Ich sitze in unserer Wohnung in Phnom Penh, auf der Bluetooth Box läuft Camborap und der Ventilator bläst mir eine leichte Brise ins Gesicht. Endlich finde ich Zeit zur Ruhe zu kommen und diesen Beitrag zur verfassen. Gerne würde ich jetzt einfach nur irgendeine schöne Geschichte hier erzählen, aber die Wahrheit ist, dass ich mich nicht entscheiden kann, was ich den erzählen möchte. Nur eine Sache zu erzählen, kommt mir falsch vor. Außerdem wie soll damit ein echter Eindruck an euch vermittelt werden? Zu viele Eindrücke in zu kurzer Zeit. Bin ich wirklich erst vier Wochen hier? Warte schon vier Wochen? Die Zeit ging irgendwie schnell. Mein Kopf ist wie der Ventilator neben mir: er dreht sich.
Ankunft
Etwa einen Monat ist es her, dass wir von Deutschland aus in unseren weltwärts-Freiwilligendienst mit Brot für die Welt gestartet sind. Wir, das sind Abdoul, Jannik, Paula, Jetti und ich. Am Wiener Flughafen trafen wir alle aufeinander, um gemeinsam die Reise nach Kambodscha anzutreten. Abgesehen von kleineren Zwischenfällen wie etwa einem Vollsprint durch den Bangkoker Flughafen, verlief unsere Reise reibungslos. Gelandet in Phnom Penh wurden wir direkt herzlich von unserer Landesmentorin Lim empfangen und zum Essen eingeladen, besser kann es ja wohl nicht losgehen.
Erste Tage
Die erste Woche über hatten wir dann ein Einführungs-Seminar mit Lim, in welchem wir bereits viel über das Land, die Kultur und die Geschichte lernen konnten. Auch Gäste kamen vorbei, um uns tiefere Einblicke in bestimmte Themen zu geben, etwa ein Menschenrechts Aktivist. Die Präsentation seines Engagements für Menschenrechte hat mir echt großen Respekt vor dieser so wichtigen Arbeit und vor allem seiner Person gegeben. Abgesehen von dem vielen Input hatten wir alle auch noch mit dem klassischen Jetlag zu kämpfen, was zu so witzigen Effekten führte, wie dass man den ganzen Tag müde war, um dann abends trotzdem nicht schlafen zu können. Zum Glück hat sich das nach etwa einer Woche normalisiert. Auch das Klima war erstmal gewöhnungsbedürftig. Erst als mir dann vor ein paar Tagen das erste Mal wieder kalt war, wusste ich, dass ich mich daran gewöhnt hatte.
Phnom Penh
Schon bei unserer Ankunft vom Flughafen konnte ich es gar nicht glauben jetzt wirklich hier zu sein, alles kam mir vor wie in einem Film. Die Fahrt vom Flughafen zu unserem Apartment durch das nächtliche Phnom Penh, ein Hingucker wohin die Blicke reichen. Alles ist voller Lichter, alles ist in Bewegung, ein Strom an Tuk-tuk und Motos. Die Stadt scheint nicht zu schlafen.
Bald starteten wir Phnom Penh alleine zu erkunden, vor allem nach der Arbeit genieße ich es einfach mal einen Abstecher zu einem der zahlreichen Märkte zu machen. Perfekt um sich treiben zu lassen oder auch nur um etwas für den Nachtisch zu besorgen. Überall tummeln sich auch kleine Straßenimbisse, die sich definitiv lohnen zu probieren. Ich habe von meiner Einsatzstelle ein Fahrrad gestellt bekommen was perfekt ist, um in Ruhe die Stadt auf sich wirken zu lassen. Zugegebenermaßen habe ich ein paar Tage gebraucht, um mich an den Verkehr zu gewöhnen. Verkehr funktioniert hier anders, mein Fahrlehrer in Deutschland hätte wohl einen Schock bekommen. Die inoffiziellen Regeln zu erklären, würde wohl zu lange dauern. Learning by doing oder so. Letztendlich geht es gut, denn jeder passt aufeinander auf.
Auch wenn in den letzten Wochen das bloße Staunen überwogen hat, merke ich auch jetzt schon die Schwierigkeiten und Probleme, mit denen diese Stadt zu kämpfen hat. Phnom Penh hat viele Gesichter: befindet man sich gerade noch auf einem großen Boulevard mit schicken Häusern und Villen, kommt man keine fünf Minuten später an einfachen Hütten vorbei. Auch im Verkehr: da gibt es die einen die fahren mit dem großen SUV und die anderen müssen halt schauen, wo sie bleiben. Es ist nicht gleich, es ist nicht fair und natürlich gibt es das überall auf der Welt. Aber hier fällt es mir besonders auf.
Die erste Zeit in der Einsatzstelle
Nach dem Seminar ging es für mich direkt in meine Einsatzstelle hier in Phnom Penh, bei der ich zurzeit noch halbtags mitarbeite. Meine Einsatzstelle nennt sich “Youth Council of Cambodia” (YCC) und betreibt Advocacy Arbeit für Jugendliche und junge Erwachsene. Ich wurde dort freundlich empfangen und direkt allen Mitarbeitern vorgestellt. Die ersten Tage verbrachte ich vor allem damit mich einzulesen und aus Berichten zu lernen. Jedoch durfte ich auch gleich in der ersten Woche mit meinen Kollegen mit ins Feld fahren, also in einem Sangkat (Viertel) Phnom Penhs an der Vorbereitung eines Community Forums teilnehmen. Solche Community Foren werden von YCC initiiert und haben das Ziel die Bewohner mit der Lokalregierung und anderen Dienstleistern (Schulen, Krankenhäuser) zusammenzubringen, damit sich die Entwicklung des Sangkat auf die Bedürfnisse der Menschen ausrichtet. Um eine Vorstellung davon zu bekommen ein Beispiel: etwa wurde sich bei diesem Forum für eine Verbesserung der Toilettensituation in der Schule eingesetzt. Was mir besonders gut gefallen hat ist, dass YCC versucht die Jugendlichen möglichst viel selber organisieren zu lassen und nur die Fähigkeiten zu vermitteln, wie etwa vor vielen Menschen zu sprechen.
In den nächsten Monaten werde ich dann bei YCC bei einem neuen Projekt mitarbeiten, welches sich zum Ziel gesetzt hat das Wissen der Jugendlichen aus dem ASEAN Raum über die Folgen des Klimawandels zu verbessern. Außerdem sollen die Jugendlichen motiviert werden sich aktiv für eine aktive Klimapolitik einzusetzen. Da dieses Projekt gerade erst Anfang September gestartet wurde habe ich die Möglichkeit dieses Projekt von Anfang an mitzuerleben. Erst letzte Woche durfte ich einem Meeting von YCC mit dem Sponsor ActionAid Cambodia beiwohnen, wobei ich viel über den Prozess von Projektarbeit lernen konnte. Außerdem hatte ich ein sehr interessantes Kaffeepausengespräch mit einer Mitarbeiterin von ActionAid und konnte so auch noch mehr über ActionAid erfahren.
Das Projekt wird in den verschiedenen Provinzen Kambodschas umgesetzt werden und ich darf auch in den Provinzen mit dabei sein, worauf ich mich schon sehr freue.
Wochenende in Siem Reap
Im Allgemeinen muss ich sagen, dass YCC sehr engagiert ist mich möglichst viel mitzunehmen und mir viele Einblicke zu geben. Direkt in der zweiten Woche etwa durfte ich meinen Chef am Wochenende nach Siem Reap zu einem Community Forum begleiten. Das lieferte mir spannende Einblicke in das Forum vor Ort, welches auch vor allem von Jugendlichen geleitet wurde inklusive Vorführung der Probleme in der Community vor Ort in Form kurzer Schauspieleinlagen (sehr schön und humorvoll) und Debatten über eben diese Themen.
Wer jetzt Siem Reap hört denkt sich wahrscheinlich gerade: warte mal waren da nicht auch diese Tempel? Ja, richtig und nicht nur irgendwelche Tempel. Nördlich der Stadt erstreckt sich ein riesiges Areal an Tempeln, die Angkor Historical Site mit dem Kronjuwel der Tempel: Angkor Wat. Das ganze Areal ist Weltkulturerbe und Angkor Wat ist Nationalstolz. Überall findet sich dieser Tempel abgebildet in Kambodscha, von der Landesflagge bis zur Bierdose. Kambodscha hat jedoch jeden Grund so stolz zu sein, den jeder der diese Tempel schon mal besucht hat wird bestätigen können, dass sie einen in den Bann ziehen wie kaum ein anderer Ort auf dieser Welt. Als ich dieses Wochenende Angkor Wat erblickte konnte ich es nicht glauben, eine Perfektion in groß und im Detail. Alles eingebettet in eine Symmetrie der Anlage, welche von einem künstlichen Wassergraben umgeben ist, rundherum Dschungel. Es ist einfach unglaublich, wie die Khmer dieses auf der Welt einzigartige Bauwerk bereits im 12. Jahrhundert erbauen konnten.
Angkor mag touristisch sehr erschlossen sein, es ist jedoch trotzdem die Reise wert und sollte man in Kambodscha sein darf man sich dieses Wunder nicht entgehen lassen.
WG
Auch in unserer Freiwilligen-WG haben wir uns gut eingelebt, den für die ersten Wochen wohnen wir noch alle zusammen in Phnom Penh, wo wir halbtags an einem Khmer Sprachkurs teilnehmen. Khmer ist in Kambodscha die Landessprache, daher geben wir alle zurzeit unser Bestes möglichst schnell etwas Khmer sprechen zu können. Bald geht es dann jedoch schon für Jetti nach Siem Reap und für Paula nach Battambang in ihre Einsatzstellen. Abdoul, Jannik und ich werden in Phnom Penh bleiben, dann jedoch in eine Gastfamilie umziehen. Etwas schade finde ich es ja jetzt schon, dass unsere gemeinsame Zeit schon wieder vorbei ist, aber ich freue mich jetzt schon darauf in einer Gastfamilie zu wohnen und so hoffentlich die Chance zu haben tiefer in den Alltag und die Kultur eintauchen zu können.
Fazit
Die ersten Wochen waren sehr viele Eindrücke, die wir alle glaube ich erstmal verarbeiten müssen. Ich habe jetzt versucht meine Gedanken etwas zu gliedern, was mir manchmal echt schwergefallen ist. Trotzdem tut es gut gerade die Zeit Revue passieren zu lassen. Ich freue mich jetzt jedoch schon sehr, wenn wir dann in gut einer Woche anfangen Vollzeit in unseren Einsatzstellen zu arbeiten und auf die Zeit in der Gastfamilie. Andere kleine Geschichten gibt es übrigens auf meinem Blog nachzulesen. Wer in etwa erfahren möchte, wie wir Bokator von einer Meisterin lernten, den muss ich auf meine anderen Beiträge dort verweisen.
Ich bin schon gespannt auf die nächsten Monate, denn wenn ich eines schon gelernt habe: jeder Tag hier ist ein Geschenk und wer weiß was ich heute noch so erleben werde.
P.S.: Wer mehr von mir lesen möchte findet meinen persönlichen Blog unter: timimausland.blogspot.com