Interview

Tag der Klimademokratie: Für gerechten Klimaschutz

Am 27. April lädt ein Bündnis aus über 130 Organisationen zum Tag der Klimademokratie ein. Bürgerinnen und Bürger aus ganz Deutschland treffen in Video-Runden mit Abgeordneten aus dem Bundestag zusammen, um zu besprechen: Wie kann Klimaschutz so organisiert werden, dass die Last fair verteilt wird? Mathias von Gemmingen gehört zu jenen, die dafür sorgen, dass es an diesem Tag konkret wird.

Von Kai Schächtele am
Symbolbild Tag der Klimademokratie

Herr von Gemmingen, was wird am Tag der Klimademokratie genau passieren?

Am 27. April sagen wir: Hallo Bundestag, wir müssen reden. Tausende Bürgerinnen und Bürger, die sich auf unserer Website anmelden können, rufen die Politik zum Klimadialog auf. Der Tag findet als ganztägige Video-Online-Konferenz bereits zum zweiten Mal statt. Alle Angemeldeten können von zu Hause aus mitmachen und Politikerinnen und Politikern in persönlichen Gesprächsrunden ihre brennenden Klimafragen stellen.

Wer sind die Menschen aus der Politik?

Wir* haben alle demokratischen Abgeordneten des Bundestags angesprochen, die die Stimmen aus der eigenen Wählerschaft, dem Wahlkreis oder der Region hören wollen statt immer nur das verzerrte Bild aus reißerischen Schlagzeilen.

Wie viele haben zugesagt?

Im Moment sind es 54 Abgeordnete aus vier Parteien. Weil bei der Premiere im vergangenen Jahr über tausend Bürgerinnen und Bürger an den Gesprächen teilgenommen hatten, haben wir die Hoffnung, dass wir beim Tag der Klimademokratie auch 2024 wieder den größten digitalen Klimadialog des Jahres auf die Beine stellen können.

Welche Parteien sind nicht dabei?

Eingeladen wurden alle demokratischen Abgeordneten. Deshalb ist die AfD nicht dabei. Vom Bündnis Sahra Wagenknecht hat sich niemand gemeldet. Und die FDP hat ihren Bundesparteitag ausgerechnet auf den 27. April gelegt. Wir warten auf Feedback, welche Liberalen sich dennoch eine knappe Stunde für das Bürgergespräch nehmen wollen.

„Wir schaffen einen Raum, in dem Politik und Gesellschaft miteinander reden können“

Wie laufen diese Gespräche ab, wenn so viele Menschen aus der Bevölkerung mit relativ wenigen aus der Politik zusammenkommen?

Es sind kleine Gesprächsrunden mit maximal 15 Wählerinnen und Wählern. Dort ist dann eine Stunde Zeit für alle Fragen, die man der Politik schon immer mal stellen wollte. Und für die Bundestagsabgeordneten bietet sich die Chance zu hören, wie die eigene Politik ankommt. Im vergangenen Jahr haben wir von vielen Teilnehmenden gehört, dass es viel mehr Rückenwind für sozial gerechte und progressive Lösungen gibt, als sich das manche im Moment noch vorstellen können.

Wenn ich im Bundestag säße, würde ich darauf antworten: Ich bin in ständigem Austausch mit meinem Wahlkreis. Dafür brauche ich keinen Tag der Klimademokratie.

Der Tag bietet die seltene Chance, dass mindestens tausend Menschen aus dem ganzen Bundesgebiet für eine große Konferenz zusammenkommen. So entsteht ein Momentum, das Politikerinnen und Politiker anschließend nutzen können.

Was kommt dabei konkret heraus außer guten Gesprächen über die großen Zukunftsfragen?

Wir schaffen einen Raum, in dem Gesellschaft und Politik endlich mal nicht über-, sondern miteinander reden können. Da lernen sich viele Menschen kennen, die gar nicht wussten, wer alles das Bedürfnis hat, mitzureden und gehört zu werden. Und die Teilnehmenden merken: „Da sind Gleichgesinnte, die denken wie ich, aber stellen Fragen, über die ich noch nie nachgedacht habe, weil ich zum Beispiel nicht zu dieser sozialen Gruppe gehöre.“ Im vergangenen Jahr haben sich nach dem Tag an vielen Orten Gruppen gebildet, die anschließend von sich aus auf Abgeordnete zugegangen sind, um in ihrem Wahlkreis oder ihrem Bundesland am Ball zu bleiben.

„Interessant ist, dass manche Abgeordnete andere Antworten geben, als es das Klischee erwarten ließe“

Welche Rückmeldungen gab es aus der Politik?

Wir haben ganz konkret Stellungnahmen eingesammelt zum Motto des Tages: Wie sieht eine Zukunft aus, die unabhängig wird von Kohle, Öl und Gas? Was sind wirklich sozial gerechte Klimalösungen für alle? Alle Antworten haben wir auf unserer Website veröffentlicht. Interessant ist, dass manche Abgeordnete andere Antworten geben, als es das Klischee von bestimmten Parteien erwarten ließe.

Was für Antworten meinen Sie?

Viele Politikerinnen und Politiker wollen laut ihrer Stellungnahme offenbar schon lange das Klimageld einführen. Und ich finde, am Tag der Klimademokratie können wir sie beim Wort nehmen: Welche Schritte unternehmen Sie, damit das wirklich passiert? Und was können die Teilnehmenden der Gesprächsrunden und die Zehntausenden aus den vielen Verbänden und Organisationen, die den Tag unterstützen, dazu beitragen?

Für alle, die die Idee noch nicht kennen: Was ist das Klimageld?

Der schon lange eingeführte CO2-Preis, der den Ausstoß von Treibhausgasen teurer macht, führt zu Einnahmen, die der Staat auf sozial gerechte Weise gleichmäßig an alle auszahlen könnte. Das hätte den Vorteil, dass Menschen mit kleinem Budget überproportional mehr zurückbekommen als sie bezahlen, weil sie einen weniger CO2-belasteten Lebensstil haben. Es ist ein faires Instrument, das dabei helfen kann, die Akzeptanz von noch viel konsequenterer Klimaschutzpolitik zu steigern.

„Wildfremde Menschen kommen zusammen und unterstützen sich“

Was war Ihr persönliches Highlight bei der Premiere im vergangenen Jahr?

Ich habe nicht den einen Moment, weil ich als Teil des Organisationsteams bei den meisten Gesprächen nicht dabei sein konnte. Was mich sehr stark beeindruckt hat, war, dass sich die bunt zusammengewürfelten Bürgerinnen und Bürger in ihren Gesprächen gegenseitig unterstützt haben. Da kommen wildfremde Menschen zusammen, haben sich mit ihren eigenen brennenden Klimafragen vorbereitet, hören dann interessante andere Fragen und unterstützen sich gegenseitig, die Fragen weiter zuzuspitzen. Das habe ich neulich auch in den Vorbereitungstrainings erlebt.

Was passiert in diesen Trainings?

Die Teilnehmenden spielen Gesprächssituationen durch und probieren Praxistipps aus, um dann zum Beispiel sagen zu können: „Liebe Abgeordnete, Sie haben die Frage meines Vorredners gar nicht beantwortet. Das interessiert uns hier alle – werden Sie doch nochmal konkret, bitte.“ Dieses Miteinander statt Gegeneinander ist einer der großen Effekte dieses Tages.

Was muss ich tun, um dabei zu sein?

Man geht auf unsere Website, wählt dort eine Politikerin oder einen Politiker aus und bucht ganz einfach einen Platz zum Gespräch. Und wer Lust hat zu üben, bekommt im Nachgang eine E-Mail mit den nächsten Trainingsterminen.

 

*Hinter dem Tag der Klimademokratie stehen die gemeinnützigen Organisationen Bürgerlobby Klimaschutz, German Zero und Together For Future. Getragen wird der Tag außerdem von einem Bündnis mit über 130 Organisationen, Verbände und Initiativen, darunter auch Brot für die Welt.

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