milliarden Menschen werden dieses Rechts täglich beraubt. Aber solange von Hunger betroffene Gruppen an den Rand gedrängt und nicht in die Planung von Entscheidungen eingebunden werden, wird sich nichts ändern. Wir brauchen Inklusion, jetzt!“

Recht auf Nahrung geht nur mit Ernährungssouveränität und Agrarökologie 

Die Prinzipien der Ernährungssouveränität und der Agrarökologie sind weitere elementare Säulen für die zukünftige Umsetzung des Rechts auf Nahrung. Beide sind essenzielle Bestandteile der UN-Erklärung zu den Rechten von Nahrungsproduzent*innen (UNDROP) und damit des erweiterten normativen Rahmens des Rechts auf Nahrung. Dabei steht Ernährungssouveränität für den gesicherten Zugang zu und die Kontrolle von Land, Wasser und Saatgut durch Nahrungsmittelproduzent*innen. Die Agrarökologie ist ein holistischer Ansatz, der innovativen Ökolandbau und die gerechte sozialpolitische Organisation von Ernährungssystemen miteinander verbindet.

Laxmi Gurung von FIAN Nepal erläutert, warum das Recht auf Nahrung, Ernährungssouveränität und Agrarökologie immer zusammengedacht werden sollten: „Wir haben es geschafft, dass unsere Regierung sowohl das Recht auf Nahrung als auch Ernährungssouveränität in die nepalesische Verfassung verankert. Das ist ein Riesenerfolg! Damit erkennt unser Staat ein Konzept aus dem von sozialen Bewegungen erkämpften, erweiterten normativen Rahmen des Rechts auf Nahrung als Grundrecht aller seiner Bürger*innen an. Nun muss unsere Regierung noch verstehen, dass eine erfolgreiche Implementierung nur mit dem Ansatz der Agrarökologie gelingen kann.“

Jan Dreier (FIAN Deutschland) hat die Teilnehmenden aus Afrika, Asien und Lateinamerika bei den beschriebenen Aktivitäten begleitet und den obigen Text mitverfasst.

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Kleinbäuerin Claudine Hashazinyange mit Avocados vom Baum ihres Schwiegervaters.

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